Grill Johann (Kederbacher)

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Biografie:
Bergführer Joh. Grill vulgo Kederbacher.
Der „alte Kederbacher" in Ramsau feiert demnächst in voller Rüstigkeit seinen 80. Geburtstag. Der Hauptausschuß ließ ihm aus diesem Anlasse eine Ehrengabe von Al. 50,-- zugehen. Kederbachers 80. Geburtstag fällt in eine Zeit, die es leider vielen Freunden dieses verdienstvollen Mannes unmöglich macht, dem Jubilar die sonst wohl gerne gewidmeten Ehrungen zuteil werden zu lassen. Hier wollen wir aber wenigstens daran erinnern, daß Kederbacher nicht nur einer der allertüchtigsten Ostalpenführer war, sondern, wie Herr Diplom-Ingenieur Max Zeller in unserer „Zeitschrift" 1914, S. 195, treffend bemerkt, „zu den ersten Alpenführern aller Zeiten" zählt!
Kederbacher hat als Führer die gesamten Alpen, sowohl die Ostalpen, wie auch die Westalpen, besucht und in den Westalpen allein etwa 60 Gipfel, darunter einige erstmals bestiegen. Unter Kederbachers „Herren" findet sich eine stattliche Reihe von Trägern klangvoller Alpinistennamen. Sein Führerbuch, das eines, der wertvollsten Dokumente für die alpine Geschichte bildet, enthält glänzende Zeugnisse für die ungewöhnliche bergsteigerische Tüchtigkeit Kederbachers, aber auch vielfach die Anerkennung als trefflicher Mensch. Kederbacher war der erste Ostalpenführer, der mit zwei Touristen hervorragende, ihm bis dahin gänzlich unbekannte Schweizer Bergriesen bezwang. Alle, die mit ihm schwierige Touren ausgeführt haben, sind darüber einig, daß er sowohl als Felskletterer, wie auch auf dem Eise von niemand übertroffen worden ist. Seine unerschütterliche Ruhe und Schneid an schwierigsten Stellen, seine Ausdauer und sein fabelhafter Orientierungssinn fanden gleichwertige Seitenstücke, in seiner auf hoher Intelligenz fußenden Heiterkeit, seiner Dienstfertigkeit und an seiner echten, großen Freude an der Bergnatur. Unzählige Freunde haben ihn als trefflichen Wirt des Watzmannhauses kennen gelernt, in welcher Eigenschaft er seit Jahren von seinem Sohne abgelöst wurde.
Seiner engeren Heimat, dem herrlichen Berchtesgadnerland gehört vor allem sein Herz. Noch vor wenigen Jahren führte er eine Partie über alle Watzmanngipfel und noch 1913 machte er dem Wahmannhause einen Besuch. Möge dem wackeren, verdienstvollen Manne noch ein recht langer, heiterer Lebensabend beschieden sein!
Herr Otto Schück in Wien, der mit J. Kederbacher die erste Ersteigung des Watzmanns von St. Bartolomä aus (6. Mai 1881) ausgeführt hat, schreibt uns zu Kederbachers 80. Geburtstag: „Einer der allerbesten Bergsteiger, dem ich je begegnet bin, eine Mischung von Entschlossenheit, technischer Geschicklichkeit und richtigem Urteil. - Er war stets unser Leiter, denn kein anderer Führer, und wäre er noch so berühmt gewesen, hätte ihm den Oberbefehl streitig gemacht." - Nicht besser als mit diesen Worten eines sehr berufenen Beurteilers (J. P. Farrar) vermöchte ich Johann Kederbacher zu kennzeichnen, der in diesem Jahre seinen achtzigsten Geburtstag begeht. Die Zeit, in der er wirkte, liegt weit hinter uns, und es ist, wie ich glaube, nicht leicht, der heutigen Generation die Bedeutung klarzumachen, die gerade Kederbacher für die Entwicklung des heutigen Alpinismus gehabt hat. Nur so viel sei gesagt: „Er war der erste und größte aller deutschen und österreichischen Führer zu einer Zeit, als alles, was heute fast selbstverständlich ist, noch kaum existierte. Jede einzelne seiner Leistungen war, in der einen oder der anderen Richtung, vorbildlich für alles Spätere. Sein Beispiel, seine Methode, haben zum großen Teile die Richtung angegeben, die der heutige Alpinismus genommen hat. Mit Recht hat der Hauptausschuß unseres Vereines beschlossen, Johann Kederbacher zu seinem achtzigsten Geburtstage zu beglückwünschen. Denn auch im Getümmel des Weltkrieges soll des alten Mannes nicht vergessen werden, der in dem Bauernhäuschen am Fuße des Watzmanns der wohlverdienten Ruhe pflegt; er war ein Bahnbrecher, dessen wir uns stets dankbar erinnern werden."
