Krempel Heinrich

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Biografie:
Krempel Heinrich, * Bad Kreuznach in Deutschland; ab 1865 Wien, + Wien (Autounfall)

Ab 1892 Mitglied und ab 1933 Ehrenmitglied des ÖAK (Wien). Von der Gründung (1902) bis zu seinem Tod Vorsitzender der lustigen Berggemeinschaft ?Apachen?, die in den Westalpen und in der Berninagruppe zahlreiche großzügige Bergfahrten, hauptsächlich auf Viertausender, ausführten. Krempel war 1896 Mitbegründer und 17 Jahre technischer Leiter des Alpinen Rettungs-Ausschusses Wien, aus dem schließlich der Österr. Bergrettungsdienst hervorgegangen ist. Berggefährten waren u. a. E. Pichl, A. v. Radio-Radiis, F. Zimmer, R. Kitschelt. Dem erfolgreichen Bergsteiger führte bedeutende Bergfahrten besonders in den Westalpen und neue Anstiege durch. Ihm gelangen 1903 die Nordostwand des Kleinen Laserzkopfes und der Westabsturz des westlichen Wildsenders in den Lienzer Dolomiten.

1899 1.Beg.Festkogel-Ostflanke "Zimmer-Krempel",2269m, (Ennstaler Alpen,Gesäuse)1899
1901 1.Beg.Hochtor-Südwest (Haupt) gipfel-Nordwestwand "Variante zur Austiegsvariante",2369m, (Ennstaler Alpen,Gesäuse)
1903 1.Beg.Kleiner Laserzkopf-Nordostwand "Pichl-Krempel-Führe",2690m,
(Gailtaler Alpen,Lienzer Dolomiten)
1903 1.Beg.Westlicher Wildsender Südwestwand und Westgrat,2736m, (Ennstaler Alpen,Gesäuse)
1919 Überschr.Matterhorn über den Zmuttgrat,4478m, (Walliser Alpen)
Gerd Schauer, Isny im Allgäu

ff

Heinrich Krempel (+)
Am 26. Dezember 1935 ist dieser unverwüstlich-lebenslustige Wiener Bergsteiger von langem, schwerem Leiden, 76 Jahre alt, erlöst worden. Er war einer der tüchtigsten Wiener Führerlosen, ein Mensch von ansteckender Fröhlichkeit, ein Mann, der für andere opferbereit war, wie er es als langjähriger Leiter des Alpinen Rettungs-Ausschusses Wien bewiesen hat. Eine ausführliche Würdigung von Freundesseite wird in der nächsten Folge der „Mitteilungen" erscheinen.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1936, Folge 2, Seite 48
Quelle: Österr. Alpenzeitung 1936, Seite 25

