Radio-Radiis Karl d. Ä.

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Biografie:
Karl Radio-Radiis d. Ä. (+)
Dem Andenken eines der letzten noch am Leben gewesenen Mitglieder des einstigen „Österreichischen Alpenvereins", eines Zeitgenossen und Freundes weiland Paul Grohmanns, des zu Beginn des heurigen Jahres verschiedenen Karl Radio-Radiis d. Ä., sind die nachfolgenden, uns von seinem Sohne zugekommenen Zeilen gewidmet: Im Purpurglanz winterlicher Morgensonne erlag am 25. Februar d. J. im 83. Lebensjahre bei seiten voller körperlicher und geistiger Frische mein Vater einem Herzschlage. Ein begeisterter Naturfreund, ein warmer Freund der Berge ist mit ihm dahingegangen. Es war ein Leben voll Naturgenießens, erfüllt von glühender Liebe zu den Bergen.
Hochgewachsen, kraftvoll und von eiserner Gesundheit, so hatte ihn die Natur ausgestattet, aber auch tiefes Empfinden für die Schönheit geschenkt., Er war ein Muster von Genügsamkeit und trotz mancher Schicksalsschläge ein sonniger, zufriedener und glücklicher Mensch. Einer alten Görzer Familie entstammend, zu Triest im Jahre 1834 geboren, bekundete er schon in jüngsten Jahren Wanderdrang; ihm folgend, zog er — kaum dem Knabenalter entwachsen — hinaus und besuchte unter den damals schwierigen Reiseverhältnissen fast alle Länder Europas; der Born ewiger Jugend waren und blieben ihm aber die Berge. Dies leuchtende Beispiel von Liebe zur Bergwelt aus alter Zeit, gleichzeitig auch einen Nachtrag zur Ersteigungsgeschichte der Alpen festzulegen, ist der Zweck dieser Zeilen.
Als persönlicher Freund weiland Paul Grohmanns war der Verstorbene auch Mitglied des seinerzeit bestandenen Österreichischen Alpenvereins. Seine Alpenreisen und Bergwanderungen beginnen schon vor den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Er hat nie über seine Bergreisen etwas veröffentlicht, aber das Erinnerungsvermögen an seine Fahrten, an Namen und Ereignissen die 60 und mehr Jahre zurücklagen, waren noch in seinem Greisenalter unbeschreiblich, und diesem verdanke ich die Möglichkeit, über einzelne Fahrten näheren Bericht geben zu können.
Außer den später mit Jahreszahlen angegebenen Bergreisen hat er in den Jahren 1850 bis 1873 eine ganze Reihe von Bergen bestiegen, über die nähere Angaben fehlen; so unter anderen: Großer Priel, Warscheneck, Pyhrgas, Tamischbachturm. Loser, Traunstein, Schafberg, Plassen, Saarstein, Hochkönig, Hundstod, Hundstein, Kitzbühelerhorn. Hohe Salve, Patscherkofel, Scesaplana, Säntis, Raxalpe, Schneeberg, Schneealm, Veitsch, Zirbitzkogel, Saualpe, Koralpe, Petzen, Hochstuhl, Triglav, Monte Canin (von Flitsch aus), Villacher Mittagskogel, Dobratsch, Mirnok, Millstätter Alpe, Eisenhut, Königstuhl, Sonnblick und viele andere Hochgipfel, nicht gezählt die Berge des Mittelgebirges und der Voralpen, von denen es kaum eine Erhebung gibt, die er nicht besuchte. Im Juli 1858 bestieg er den Watzmann über die Gieglalm, wo genächtigt wurde, in Gesellschaft von zwei Wiener Touristen und zwei Führern. 1862 unternahm er in Gesellschaft seines damals 15jährigen Bruders Justus eine große Alpenreise. Sie führte von Berchtesgaden über den Hirschbühel nach Fusch. Hier wurde der Schwarzkopf, 2763 Meter, hernach der Hohe Tenn, 3371 Meter, erstiegen. Die letztere Tour scheint mit Führer Hetz aus Fusch durchgeführt worden zu sein und dürfte zu jenen Ersteigungen von der Fuscher Seite zählen, von denen, nach der „Erschließung der Ostalpen" (Band III), „nichts Näheres" bekannt wurde. Der 11. August galt der Ersteigung des Großvenedigers, 3360 Meter: Von Fusch begab man sich nach Neukirchen. In Begleitung eines Engländers und zweier Führer wurde bei der „Türkischen Zeltstadt" an der „Stierlahnerwand" unter freiem Himmel genächtigt. Bei klarer, eisiger Sternennacht wurde aufgebrochen und am nächsten Morgen (11. August) auf dem heute üblichen Wege über die Venedigerscharte der Gipfel des Großvenedigers gegen 8 Uhr früh erreicht. Der Abstieg wurde in einem Zuge direkt nach Neukirchen ausgeführt, das noch am selben Tage um 11 U. 30 nachts erreicht wurde. Über die Gerlosplatte ging's dann ins Zillertal. Im Juli 1865 erstieg er allein mit Führer Wallner von Hallstatt aus den Hohen Dachstein, 2992 Meter. Auf der Ochsenwiesalm wurde genächtigt und der Anstieg über die Randkluft mit Benützung einer Leiter durchgeführt. Erwähnenswert ist, daß die Tour ohne Verwendung eines Seiles erfolgte.