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1915, Seite 166

Bergführer Joh. Grill vulgo Kederbacher (+)
Aus München kommt die Kunde, daß Kederbacher der Ältere gestorben ist. Kederbacher, der berühmteste deutsche Bergführer, hat ein Alter von 82 Jahren erreicht. Vor zwei Jahren (siehe Nr. 15/16 von 1915, S. 166) haben wir gelegentlich seines 80. Geburtstages dieses Helden unserer Berge gedacht. Der Hauptausschuß hat ihn damals durch ein Kederbachers Verdienste anerkennendes Schreiben und ein. Geschenk geehrt, und die deutschen Hochalpinisten haben sich der bahnbrechenden Taten dieses einfachen, aber in seiner Art großen Mannes neuerlich rühmend erinnert; sie alle werden dem Nestor der deutschen Führer eine unvergängliche Erinnerung bewahren.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1917, Seite 9

Bergführer Kederbacher sen. (+)
Am 20. Januar, zwei Tage nach seinem unerwartet rasch erfolgten Tode, trug man durch die stille Ramsau im Berchtesgadner Lande den Nestor der deutschen Führerschaft, den Bergführer Johann Grill, vulgo Kederbacher sen., bekannt unter dem Namen „der alte Kederbacher von Ramsau" zu Grabe. Noch im Vorjahre war es ihm vergönnt, in voller körperlicher «Rüstigkeit und staunenswerter geistiger Frische seinen 80. Geburtstag auf seinem in einsamer Pracht gelegenen Heimathofe, dem Kederbacherlehen in der Ramsau, zu feiern, im Kreise seiner Familie, umgeben von einer Anzahl frischer Enkelkinder, beglückwünscht vom Vorstand der S. Berchtesgaden, der er als Führer unterstellt war, hochgeehrt vom Zentralausschuß des D. u. Ö. Alpenvereins durch ein seine großen Verdienste um die Erschließung der Ostalpen würdigendes Anerkennungsschreiben nebst Ehrengabe, gefeiert von einem kleinen Kreise der bedeutendsten lebenden Alpinisten des Reiches und der Monarchie, bewundert von allen Bergwanderern, die ihn gekannt oder als Pächter und Hüttenwirt des Watzmannhauses je kennen gelernt haben.