Zum Gedächtnis: Heinrich Krempel (+)
Am 26. Dezember 1935 jährte sich der Tag, an dem in Wien an den Folgen eines Autounfalls nach etwa neunmonatigem Krankenlager im 76. Lebensjahr ein Bergsteiger verschied, der nicht nur in Wien und Österreich, sondern auch im Deutschen Reich und im Ausland wohlbekannt und geschätzt war, dessen besondere Eigenschaften in und neben seinem alpinistischen Wirken Frohsinn und Heiterkeit waren. Aber auch seine Verdienste um die alpine Sache waren derart, daß sie nicht der Vergessenheit anheimfallen sollen.
Heinrich Krempel, im Jahre 1860 in Kreuznach, im Deutschen Reich, geboren, hatte sich nach einer sehr glücklichen und von viel Lausbubenhaftem durchwirkten Jugend als Kaufmann bis zu seinem 30. Lebensjahr tüchtig in der Welt umgesehen, war auf seinen verschiedenen Fahrten bis nach Südamerika gekommen und landete schließlich in Wien, das ihm seine zweite Heimat wurde. Als Kind einer gesegneten Erde fand er in Wien menschlich und landschaftlich ähnliche Verhältnisse wie in seiner rheinischen Heimat vor, die ihn sofort gefangennahmen.
Heinrich Krempel war ein außerordentlich guter Sportler: Turner, Schwimmer usw., und von ganz erstaunlicher Gelenkigkeit, Geschicklichkeit und Zähigkeit, was ihn befähigte, dauernd die größten Strapazen ohne Ermüdung zu ertragen. Bald reizten ihn die Berge, die in das Stadtbild Wiens ja überall so verführerisch hereinlugen, und er begann diese und dann die gesamten Ostalpen so gründlich zu besuchen, daß er letztere schon so ziemlich kennengelernt hatte, als er sich dem alpinen Vereinsleben zuwandte. Erst im Alter von 32 Jahren trat er, nachdem er sich die Qualifikation dafür auf vielen schwierigen Touren erworben hatte, dem Österr. Alpenklub in Wien im Jahre 1892 bei und fand dort im Kreis erfahrener Bergsteiger bald das Betätigungsfeld und die Kameradschaft, wo er sich wohl fühlte und so lange Jahre erfolg- und segensreich wirken konnte.
Wenn auch Heinrich Krempel nie ein sogenannter Vereinsmeier war, hatte er doch lebhaftes Interesse für alles, was sich im alpinen Leben ereignete. Bald wurde man im Österreichischen Alpenklub auf seine Fähigkeiten, auf sein klares Urteil und seine Agilität und Betriebsamkeit aufmerksam und wählte ihn 1897 in den Ausschuß des Klubs, was diesem im Laufe vieler Jahre zu größtem Nutzen gereichte. Seine Tätigkeit auf diesem Gebiete gewährte ihm große Befriedigung, sie wurde 1921 durch seine Ernennung zum Ehrenausschußmitglied anerkannt, der 1933 die Ehrenmitgliedschaft des Klubs folgte. Diese freute ihn ganz besonders, trotzdem er sonst jeder sogenannten Ehrung abhold war. Heinrich Krempel war ein Mensch mit Sonne im Kerzen, voll Frohsinn und Freude an Scherz und Humor.
Seine gesellschaftlichen Fähigkeiten als Kartenkünstler, Zauberer, Rezitator usw. ragten weit über den Durchschnitt, wurden bald allerorten bekannt und machten vielen Freude, wenn er sie gelegentlich zum Besten gab. Die Fröhlichkeit seines Wesens hatte aber noch eine andere Wirkung. Im Österr. Alpenklub waren damals eine Anzahl ähnlich veranlagte Bergsteiger, die Krempels Wesen anzog, und alsbald entstand aus diesem Kreise eine freundschaftliche Vereinigung lustiger Bergsteiger, „Die Apachen", zu deren Häuptling Heinrich Krempel gewählt wurde, welche Würde er bis zu seinem Tode inne hatte. Im völligen Gegensatz zu den meisten Alpinisten scharfer Richtung hatten diese keinerlei Ehrgeiz, Berge, Routen oder Varianten zu machen, die noch niemand gemacht hatte. Er genügte den „Apachen", die die Ostalpen schon gründlich kannten und ihre Tätigkeit nun fast ausschließlich in die Westalpen verlegten, möglichst viele und schöne hohe Berge kennenzulernen, und wählten sie sich die ihnen dafür geeignet