1866 vollführte er eine mehrwöchentliche Alpenreise, deren erstes Ziel der Manhart, 2678 Meter, war. Über Mariazell, Ennstal, Hohen Tauern wurde über Tarvis der Predil teils zu Fuß und zu Wagen erreicht. Mit einem Herrn A. Koch aus Graz und einem Führer wurde sofort der Aufstieg unternommen, in der „Roten Wand" wurde genächtigt und am nächsten Morgen der Gipfel erreicht. Die Ersteigung und der Abstieg vollzogen sich bereits auf dem heute gebräuchlichen, damals nahezu unbenutzten und mit keinen nennenswerten Versicherungen versehenen Wege über die Schneeterrasse.
Nach Raibl zurückgekehrt, ging die Reise mit Wagen durch das Pustertal nach Cortina d'Ampezzo. Hier wurde der Rochetta, 2374 Meter, ein Besuch abgestattet und nach S. Vito weitergewandert. Am nächsten Morgen wurde mit einem Führer S. Vito um 2 Uhr früh verlassen und über die Forcella piccola der Antelao, 3236 Meter, um 10 Uhr vormittags erreicht. Nach dem Ersteigungsberichte in der „Erschließung der Ostalpen" würde diese Ersteigung zwischen die dort vermerkte zweite Ersteigung des Berges durch P. Grohmann (1864) und die dritte durch Holzmann (1868) fallen. Auf der Rückkehr nach Gastein, die über Spittal und Gmünd führte, wurde dem Maltatale und dem „Blauen Tumpf" ein Besuch abgestattet und der Übergang über die „Klein-Elendscharte" mit Übernachtung am Gletscherfuße durchgeführt.
In das Jahr 1867 fällt die Ersteigung des Großglockners, 3798 Meter, von Heiligenblut mit zwei Führern über den Pasterzenweg. Auf der Adlersruhe wurde in der damals elenden Unterstandshütte bei Schneetreiben genächtigt, am nächsten Morgen aber bei prachtvollem Wetter über den Kleinglockner der Gipfel des Großglockners und am selben Tage noch Heiligenblut erreicht. 1870 wurde im Juli der Fochezkopf von Kaprun aus erstiegen und 1872 im Juli von ebendort eine genußreiche Gletscherrundtour durchgeführt, wobei der Karlingergletscher, das Riffeltor und der Hohe Burgstall betreten wurden.
Noch als nahezu 80jähriger Greis vollführte mein Vater Bergbesteigungen wie Dobratsch, Osternig, oder Übergänge wie das Kals-Matreier-Törl, Pfandlscharte, Naßfeld u. a. Infolge der Kriegsereignisse zog er sich in die ihm seit seiner Jugend liebgewordene Stadt Salzburg zurück, in deren Bergkranz er, ob Sommer, ob Winter, in oft viele Stunden langen Wanderungen die Freuden an der Bergwelt und die Erinnerungen an die Jugend genoß, bis ein jäher Tod den durch die Berge abgehärteten Mann dahinraffte. Nun ruht er in Salzburg am Fuße seiner lieben Berge.
Alfred v. Radio-Radiis.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1917, Seite 164


Geboren am:
1834
Gestorben am:
25.02.1917