Weber Erich

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Biografie:
Erich Weber
*5. November 1933 + 28. Dezember 1963
Sonntag, 29. Dezember 1963. Ein friedvoller Nachweihnachtsmorgen, der urplötzlich durch das Klingeln des Telephons gestört wird, Fast klingt es heute feindlich, und nur widerwillig hebe ich ab. Am anderen Ende höre ich Edi, den langjährigen Freund und Seilgefährten. Doch, was er sagt, ist von solcher Schwere, daß ich es im Moment einfach nicht begreife: "Erich ist tot! Eine Lawine!' Ohne recht zu antworten, lege ich den Hörer auf.
Minuten später befinde ich mich in der klaren, kalten Winterluft. Mein Ziel sind Erichs schwer geprüfte Eltern. Erich Weber soll tot sein? Das ist unmöglich! Noch vor fünf Tagen, am Weihnachtstag, war er bei uns und brachte Geschenke, wie immer, Spiel-zeug für die Kinder und selbstgebastelte, geschmackvolle kunstgewerbliche Dinge für uns. Er war nicht nur ein hervorragender Seilgefährte auf vielen, großen Wegen, er war vor allem ein Freund der ganzen Familie.
Am 3. Jänner sollten wir uns in Wagrain treffen, Lawine, Schneebrett? Vielleicht ist Erich verschüttet und wurde nicht gefunden? Oft hat man Verschüttete noch nach Tagen lebend geborgen! Ein Hoffnungsfunke taucht auf, und ich beginne zu laufen. Die Gedanken kreisen. Wer von den Freunden ist während der Feiertage in Wien? Egbert, Werner, wer noch? In zwei Stunden müßten wir eventuell mit einer Chartermaschine nach Villach fliegen können. Mittags könnten wir dort sein und am Nachmittag am Unfallsort im Sadnig-Gebiet. Die Chance würde vielleicht 1000:1 stehen, vielleicht noch schlechter; doch es ist ein Faden, an den ich mich klammere, ein winziger Hoffungsschimmer.
Atemlos lange ich bei Webers an. Edi ist bereits dort, und die Miene aller drückt das Endgültige aus, vom Polizei-Fernschreiben klar und deutlich bestätigt: Erich wurde nach einer knappen Stunde tot aus den Schneemassen geborgen.
Erich Weber. — Ich erinnere mich an unsere Osterschitour 1955 auf die Kräuterin. Ein stiller, unscheinbarer, ja fast scheuer Bursche, war neu in unseren Kreis gekommen. Drei Tage lang sprach er kaum ein Wort. Darum befragt, meinte er nur trocken: „Es reden so die andern!" Ja, das war typisch für ihn, und eigenartig. Was den „anderen" nicht mit vielen, lauten Worten gelang, das erreichte er unbeabsichtigt. Man wurde auf ihn aufmerksam und lernte ihn bei näherer Beachtung erst richtig kennen und schätzen.
Als Bergsteiger lockte ihn zwar nie der sechste Grad, doch stets gelangen ihm große Touren, vor allem im Eis und im kombinierten Gelände. Unsere erste gemeinsame Tourenwoche brachte z. B. zuerst im Bergell: Monte del Forno, Cima di Rosso-Nordwand, Monte Rosso NO-Grat; dann in der Bernina: Piz Palü, Östl. Nordwandpfeiler, und Tags darauf den Biancograt im Abstieg. Den Abschluß dieser Tourenwoche bildete noch die Gran Paradiso NW-Wand. Er kannte nahezu alle großen Gruppen der Alpen, vom Wienerwald bis zum Dauphiné und galt stets als ein ausgesprochenes Konditionswunder, das trotz seiner morgentlichen sprintartigen Starts bis zum Abend nicht ermüdete. Von seinen Touren möchte ich hier noch folgende nennen: Großglockner NW-Grat, NO-Grat und Pallavicinirinne, Venediger NO-Wand, Mischbachferner, Zebru-Nordwand, Königsspitze-Suldengrat, Rimpfischhorn-Ostwand, Matterhorn-Zmuttgrat, Jungfrau-Nordwand-Guggiroute, Ebnefluh-Nordwand, Aig. de Bionassay-NW-Wand mit anschließender Montblanc-Längsüberschreitung. Große Überschreitungen und Schitouren, wie Haute Route und Glockner-Umfahrung, oder scharfe Grate waren überhaupt seine Lieblingstouren. „Hier sieht man mehr als in Deinen Wänden und Couloirs, hier kann man photographieren!"
Damit wären wir beim zweiten Erich Weber, beim Photographen. Obwohl von Beruf gelernter Buchbinder und als Siebdrucker tätig, war Photographieren neben dem Bergsteigen seine zweite große Leidenschaft, vielleicht sogar die größere. Oft verzichtete er einem guten Bild zuliebe auf eine Tour. Und die Bilder wurden gut. Viele. Preise, u. a. auch den zweiten Preis im großen AV-Photowettbewerb 1962 erzielte et mit ihnen. Immer großartiger wurden seine Bilder, und doch war er fast nie zufrieden. Immer arbeitete er an sich, immer wollte er Besseres erzielen, bis er einen eigenen Stil entwickelte. Kleine Menschen auf großen Bergen, oft nur auf einer Gletscherfläche. Viel Licht und harte Schatten. Mit bescheiden anmutenden Mitteln drückte er tiefstes Erleben aus und legte damit sein eigenstes Wesen bloß: Die Demut vor dem Berg. Als er tot war, meinten Bergsteiger, die berufsmäßig im Verlagswesen zu tun haben, daß Weber für sie bereits jetzt, im Alter von 30' Jahren, der beste Bergphotograph war. Was hätte er noch alles schaffen können, da er in Regionen kam, die den Berufsleuten zumeist nicht zugänglich sind und wenn, dann sich diese auf Gebiete wie Dolomiten oder Montblanc spezialisieren. Er wußte aber in letzter Zeit auch um die Ausdruckskraft seiner Bilder. Der sonst so bescheidene Erich Weber konnte beinhart werden, wenn jemand an seinen Bildern herumzunörgeln versuchte. Was hätte er noch alles schaffen können? Knapp vor seinem Tod meinte er im Gespräch mit seinem Vater, der auch sein photographischer Lehrmeister war: „Was soll ich noch für Bilder machen, ich hab' bereits alles photographiert!" War sein Leben vielleicht tatsächlich bereits ein abgeschlossenes Ganzes?
Erich Weber war bestimmt ein sehr guter Bergsteiger. Noch bedeutender war er vielleicht als Bergphotograph. Seine wirkliche Größe aber erreichte er als Mensch, als Kamerad.
Hier nur eine Episode, die für ihn charakteristisch ist: Er entkleidete sich einmal in einem winterlichen Biwak, bei minus 20 Grad, bis auf das Hemd, um seinen verletzten, fiebernden Gefährten die Nacht erträglich zu gestalten.
1958 waren wir gemeinsam im Mannschaftskader für eine Himalaya-Karakorum-Expedition zum Hidden-Peak. In der letzten Minute aber bekamen nicht wir die Einreise-genehmigung sondern Amerikaner. Schade, der Traum von den Weltbergen war für ihn ausgeträumt. Nicht ganz allerdings, 1963 war es ihm noch vergönnt vier Wochen im Zentralkaukasus zu weilen. Er bestieg den Elbrus-Westgipfel (5632m) und im Besengi-Gebiet den Koschtantau (5145 m), Nordgrat, Dschangitau (5038 m) NO-Rippe, Ulluaus (4679m) SO-Grat und Baschaaus (4452m). Den Abschluß bildete die 1. Begehung des Kudjum Mischirgi- (4560 m) SO-Grates, einer großzügigen Felsfahrt des vierten Schwierigkeitsgrades. Kaum heimgekehrt, bewegte ihn aber nur eine Frage: Werde ich jemals Gelegenheit bekommen, einen noch höheren Berg zu ersteigen als den Elbrus. Wieder grübelte er, ob er am Ende sei mit seiner Entfaltungsmöglichkeit.
Zwei Wochen vor Erichs Unfall an einem Schisonntag am Eibl bei Türnitz: Sein. Gefährte wollte wegen einer weiteren Abfahrt nochmals mit dem Lift hinauf, er aber sagte: "Man muß aufhören können, wenn es am schönsten ist!"
Vanis
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1964 März/April, Folge 1334, Seite 40-41