erscheinenden Gipfel und Routen — durchaus nicht immer die leichtesten — ganz nach Gefühl. Auch nicht „dem grauen Alltag zu entfliehen" war ihr Beweggrund, Berge zu besteigen, sondern nur die Freude an der alpinen Natur und die Liebe zum Abenteuer führten sie in die Berge zu fröhlichem Tun. Wer sich über diese lustige Vereinigung froher und tüchtiger Bergsteiger genauer unterrichten will, findet in Eduard Pichls „Wiens Bergsteigertum" deren bedeutendere Mitglieder und die von ihnen bewältigten hervorragenden Touren genannt. Bald wurden die alpinen Klubs und Vereine auf die großen Touren und auf die vielen stolzen Viertausender aufmerksam, die die „Apachen" bezwungen hatten, und man trat an Heinrich Krempel heran, darüber in Vortagen zu berichten, welcher Bitte er stets in uneigennütziger Weise entsprach. Er wurde dadurch, trotzdem er sonst naturgemäß im Österr. Alpenklub sein Betätigungsfeld hatte, doch auch in allen anderen Vereinen und in sehr vielen Sektionen des D. u. Ö. A. V. eine sehr bekannte und beliebte Persönlichkeit, deren Erscheinen genügte, daß sich alles auf Frohsinn und Heiterkeit einstellte. So brachte „Täte", wie er als Häuptling der „Apachen" hieß und genannt wurde, die um die Jahrhundertwende den meisten Ostälplern noch ziemlich abweisend erscheinenden Viertausender der Westalpen bis nach dem Großen Kriege durch seine lustigen Vorträge der alpinistischen Welt Österreichs und Deutschlands näher und zeigte, wie man diese ohne Besorgnis genießen könnte — wenn man sonst ein erfahrener, tadelloser Bergsteiger ist. Heinrich Krempel wurde durch diese lustigen Vorträge, die den veranstaltenden Vereinen stets volle Säle und dem Vortragenden reichen Applaus brachten, bald ein vielgesuchter Schilderer der großen europäischen Bergwelt und hat als Propagator der Viertausender dadurch wohl mehr für die Giganten der Westalpen geworben als so mancher große berühmte Bergsteiger. Alle diese humorerfüllten Tourenschilderungen zeichneten sich dadurch aus, daß in ihnen nie die Rede von irgendwelchen Katastrophen war, sondern auch die schwierigsten und manchmal unter den widrigsten Umständen durchgeführten Expeditionen hatten stets einen wenn auch oft abenteuerlichen, so doch harmonischen Verlauf und Abschluß, worauf die „Apachen" unbedingt hielten. Nur auf der letzten großen Tour,— der Überschreitung des „Matterhorns" über den Zmuttgrat —, die Krempel mit mir im Jahre 1919 als Sechzigjähriger machte, die auch seine letzte schwierige, große Bergfahrt war, hätte ein böser Steinschlag, der uns erwischte, die Gepflogenheit der „Apachen", alle ihre Touren sauber und ohne Unfall zu machen, beinahe außer Kraft gesetzt. Doch gelang es Freund Hein noch nicht, ihn schon damals unter den Arm zu nehmen, sondern mußte er damit warten, bis es ihm im Dezember 1935 leider dennoch gelang.
Unvergängliche Verdienste hat sich Heinrich Krempel durch eine Tätigkeit erworben, die ihn siebzehn Jahre lang außerordentlich in Anspruch nahm und weitesten alpinen Kreisen bekannt machte, die ein außergewöhnliches Maß von Pflichterfüllung erforderte und zeigte, wie ernst dieser frohe und lustige Mensch auch ernste Dinge nehmen konnte und diese hohe Pflicht so lange Jahre in mustergültiger Weise ausübte. Es war das alpine Rettungs-Wesen, das damals noch ganz in den Kinderschuhen steckte und unbedingt eine straffe Zusammenfassung und Organisation erforderte, wenn es den sich stetig häufenden Unfällen gewachsen sein sollte. Als im Jahre 1896 nach einer Reihe alpiner Unfälle von den Herren Th. Keidel, F. X. Kleinwächter und Heinrich Krempel in Wien der Alpine Rettungsausschuß gegründet wurde, übertrug man Heinrich Krempel dessen Leitung, die er bis 1912 — also volle siebzehn