Kederbacher war schon längst abgetreten vom Schauplatze alpiner Taten und hatte so — nach Aufgabe seines Pachtes des Watzmannhauses — noch viele Jahre Muße, in beschaulicher Ruhe und frei von Sorgen auf sein taterfülltes, inhaltreiches Bergsteigen und Berufsleben mit Befriedigung zurückzublicken. Mit ihm ist der Hauptvertreter aus der Zeit des klassischen Alpinismus dahingegangen. Als einer der Vordersten stand er an der Wiege des Bergsteigertums und machte dessen Entwicklung, ihr oftmals die Richtung weisend und stets voranschreitend, über die Zeit des alten, klassischen Bergsteigens hinaus bis fast in die des modernen Alpinismus herein und lebte schließlich noch die Zeit des alpinen Epigonentums als stiller, aber von regstem Interesse hiefür erfüllter Beobachter mit. Von seiner Erstlingstour angefangen, als er, ein 17jähriger Holzknecht des Landes, im Jahre 1852 als Gemstreiber gelegentlich einer Hochjagd den jungfräulichen, kühnen Gipfel des Kleinen Watzmanns betrat und erstmals überschritt, trat er — über die heimatliche Bergwelt hinaus — nach Gründung des D. u. O. Alpenvereins als dessen „autorisierter Bergführer" anfangs der siebziger Jahre seinen Siegeszug durch die Ost-, Zentral- und Westalpen an, dessen einzigartige Erfolge ihm bald einen internationalen Ruf als Alpenführer brachten. Es ist hier nicht der Ort, seine alpinen Großtaten alle aufzuzählen. Diesbezüglich sei auf die einschlägige Literatur verwiesen ( s. Dr. W. v. Frerichs, Der Watzmann, „Zeitschr. d. D. u. Ö. Alpenvereins" 1903, S. 330, und Dipl.-Ing. M. Zeller, Das Hochkaltergebirge, Zeitschr. d. D. u. Ö. Alpenvereins" 1914, S. 195 ff.). Nur einiger seiner hervorragendsten Touren sei hier kurz Erwähnung getan:
die Bezwingung der Riesenwand des Watzmanns von St. Bartholomä aus im Jahre 1881, die Erstersteigung des Pflerscher Tribulauns, die erste Besteigung des Schweizer Bietschhorns über den berüchtigten Roten Turm und die erste Überschreitung des Walliser Weißhorns von Zinal nach Randa mit einem Biwak im Schneesturm auf 4000 Meter Höhe, wobei er durch sein wackeres Verhalten sich und dem berühmten englischen Bergsteiger Farrar das Leben rettete. Den Rang als Tourenleiter machten ihm selbst die besten Schweizer Führer nicht streitig. Und die namhaftesten Alpinisten seiner Zeit verdanken ihm ihre schönsten Bergfahrten. Sie sind bei aller Sachlichkeit ihrer Einträge in sein Führerbuch voller Lob über sein Pfadfindertalent und sein technisches Können in Fels und Eis. Aber seine „Herren rühmten ihn nicht nur als einen erstklassigen Bergführer, sondern auch als einen Menschen ersten Ranges von gewinnendstem Wesen und klarstem Verstande. Stets gab er ein glänzendes Beispiel, wie sich der Mensch in Freud und Lust, in Not und Gefahr im Hochgebirge verhalten soll. Kederbacher sen. galt als der Idealtypus eines Alpenführers und wird in alpinen Kreisen weiterleben als einer der größten Bergführer aller Zeiten, als der beste Führer, den Deutschlands Berge hervorbrachten.
Dipl.-Ing. M. Zeller, München.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1917, Seite 18

Der Kederbacher
zu seinem 100. Geburtstage (22. Oktober 1935).
Von Dr. A. Dreyer, München.
Aus der Zeit des klassischen Alpinismus ragt in das erste Sechstel des 20. Jahrhunderts eine schneidige, ausdauernde und klettergewandte Bergsteigergestalt, die uns unwillkürlich ein Gefühl der Bewunderung abnötigt: Johann Grill, nach seinem alten Erbhof in der Ramsau nur „der Kederbacher" genannt. Was einst eine berqsteigende Dame schwärmerisch-dankbar aussprach: „Es gibt nur einen Kederbacher", das bestätigen in anderer Form zahlreiche Bergsteiger der alten Schule, und von den jüngeren kennzeichnet Max Zeller seine Bedeutung mit den Worten: „Er zählt zu den ersten Alpenführern aller Zeiten."