Quelle: Alpinismus 1964, Heft 2, Seite 49
Quelle: Alpinismus 1964, Heft 6, Seite 52

Tourengefährte von Erich Vanis

1963 Teiln.Kaukasus Expedition, (Zentralkaukasus)
1963 Best.Elbrus-Westgipfel (5632m, (Kaukasus)
1963 Beg.Koschtantau-Nordgrat,5145 m, (Besengi-Gebiet Kaukasus)
1963 Beg.Dschangitau-Nordostrippe,5038 m, (Besengi-Gebiet Kaukasus)
1963 Beg.Ulluaus-Südostgrat,4679m, (Besengi-Gebiet Kaukasus)
1963 Best.Baschaaus,4452m, (Besengi-Gebiet Kaukasus)
1963 1.Beg.Kudjum Mischirgi-Südostgrat,IV,4560 m, (Besengi-Gebiet Kaukasus)
Best.Monte del Forno, (Bergell)
Beg.Cima di Rosso-Nordwand, (Bergell)
Beg.Monte Rosso-Nordostgrat, (Bergell)
Beg.Piz Palü-Östl.Nordwandpfeiler und Biancograt im Abstieg, (Bernina)
Beg.Gran Paradiso-Nordwestwand,50°,600 HM,4061m, (Grajische Alpen)
Beg.Großglockner-Nordwestgrat, (Hohe Tauern)
Beg.Großglockner-Nordostgrat, (Hohe Tauern)
Beg.Großglockner "Pallavicinirinne", (Hohe Tauern)
Beg.Venediger-Nordostwand, (Venedigergruppe)
Beg.Habicht-Nordostwand "Mischbachferner",45°,3277m, (Stubaier Alpen)
Beg.Zebru-Nordwand, (Ortler Alpen)
Beg.Königsspitze-Suldengrat, (Ortler Alpen)
Beg.Rimpfischhorn-Ostwand,4199m, (Walliser Alpen)
Beg.Matterhorn-Zmuttgrat, (Walliser Alpen)
Beg.Jungfrau-Nordwand-Guggiroute, (Berner Alpen)
Beg.Ebnefluh-Nordwand, (Berner Alpen)
Beg.Aiguille de Bionassay-Nordwestwand mit anschließender Montblanc-Längsüberschreitung,
4810m, (Montblancgebiet)
Skibeg.Haute Route, (Montblancgebiet und Walliser Alpen)
Skibeg.Glockner-Umfahrung,(Hohe Tauern)
Gerd Schauer, Isny im Allgäu


Geboren am:
05.11.1933
Gestorben am:
28.12.1963