Chval-Kremslehner Hans

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Biografie:
siehe Kremslehner
geboren in Wien (Österreich)
gestorben an der Aiguille Brenva durch Steinschlag (Italien)

Nach der Heirat und Adoption den Namen Kremslehner angenommen.
Seine Seilgefährten waren Erich Vanis und Joschi Pfeffer.
Teilnehmer an der Österreichischen Himalaya Expedition 1954 unter der Leitung von Rudolf Jonas.
6. Begehung der Täschhorn Südwand am 4. August 1956 mit Erich Vanis.
Erste Winterbegehung der Südostwand der Stangenwand (Hoschwabgruppe).
Begehung der Piz Badile Nordostwand.
Begeheung der Dent d'Herens Nordwand.
Begehung der Bietschhorn Nordwestwand
Begehung der Aiguille du Geant Südwand
Begehung des Aiguille Noir Südgrates
Quelle: Archiv Proksch (Österr. Alpenklub)

* Wien, + Aiguille de la Brenva (Italien),Steinschlag
Nach der Heirat und Adoption den Namen Kremslehner angenommen.
Seine Seilgefährten waren Erich Vanis und Joschi Pfeffer.
Teilnehmer an der Österreichischen Himalaya Expedition 1954 unter der Leitung von Rudolf Jonas.
1956 6.Beg.Täschhorn-Südwand,850 HM,55°-60°,4490 m, (Walliser Alpen) mit Erich Vanis.
1.Winterbeg.Stangenwand-Südostwand,2157m, (Hochschwabgruppe).
Beg.Piz Badile-Nordostwand „Cassin“,V+/A0,900 HM,3308m, (Bergell)
Beg.Dent-d’Herens-Nordwand,60°,4171m, (Walliser Alpen)
Beg.Bietschhorn-Nordwestwand,3934m, (Walliser Alpen)
Beg.Monte Rosa-Ostwand,4634m, (Walliser Alpen)
Beg.Lyskamm-Nordwand,4527m, (Walliser Alpen)
Beg.Breithorn-Nordwand,4164m, (Walliser Alpen)
Beg.Aiguille Noire-Südgrat,3772m, (Montblancgebiet)
Beg.Aiguille Noire-Direkte Westwand,3772m, (Montblancgebiet)
Beg.Montblanc-Brenvaflanke,4807m, (Montblancgebiet)
Beg.Dent de Géant-Südwestwand,4009m, (Montblancgebiet)

Gerd Schauer, Isny im Allgäu

Quelle: Österreichische Bergsteigerzeitung Jahrgang 53, 1975, Seite 182 f
Quelle: Der Bergsteiger 1975, Seite 765 f
Quelle: Österr. Alpenzeitung 1976, Seite 14 f