Sein Führerbuch von 1870 bis 1887, das nun die Alpenvereinsbücherei aufbewahrt, ist nicht nur ein ununterbrochener Lobeshymnus auf seine Befähigung und auf seine Unerschrockenheit, sondern auch, da ihm noch einzelne Erstbesteigungen und Neuturen (selbst in den Westalpen) glückten, ein kleiner Beitrag zur alpinen Erschließungsgeschichte selbst. Mit seinem Nachbarsohne Johann Punz (Preiß), dem späteren namhaften Bergführer, eignete er sich als Treiber bei den alljährlichen Hofjagden in den Berchtesgadener Alpen seine erstaunliche Kletterfertigkeit an. Da es damals noch stark an bergsteigenden Herren in diesem Gebiet fehlte, gingen die beiden jungen Burschen auf eigene Faust, überschritten aus Übermut die drei Watzmannspitzen und erstiegen das Hochkammerlinghorn, alles im Jahre 1868. Kederbachers Ruf als Felsenmann mehrte sich, und als „wilder Führer" wurde er bereits 1870/71 zunächst von Kaindl und von Poschl angeworben. Der erstere empfiehlt ihn allen Bergsteigern aufs angelegentlichste und wärmste. „Sein bescheidenes, anspruchsloses Wesen sowie seine innige Liebe zur Natur machen ihn zum angenehmen Begleiter; seine Kenntnis der Kalkalpen, seine Orientierungsgabe auf bisher unbetretenen Wegen; sein Talent, aus dem Labyrinth von scheinbaren Unmöglichkeiten den leitenden Faden zu erspähen und die richtigen Linien zu gewinnen; seine ausdauernde physische Kraft und Ruhe in den Stunden der Gefahr machen ihn zum gediegenen Führer und befähigen ihn zur Leitung alpiner Expeditionen." Die beiden führte er auch über die drei Watzmanngipfel, ferner unter anderen auf das Kleine Wiesbachhorn und auf die Glockerin. Unter seiner Leitung, unternahm Poschl die 3. Besteigung der Hocheisspitze und den 1. Anstieg auf die Watzmann-Mittelspitze vom Watzmann-Schneefeld aus. Selbst an Winterbesteigungen (selbstverständlich ohne Schier) wagte sich Kederbacher damals schon. So bezwang er (mit Pöschl) in der Zeit vom 12. November 1870 bis 5. März 1871: Hirschwiesenköpf, Kammerlinghorn, Watzmann-Hocheck, Steinberg und Göll vom Brett aus. Am 1. Januar 1882 glückte ihm (mit Dr. Bruno Wagner) trotz schlechter Schneeverhältnisse die 1. Winterersteigung des Hochkönigs. Seiner Führung vertrauten sich Stüdl, Umlauft und Hecht bei der Überschreitung der drei Watzmannspitzen am 9. August 1871 an. Freudig gesteht Stüdl: „Den Grill haben wir als ganz ausgezeichneten Führer kennengelernt." Die gleiche Anerkennung bezeugt fünf Wochen später Eduard Richter: „Auf den Touren Kammerlinghorn - Vordere Hocheisspitze und Rothorn - Birnhorn in der südlichen Loferergruppe, welch letztere bisher von Touristen nicht bestiegen waren, hat Kederbacher seinen Ruf als ausgezeichneter Pfadfinder und Führer wieder in glänzender Weise bestätigt." Seine Intelligenz und Unerschrockenheit, sowohl in den Heimatlichen Felswänden als in den von ihm vorher nicht betretenen Eis- und Schneegefilden, lernte Georg Hofmann auf Tauernfahrten 1872 und 1873, namentlich aber bei der Bezwingung der jungfräulichen Daberspitze, kennen. Daher nahm er ihn im nächsten Jahre mit zur Eroberung des „Stubaier Matterhorns", des Pflerscher Tribulauns. Mit „katzenartiger Behendigkeit" kletterte Kederbacher barfuß die steile Felsrinne an der Schlußwand empor, während der einheimische Führer hier zurückblieb. Schon drei Jahre vorher hatte er seinen Ruhm als Pfadfinder und Kletterer an der bisher unbesiegten, 1800 m hohen Watzmann-Ostwand erprobt.