Jahre — inne hatte und mit großem Erfolg führte. Wer nur die heutige Vollendung und den Ausbau dieser segensreichen Schöpfung kennt, kann sich kaum eine Vorstellung davon machen, was es damals hieß, solche Expeditionen nach oft weitab liegenden Zielen á, tempo zusammenzustellen und durchzuführen. In den speziellen näheren Wiener Unfallgebieten, wie Raxalpe, Schneeberg, Hochschwab, Gesäuse, Dachstein usw., waren damals wohl einzelne Rettungsleute vorhanden, auf die man zählen konnte, so z. V. die Bewirtschafte und Knechte der Schutzhütten, Bergführer, Holzarbeiter, Jäger usw., aber auch diese waren für Rettungen aus schwierigem Gelände und Situationen vielfach nur sehr bedingt geeignet. Die Hauptarbeit dabei hatten also meist die freiwilligen Helfer, die Mitglieder des Österr. Alpenklubs und der ihm befreundeten Vereine zu leisten, und zwar unter Heinrich Krempels und Franz Zimmers Leitung. Der Ausbau dieser segensreichen Einrichtung und deren Übernahme durch den D. u. Ö. A. V. hat wesentlich einfachere Bedingungen geschaffen und stellt an die persönliche Opfer-Willigkeit der Mitglieder weit weniger Ansprüche, da dafür nun genügend Berufsleute zur Stelle sind, um diesen ideell hochstehenden, doch traurigen Dienst unter geschulter Leitung rasch und zweckentsprechend zu verrichten. Für seine langjährige, erfolgreiche Tätigkeit auf diesem Gebiete wurde Heinrich Krempel mit dem goldenen Verdienstkreuz mit der Krone ausgezeichnet.
Eine dauernde Ehrung darüber hinaus soll Heinrich Krempel nun in der allernächsten Zeit noch dadurch zuteil werden, daß eine neue Wintersport-Rettungshütte, die auf dem Wiener Schneeberg in der viel befahrenen Trenkwiesenschlucht in der Nähe des sogenannten Feld-Herrnhügels (Gamsfeichten), wo sich die beiden steilen Gräben Wurzengraben und Schneegraben treffen, in der allernächsten Zeit errichtet werden wird, und zwar mit Förderung des Bundeskanzleramtes (Turn- und Sportreferat) und des Bürgermeisters der Stadt Wien Richard Schmitz (Grundeigentümer) von der Landesstelle für alpines Rettungswesen des D. u. Ö. A. V. Diese Hütte, die auch zur Unterbringung Verletzter bis zu ihrer Zutalbeförderung bestimmt ist, wird zum Gedenken des ersten langjährigen Leiters und Mitbegründers des Alpinen Rettungsausschusses Wien den Namen „Heinrich-Krempel-Rettungshütte" tragen und seinen Namen auch auf diesem Gebiet dauernd in dankbarer Erinnerung halten.
Ein verdienstvolles Werk wäre es wohl, wenn man die Schilderungen der von ihm veranstalteten „Apachenfahrten" sammeln, und in einem Buch niederlegen und damit zeigen würde, was diese fidele Bande und ihr Häuptling geleistet und wie sie ihr alpines Erleben genossen haben. Viele würden an diesen humorvollen Schilderungen erstklassiger Bergbesteigungen und froher Erlebnisse unten im Tale, in denen der ganze „Krempel" lebt und wie leibhaftig vor einem steht, gewiß ihre helle Freude haben und daraus ersehen, was ein prächtiger Mensch, den Mutter Natur mit sonnigem Gemüt, Witz und Humor und einem goldenen Herzen ausgestattet. Gutes wirken und Freude schaffen kann. Wie wenige sind dazu heute noch imstande. Alle, die Heinrich Krempel kannten, werden seinen vorzeitigen Hingang beklagen und seiner stets in Treue gedenken. Am meisten aber seine alten Freunde und Mitkämpfer auf den Bergen und unten im Tale, die „Apachen", die ihm eine würdige letzte Ruhestätte in der heiligen Erde Grinzinigs bereiteten, die er immer so heiß geliebt. Möge sie ihn lind umschließen. Wir werden ihn nie vergessen, denn er war ein Einmaliger!
Gustav Schmidt.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1937, Seite 11-13



Geboren am:
1860
Gestorben am:
26.12.1935

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