Finsterwalder Sebastian

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Biografie:
geboren in Rosenheim (Deutschland)
gestorben in Going (Österreich)

Auszeichnung zweier Männer des Alpenvereins
(S. Finsterwalder und A. Penck)
In den Tagen vom 24. bis 26. Juni 1927 feierte die Universität Innsbruck ihren 250jährigen Bestand. Das Fest verlief aufs schönste; es war beschickt von fast allen Universitäten deutscher Sprache, darüber hinaus sämtlichen skandinavischen (einschließlich Helsingfors). mehreren englischen, nordamerikanischen und auch einer südamerikanischen Universität (Buenos-Aires).
Mit zu den Gründen, aus denen heraus diese weitgehende Würdigung zu verstehen ist, darf die Eigenart Innsbrucks als der einzigen mitten im Hochgebirge gelegenen Universitätsstadt gezählt werden, als der Alpenuniversität engsten Sinnes.
Einer der inhaltlichen Höhepunkte der Feier bestand in der Verleihung verschiedener Ehrendoktorate. Grundsätzlich war dafür vom Senate die Losung ausgegeben worden, mit dieser höchsten akademischen Ehre nur führende Männer der Wissenschaft auszuzeichnen, und die philosophische Fakultät fügte für ihren Standpunkt hinzu, daß besondere Beziehungen zu Tirol gegeben sein müßten.
Mit Tirol und den Alpen als leitenden Gesichtspunkten rückten ganz von selbst zwei Persönlichkeiten in den Vordergrund, die für das Ehrendoktorat der Alpenuniversität geradezu vorbestimmt erschienen: Geheimrat Dr. Sebastian Finsterwalder, Professor für angewandte Mathematik an der Technischen Hochschule München, und Geheimrat Dr. Albrecht Penck, Dr. Professor für Geographie an der Universität Berlin.
S. Finsterwalder und A. Penck — wem im Alpenvereine klängen diese Namen nicht bekannt! Gletscher der Gegenwart, Gletscher der Vergangenheit, beide so untrennbar vom Antlitz der Alpen — untrennbar ist ihre Kenntnis, ihre Erforschung von den beiden Namen Finsterwalder und Penck.
Als junger Lehramtskandidat stellte Sebastian Finsterwalder Mitte der 80er Jahre in den Bergen seiner Heimatstadt Rosenheim Beobachtungen an, die ihn erstmals literarisch zu den Gletschern in Beziehung brachten. Er spürte dort den Moränen des alten Inngletschers nach und verfolgte dessen Eis in erratischen Blöcken so hoch hinauf, daß man fast zweifeln mochte — später sind die Angaben nicht nur bestätigt worden, sie konnten auch kaum mehr überboten werden. Alsbald nachher schlug Finsterwalder dann schon sein Lager am Suldenferner in der Ortlergruppe, am Gepatschferner in Kauns, am Vernagtferner im Oetztale, am Gliederferner in Pfitsch auf, um das Wesen der Gletscher selbst zu erforschen. Die wochenlange Feldarbeit vieler Sommer, jahrelange tiefgründige Studien widmete Finsterwalder, unterstützt von treuen Freunden (A. Blümcke, Hans Heß, M. Lagally, H. Schunck) und immer im engen Einvernehmen mit dem Alpenverein, den Gletschern. Das besondere Ziel seiner Forschungen war die mathematische Erfassung der Gletscherbewegung und ihr Hauptergebnis eine Theorie der Gletscherströmung, die rasch allgemeinen Eingang fand und zur herrschenden wurde. Über die Freuden und Leiden der Feldarbeit in jenen ersten Zeiten hat Finsterwalder selbst einmal berichtet („Aus den Tagebüchern eines Gletschervermessers", Zeitschrift des D. u. Oe. A. V. 1889).
Später stellte Finsterwalder die von ihm auch sonst bahnbrechend geförderte Photogrammetrie in den Dienst der Gletscheraufnahme und es entstanden neue Gletscherkarten, die an sich unübertroffen in Genauigkeit und Naturtreue sind, die aber auch zeigten, wie ganz hervorragend die mit vergleichsweise primitiven Mitteln, dafür einem Vielfachen von Arbeit und Zeit aufgenommenen älteren Gletscherkarten Finsterwalders ausgeführt waren.
Über die eigenen Gletscherforschungen hinaus nahm Finsterwalder die Leitung des gesamten übrigen ostalpinen „Gletscherdienstes" in die Hand, er wurde wie von selbst zum ständigen Referenten des Alpenvereins für alles, was in wissenschaftlichem Sinne Gletscher betraf. Und wenn heute die Leistungen des Alpenvereins auf diesem Gebiete international anerkannt sind, ist dies in erster Linie Finsterwalders Verdienst.
Finsterwalder hat aber auch auf eine von weiten Bergsteigerkreisen gewürdigte Tätigkeit des Alpenvereins maßgebenden Einfluß genommen, besonders auch wieder auf dem Wege über die Photogrammetrie: auf die Kartographie. Keine der vielen und vielgerühmten Alpenvereinskarten der letzten 25 Jahre, soweit sie nur den Ruhm verdienen, ist ohne weitgehende, oft geradezu entscheidende Mitwirkung Finsterwalders entstanden, wennschon sein Name hier kaum irgendwo aufscheint.
Ein drittes Gebiet wissenschaftlicher Tätigkeit, das Finsterwalder in, wenn auch losere Beziehung zu den Alpen und dem Alpenverein brachte, ist die Luftschiffahrt; gehörte er doch zu den ersten und erfahrensten Freiballonfahrern im weiteren Alpenbereiche.
Auch zu unmittelbar praktischen Fragen des Alpenvereins hat Finsterwalder Stellung genommen, es sei nur an seinen Aufsatz über die Windgefahr bei Schutzhütten in der Zeitschrift 1901 erinnert.
Der äußere Ausdruck Finsterwalder's unermüdlicher Tätigkeit im Alpenverein ist, daß er dem Wissenschaftlichen Beirat bzw. Unterausschuß fast ununterbrochen seit Gründung (1900) angehört; schrieben einmal Satzungsbestimmungen formal ein Karenzjahr vor, so änderte das nichts an der tatsächlichen Mitarbeit.
Mit dem Namen Albrecht Penck ist auf das engste die Erforschung der Eiszeitgeschichte der Alpen verknüpft. Seine Leistungen und Erfolge auf diesem Gebiete sind auch in nicht unmittelbar wissenschaftlichen Kreisen so weit bekannt, daß es kaum notwendig ist, ausführlicher auf sie zu verweisen. Hat schon sein erstes großes Werk, die von der Universität München preisgekrönte Schrift über „Die eiszeitliche Vergletscherung der deutschen Alpen" (1882) wegweisend gewirkt, so wurden in noch viel weiterem Umfang die gemeinsam mit Eduard Brückner verfaßten „Alpen im Eiszeitalter" grundlegend, ein Werk, das zu den größten Alpendarstellungen überhaupt zählt. Angeregt im Jahre 1887 durch ein Preisausschreiben der Sektion Breslau des D. u. Oe. A. V. ist es 1909 zur Vollendung gekommen und seitdem zum Ausgangspunkt zahlreicher neuer Forschungen geworden, an denen bis in die jüngste Zeit hinein auch wieder Penck selbst hervorragenden Anteil genommen hat. Mehr und mehr hat Penck dabei auch die voreiszeitliche Formentwicklung der Alpen in den Bereich seiner Untersuchungen einbezogen, sein großer Vortrag auf dem Innsbrucker Naturforschertag 1924 (vgl. Mitteilungen 1925, S. 161) bot eine großzügige Zusammenfassung darüber. Wer immer heute von alpiner Talbildung, Formentwicklung, Eiszeitvergletscherung handelt — in seinem Bewußt- oder Unterbewußtsein sind Penck's Ideen lebendig. Gewiß reicht Penck's Bedeutung so weit über einzelne Wissensgebiete hinaus, wie der Ruf seines Namens über die Grenzen der Staaten — ihre stärksten Wurzeln aber und wohl auch ein Gutteil der „Wurzeln seiner Kraft", die liegen in den Alpen. Innerhalb der Alpen hat einen der wichtigsten Bausteine zu Penck's Eiszeit-Chronologie das Weichbild der Stadt geliefert, deren Hochschule an ihrem Ehrentage dankbar des führenden Alpenforschers gedacht.
A. Penck's persönliche Beziehungen zum Alpenverein fanden besonderen Ausdruck in seiner Wahl zum Vorsitzenden der Sektion München (1885), und auch in den beiden anderen Brennpunkten deutschen Geisteslebens, wo Penck später große Schulen führte, Wien, Berlin, blieb er in enger Fühlung mit dem Alpenverein, besonders den akademischen Sektionen. Dazu kam rege Mitwirkung im Hauptausschuß, im Wissenschaftlichen Unterausschuß und an den Vereinsschriften.
Zum Schlüsse des Jubelfestes der Innsbrucker Universität leuchteten Höhenfeuer von den Bergen ins Tal. Sie waren mit ein Symbol der Erkenntnis, die unsere Ehrendoktoren über die Alpen gebracht.
R. v. Klebelsberg.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1927, Seite 145-146

Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1932, Seite 250 ff

Geheimrat Professor Dr. Sebastian Finsterwalder in München, rühmlichst bekannt durch sein verdienstvolles Wirken auf dem Gebiet der Geophysik (besonders der Gletscherforschung und der Photogrammetrie), blickt am 4. Oktober auf 75 Lebensjahre zurück. Zum 70. Geburtstage wurde er durch eine eigene „Finsterwalder-Festschrift" geehrt.
A.D.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1937, Folge 10, Seite 271


Sohn des Bäckermeisteres und Magistratsrates Johann Finsterwalder, Ehrendoktor der TH Wien, der TH Zürich und der Universität Innsbruck, Träger der Goethemedaille für Kunst und Wissenschaften, war Mitglied der Sektion Rosenheim des DAV von 1884 bis zu seinem Tode im Jahre 1951 und deren Ehrenmitglied seit 1944, dem Jahr seines 60. Alpenvereinsjubiläums.
Quelle: Festschrift 100 Jahre DAV Sektion Rosenheim

Geheimrat Prof. Dr. Finsterwalder (+)
Am 4. Dezember 1951 starb im 90. Lebensjahr Geheimrat Prof. Dr. Sebastian Finsterwalder, Altmeister der Photogrammetrie und Gletscherkunde, einer der letzten großen deutschen Wissenschaftler aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Die sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Alpenverein währte über ein halbes Jahrhundert. Zum Zeichen ehrenden Gedenkens legte der Verwaltungsausschuß des Deutschen Alpenvereins und des Österreichischen Alpenvereins sowie die Sektion Rosenheim, deren Ehrenmitglied der Verstorbene war, Kränze am Grabe im Münchner Westfriedhof nieder.
Quelle: Mitteilungen des DAV 1951, Heft 12, Seite 187-188

Quelle: Der Bergkamerad 1951/52, Seite 210


Geboren am:
04.10.1862
Gestorben am:
04.12.1951