Sieger Robert

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Biografie:
geboren in Wien (Österreich)
gestorben in Graz (Österreich)

Robert Sieger (+)
Von Prof. Dr. Albrecht Penck. Berlin.
Mächtig ist der Einfluß der Alpen für die Entwicklung der neueren Geographie gewesen. Sie öffneten unsere Augen nicht bloß auf dem Gebiete der Gletscher- und Eiszeitforschung, nicht bloß hinsichtlich der Form der Erdoberfläche, sondern nach allen Richtungen hin regten sie Zur Beobachtung an, auch auf dem Gebiete der Geographie des Menschen. Hier bieten sich Probleme eigener Art. Allenthalben hat sich im Hochgebirge eine Form des Nomadismus erhalten. Mit den Herden zieht ein recht ansehnlicher Teil der Bevölkerung allsommerlich zur Alm Und kehrt erst im Herbste zu den dauernden Wohnstätten im Tale zurück. Schärfer als sonst scheiden sich durch die Firste des Gebirges einzelne Lebensräume. Die Talschaft ist ein politisch-geographischer Begriff. Oft hat es Staunen erregt, wie dieselbe Talschaft, die auf zwei Seiten von hohen Kämmen begrenzt ist. auf der dritten über einen Paß in ein fremdes Flußgebiet bis zur nächsten Talenge herüberhängt. Doch haben diese anthropogeographischen Züge erst spät Beachtung gefunden. In den deutschen Alpen ist es Robert Sieger gewesen, der ihre wissenschaftliche Behandlung in Fluß gebracht hat; aber es ist ihm nicht vergönnt gewesen, diese Bewegung zu einem mächtigen Strome anschwellen zu sehen. Am frühen Morgen des 1. November ist er gestorben, zu früh für die Wissenschaft und die Stätte feines Wirkens, die Universität Graz, zu früh für unser deutsches Volk, dem er im Südosten ein Führer war, zu früh für die Seinen und den Kreis seiner Freunde.
Sein Leben verlief in einer anfänglich langsam, dann steiler und steiler sich erhebenden Kurve. 1864 in Wien geboren, wuchs er unter Verhältnissen auf, die ein vielseitiges Studium an der Universität seiner Vaterstadt ermöglichten. Er begann mit Geschichte, wandte sich aber nach erlangter Doktorwürde der Geographie zu. Er spürte den Klimaschwankungen, die Eduard Richter aus den Schwankungen der Gletscher heraus las, die Brückner namentlich aus meteorologischen Daten erschloß, in den Schwankungen hocharmenischer, innerafrikanischer und skandinavischer Seen nach. Dabei kam er zu dem großen Problem der Hebung Skandinaviens, an deren Vorhandensein er gegenüber Eduard Sueß erfolgreich festhielt. Dauernd hat er die Beziehungen zu skandinavischen Forschern gepflegt, die bei dieser Arbeit erwuchsen. Letztere diente ihm als Habilitationsschrift in Wien 1894, nachdem er in Berlin zwei Jahre unter Richthosen sich seiner weiteren Ausbildung gewidmet hatte. Mittlerweile hatten sich seine persönlichen Verhältnisse geändert. Er war genötigt, zu einer Stelle .zu greifen, die ihn erhielt und ihm Gelegenheit zu wissenschaftlicher Arbeit ließ. Er übernahm die Pflege der Geographie an der damaligen Exportakademie, der heutigen Handelshochschule Wien. Dadurch wurde sein Blick auf die Wirtschaftsgeographie gelenkt. Er übernahm eine Neubearbeitung von Richard Andrees Geographie des Welthandels und gab dem Werke im Verein mit Franz Heiderich und anderen eine ganz neue Gestalt. Auch politisch-geographische Fragen begannen ihn zu interessieren, doch erfüllte ihn die Tätigkeit an der Exportakademie nicht mit dauernder Befriedigung. Er wurde 1905 an Stelle, des unvergeßlichen Eduard Richter nach Graz berufen. Er fühlte, daß er diesen in seiner Eigenart nicht ersetzen könne, wenngleich er sich auch mit Gletscher- und Eiszeitforschung abgegeben hatte. Das Menschliche in der Geographie lag ihm näher als die Natur. Dabei war ihm klar, daß er von Graz aus Alpenforschung treiben müsse. Er griff das Problem der Alm von geographischer Seite auf und wandte sich insbesondere der politischen Geographie der Alpenländer zu. Auf diesen Gebieten entwickelte er sich im Laufe der Jahre zur Autorität. Krieg und Zusammenbruch verzögerten die Herausgabe seiner Beiträge zur Geographie der Almen in Österreich bis 1925. Dafür belebten ihn die beiden welthistorischen Ereignisse auf dem Gebiete der politischen Geographie. Er ging bei Kjellèn in die Schule, folgte diesem aber nicht, wenn der schwedische Meister die Nation als unbedingte Grundlage für den modernen Staat ansah. Als Geograph erblickte er auch m geographischen Zusammenhängen eine ganz wesentliche staatenbildende Kraft. Immer aufs neue betonte er den Magnetismus, den Wien auf die umliegenden Länder ausübte. Die österreichisch-ungarische Monarchie war ihm eine naturgemäße Zusammenballung um das Kristallisationszentrum von Wien. Aber klarer als andere erkannte er, wie dieser naturgemäße Vorgang durch magyarische und slawische Bestrebungen gehemmt wurde.