Hans Chval-Kremslehner
10. Mai 1932 ? 13. August 1975
Die Meldung war ganz unscheinbar. Montblancgebiet ... Felsblock ... der 43jährige Johann Kremslehner ? eine Sekunde lang die Hoffnung, im selben Moment schon als unsinnig verworfen, es sei ein anderer, irgendein armer Teufel mit Namen Johann ¬und dann die dumpfe Erstarrung: das ist er ? nein, das w a r er, der große, starke Hansl mit dem großen, breiten Lausbubenlachen im Gesicht ...
Wieso gerade er, der perfekte, jeder Lage gewachsene Alpinist? Das ist doch nicht möglich! Absurd!
Alles ist absurd: Die dunkelgekleideten Menschen ? es wird einer begraben; so viele Freunde ? und der Hansl fehlt. Der Geistliche spricht die Formeln für einen, der nicht mehr lebt. Schwierig: All dies hat mit unserem Hansl zu tun. ? Gestern haben wir ein paar Enziane für ihn gepflückt und Steinnelken; am Hochschwab ? dort hat es ihm so gut gefallen ... Etwas Unbegreifliches, Schmerzliches liegt zwischen dem Bisher und dem Jetzt, ruht in dem blumengeschmückten Sarg, der gegen die gleißende Sonne hinaufgetragen wird zum offenen Grab.
Dieselbe grelle Augustsonne mag er als letzten Eindruck von dieser Welt mitgenommen haben: Aiguille-Brenva-Ostwand, Boccalateführe. Zu dritt auf einem Standplatz; unter dem Voraussteigenden löst sich eine in teuflischer Balance befindliche Fels-
platte von Mannsgröße Hansl wurde, so paradox es klingen mag, Opfer seiner Umsicht und Perfektheit mit einer zweifachen Selbstsicherung hatte er keine Fluchtmöglichkeit. Nun liegen ein paar Fotos vor mir. Hans in Kletteradjustierung natürlich. ? Einer der sichersten Bergsteiger, die man sich denken kann. Souverän, eine Ruhe ausstrahlend, die sich automatisch auf den Partner übertrug; ein Kletterstil, der gar nichts. Spektakuläres, Akrobatisches an sich hatte. Einfach ein Gehen im Fels ? unbeirrbar aufwärts, kein Zögern, kein Versteigen ? man war nur immer erstaunt, schon am Ausstieg zu sein. Ein Übermaß an Kraft, gezügelt durch Intellekt, in Bewegung gehalten von einer leisen Unruhe ? dem nächsten Ziel zu. Das Bild ist auf dem ?Glocknergrat" aufgenommen, dem bescheidenen Felswürzelchen über der Hinterbrühl ? und ist doch so charakteristisch: Er nahm auch die kleinste Tour ernst und stand dabei gleichzeitig turmhoch über dem tierischen Ernst, den er grinsend persiflierte.
Noch ein Kletterfoto, am Peternschartenkopf: tänzerisch gegen den dunkelblauen Himmel abgehoben, herabhängende Seile mit Lichtkontur, ?Man konnte sich nicht vor-stellen, daß ihm in den Bergen etwas zustoßen könnte." Darüber waren sich alle seine Freunde einig. Er war ein Alpinist klassischer Prägung, dem eine Unzahl schwieriger Fahrten in den Ost- und Westalpen gelungen war: Dent-d'Herens-Nordwand, Lyskamm-Nordwand, Breithorn-Nordwestwand, Täschhorn-Südwand, Brenvaflanke, Aiguille-Noire Südgrat und direkte Westwand, Badile-Nordostwand, erste Winterbegehung der Stangen-wand-Südostwand, Scheiblingstein-Westwand ebenfalls im Winter, 1954 Teilnehmer der Expedition zum Saipal (7040 m) im Nordwesten Nepals, 1957 in den DAK aufgenommen. Berge, Berge ... Fast beiläufig stellte sich heraus, daß er auch schon diese Wand, jene Kante gemacht habe ... Aber das Eindrucksvollste war weniger das Repertoire schwierigster Bergfahrten, sondern die selbstverständliche Leichtigkeit, mit der er sie ausführte: Immer in Form, schon im Frühjahr für einen Sechser gut ? Wandstudium, prägnante Routenskizze, schon auswendig gelernt ? Seillänge um Seillänge: Hier en passant an einer unmöglich aussehenden Stelle einen Klemmkeil, eine Schlinge angebracht; bereits droben ? ein, zwei Reflexe, und eine Selbstsicherung ist angebracht ? weiter ...
Ein anderes Bild: Hansl unter dem Zielband des ?Koasalaufes", die Anstrengung des Siebzig-Kilometer-Langlaufes im Gesicht, aber bei weitem nicht erschöpft. Kannte er überhaupt die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit? Hat man ihn jemals wirklich erschöpft gesehen? Immer ahnte man noch Reserven ... Vor 10, 15 Jahren schon, lange bevor der Langlauf zur modischen Mitmach-Bewegung anwuchs, war er bereits auf den schmalen Latten unterwegs. Auch im hochalpinen Gelände, stetig an kleinen Verbesserungen tüftelnd. ? Im Schiurlaub: Vormittags auf der Piste, nachmittags auf der Loipe, jede Stunde nützend; und immer wieder Schihochtouren in den Ost- und Westalpen ... Seine letzte war die Haute Route ? heuer im Mai...
Und hier: Hansl im Boot, auf dem grünklaren, von kleinen weißen Gischtkämmen verzierten Wasser der Salza. Wildwasser ? die zweite große Passion, das dem Alpinismus verwandte Abenteuer in einer anderen Dimension. Freude an der eigenen Leistungsfähigkeit und an der wilden Schönheit einer ungebrochenen Landschaft. Auch hier beherrschte er den höchsten Schwierigkeitsgrad ? vom Oberlauf des Inn bis zu den Salzachöfen, vom Isonzo bis zum Canon des Verdon in Südfrankreich. ? Seine zweite Ehefrau Hanneliese (?Hase") teilte mit ihm diese Leidenschaft für wilde Wasser: gemeinsam trainierten sie, und als ihr ?Trainer" freute er sich mit ihr, als sie mit ihrem Partner zum drittenmal Weltmeisterin wurde.
Ein ganz anderes Bild: Hans im Smoking, Empfangschef bei einem Ball. Der viel-seitige Allroundsportler war nur eine Facette dieses Mannes, der den Erfolg nicht nur am Berg anstrebte. Der Diplomingenieur (Forsttechnik), der als Schadensfachmann für eine große Versicherungsgesellschaft tätig war, dem weltmännisches Gehaben in Verbindung mit einem jungenhaften, natürlichen Charme ohne Pose anstand, der sich auf glattem Parkett ebenso sicher bewegte wie in einer überhängenden Hakenreihe.
Und noch einmal Hansl: Nach glühendheißem Klettertag auf einer Kiesbank am Ufer der Schwarza; als Adam, als griechische Athletenstatue mit einer Weintraube fröhlich posierend. ? Der Mann, Sohn, Vater, Freund ... Hansi Chval, der nach Adoption und Heirat den Namen Kremslehner führte. Vater von Florian, Wolfgang und Franzi, seinen Buben, die ihn schon mit Seil, Schi und Boot begleiteten. Sohn der alten Eltern, die nun ihr einziges Kind verloren ? Kollege, Kamerad; der Gatte jener Frau, deren Stimme nun am Telefon dunkler und leiser klang: ?...und bitte schreib du den Nachruf ..."
Nachruf: Das paßt ans Ende eines runden, fertig gelebten Lebens, ein Rufzeichen nach einem vollendeten Salz. Jedoch abrupt aus allem gerissen? Ich möchte nachrufen: ?Hansl, alle vermissen Dich!" ? Er war voller Pläne ? alle sind wir voll von Plänen: Jene Wand, diese Schitour müssen wir einmal gemeinsam angehen; und dort war ich auch noch nie und dort auch nicht -- nach dem Urlaub dann ? Dann kam die Nachricht.
Wenige Tage zuvor war die Menschheit Zeuge eines großen technischen Abenteuers gewesen. Raumfahrer zweier Nationen schüttelten sich im All die Hände, sandten von der Türschwelle zum Unendlichen Worte zur Erde herunter. Die wichtigste Botschaft kam fast nebenher und gilt doch für uns alle, für unsere kurze Spanne vom Dunkel zum Dunkel. Einer der Männer sagte den Satz: ?Es gibt so viel zu sagen ? aber wir haben so wenig Zeit!"
Adolf Mokrejs
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1976, Jänner/Februar, Folge 1405, Seite 16-18



Geboren am:
10.05.1932
Gestorben am:
03.08.1975