Der Zusammenbruch von 1918 bedeutete daher für ihn nicht bloß den Zusammenbruch eines warmgeliebten Vaterlandes, sondern auch einer energisch vertretenen politischen Lehre. Doch gehörte er nicht zu den vielen, die damals Kopf und Mut verloren, sondern war unter den wenigen Geographen, die mit Wort und Schrift gerechte deutsche Ansprüche vertraten. Er wirkte für eine richtige Grenzziehung der Südmark; aber die Friedenskonferenz von St. Germain, wohin er als österreichischer Sachverständiger gesandt wurde, gab ihm nicht Gelegenheit, sich für die gerechte Sache voll einzusetzen. Nur Radkersburg konnte gerettet werden. Auch er mußte ein Diktat zur Kenntnis nehmen, durch das entgegen den Wünschen der Bevölkerung deutsche Teile von Deutschösterreich losgelöst wurden. Tief schmerzte ihn der Verlust von Deutsch-Südtirol, von Gebieten Steiermarks und Niederösterreichs: daß das Burgenland zu Österreich kam, nahm er nicht als Entschädigung, sondern als gerechte Grenzziehung, die der Amerikaner Martin, selbst ein Geograph, vorgeschlagen hatte. Das Herausschlagen von Ödenburg empfand er als eine Verletzung der natürlichen Verhältnisse. Das Burgenland machte er zum Ziele oft wiederholter Studentenexkursionen. Dadurch trug er wesentlich dazu bei, dies kerndeutsche Land bekannt zu machen und in demselben den beinahe erwürgten deutschen Gedanken wieder zu beleben.
All diese vom Geopolitischen zum Politischen reichende Tätigkeit Siegers steigerte sein Ansehen in hohem Maße. Die Universität Graz vertraute ihm 1925—26 das Rektorat an, nachdem Schüler und Freunde seinen 60. Geburtstag durch Herausgabe einer Festschrift gefeiert hatten. Unter dem Titel: „Zur Geographie der deutschen Alpen" bietet sie verschiedene Beiträge zur Alpenkultur. Im deutschen Schulverein „Südmark" nahm er eine führende Stelle ein. Da trafen ihn zwei schwere Verluste. Sein Freund und Studiengenosse Franz Heiderich, mit dem er eben eine neue Auflage von Andrees Geographie des Welthandels herausbrachte und der ihm nach Wien an die Handelshochschule gefolgt war, verstarb plötzlich, und bald danach erlag schwerem Leiden sein Lieblingsschüler und Assistent Marian Sidaritsch, auf den er große Hoffnungen gesetzt hatte. Abey sein Mut blieb ungebrochen. Leichten Herzens unterwarf er sich einer Operation, um sich von einem unbequemen Leiden zu befreien; aber die Operation löste ein älteres, den Ärzten unbekannt gebliebenes Leiden aus und diesem erlag er.
Sieger war Österreicher jener alten liebenswürdigen persönlichen Art, die nunmehr verschwindet. Er liebte sein Vaterland und hat seine Kraft für dessen Zusammenhalt eingesetzt, als zentrifugale Bestrebungen dasselbe auseinander trieben. Er redigierte den geographischen Jahresbericht aus Österreich und sammelte seit 1894 die Literatur über den jetzt zerfallenen Staat. Im Verein mit O. Weber und A. Rauchberg schrieb er 1912 für die obersten Klassen der Mittelschule eine österreichische Vaterlandskunde, die aber infolge der Zeitverhältnisse sich nicht mehr auswirken konnte. In gleichem Maße wie sein Vaterland liebte Sieger sein deutsches Volk. Er fühlte sich durchaus als Deutscher und empfand es nicht als Unmöglichkeit, deutsche Gesinnung mit der Pflege, des österreichischen Staatsgedankens zu verbinden. Als die Monarchie in Trümmer ging, war er einer der energischsten Vertreter des Anschlußgedankens: denn als politischer Geograph erkannte er die Unmöglichkeit des heutigen Österreich als Staatsgebilde. Enge Fühlung unterhielt er sowohl mit dem Verein für das Deutschtum im Ausland wie auch mit der Mittelstelle für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung, die den deutschen Gedanken pflegen. Er wirkte für ihn mit Wort und Schrift, bei Studenten und in der Presse. Seine Rede war von raschem Fluß: was er druckte, klar und bestimmt. In der Herausholung feiner Unterschiede über den Begriff Nation, die Art der Grenze war er Meister. Unserem Vereine gehörte er seit 1888 an. Mit Robert Grienberger war er unter den Begründern der akademischen Sektion Wien, welche Freunde für den Alpinismus in der Studentenschaft weckte. Im Kreise der akademischen Jugend fühlte er sich wohl. Er war ihr stets ein wohlwollender, gütiger Beraten Sein Rektoratsjahr verlief deswegen ohne Schwierigkeiten. Mit seinen Studenten zog er hinaus in die Alpen, zeigte ihnen die Pracht des Gebirges, eiferte sie an zu körperlichere Betätigung und wissenschaftlicher Beobachtung. Eng waren die Bande, durch die er mit den Alpen zusammenhing. Auch er gehörte zu denjenigen, die die Alpen priesen als ein Feld zur körperlichen Ertüchtigung, zur Stählung des Willens und zur Erweiterung des Blickes.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1927, Seite 5-6

Sieger Robert Dr. , * 1864 in Wien, später Berlin, Wien, † 1.11.1926 in Graz
Mit Robert Grienberger war er unter den Begründern der akademischen Sektion Wien.
1899 1.Beg.Durreck-Südwestgrat,II,3130m, (Venedigergruppe)
Gerd Schauer, isny im Allgäu



Geboren am:
1864
Gestorben am:
01.11.1926