Die bekanntesten deutschen Bergsteiger jener Zeit wählten ihn als Führer zu schwierigen Fahrten, so (außerden schon genannten): Purtscheller, Lendenfeld, Merzbacher, Trautwein, Euringer, Badenstuber, Scholz, Schilcher, Lamprecht, Arning, Friedmann, Blezacher, Minigerode, Pfister, Bäckmann, Loschge, Ruederer, Blodig u. a.
Wie in den Ostalpen (nicht allein in den Berchtesgadnern, Tauern, Dolomiten, der Ortler-, Adamello-Presanella- und Brentagruppe), so erblühten ihm auch in der Schweiz hervorragende Erfolge. Schon im Jahre 1879 hatte er sie zum erstenmal betreten und damals nicht weniger als zehn Viertausender bewältigt: Schreckhorn, Wetterhorn, Eiger, Jungfrau, Finsteraarhorn, Matterhorn, Breithorn, Monte Rosa und Montblanc. Beim Abstieg vom Monte Rosa wütete ein so heftiger Schneesturm, daß selbst die Schweizer, die sich ihm mit ihrer Partie angeschlossen hatten, den Rückweg nicht mehr fanden. Kederbacher aber führte die Teilnehmer glücklich hinab. Daher wurde ihm das stolze Lob gespendet: „An Sicherheit im Pfadfinden, an Kühnheit beim Passieren schwieriger Stellen und an Zähigkeit und Ausdauer übertrifft er die bedeutendsten Schweizer Führer bei weitem." Die Bergführer des Oberengadin hatten einen neuen Weg auf den Piz Bernina gefunden, den sie sorgfältig verheimlichten. Kederbacher suchte jedoch den Berg mit dem Fernrohr ab und brachte dann seine Herren auf diesem „neuen" Pfade zum Gipfel. Louis Friedmann aus Wien, der vom 4. Juli bis 5. August 1882 unter der Leitung Kederbachers einen alpinen Feldzug in die Schweiz mit folgendem Ergebnis unternahm: Breithorn, Weißhorn, Zinalrothorn, Monte Rosa, Gabelhorn (traversiert), Dent Blanche, Matterhorn (hin und zurück an einem Tage), schrieb in dessen Führerbuch: „Mut und Unternehmungsgeist sind hier mit Vorsicht in einer Weise gepaart, wie ich es noch bei keinem Führer gefunden habe."
Von den Engländern rühmt besonders Farrar „seine unbeugsame Entschlossenheit, seine Unerschrockenheit". Mit diesem ging er im August 1883 als einziger Führer die äußerst schwierige West- oder Zinalwand des Weißdorns an. Nach 15stündiger Kletterei mußten sie in einer Höbe von 4300 m biwakieren. Allein, wie Farrar ausdrücklich betont, trug Kederbacher keine Spur von Besorgnis zur Schau. „Er war die verkörperte Kaltblütigkeit."
Vom Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts bis 1912 bewirtschaftete er als Pächter das Watzmannhaus und führte noch als hoher Siebziger eine Partie über die drei Watzmannspitzen ins Wimbachtal. Dann zog er sich auf seinen Heimathof in der Ramsau zurück, wo er als Austrägler am 18. Januar 1917 sein tatenreiches alpines Leben beschloß. Sein ältester Sohn trat als anerkennenswerter Bergführer ganz in die Fußstapfen des Vaters.
') Wir verweisen empfehlend auf das Buch von Fritz Schmitt, Grill, genannt Kederbacher, erschienen im Bergverlag, München, RM. 3.80.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1935, Seite 261

Sein Berg war der Watzmann
Vor 50 Jahren schloß der Kederbacher für immer die Augen.
Er war einer der bedeutendsten Bergführer seiner Zeit. Der alpine Gedanke wurde besonders zu Beginn des 19. Jahrhunderts in erster Linie durch Wissenschaftler geboren und erhielt seine Förderung durch Geistliche und Kaufleute. Um aber den Gedanken in die Tat umzusetzen, bedurfte es der Hilfe der Einheimischen, die durch ihren Beruf als Bauern, Senner, Hirten, Jäger, Holzknechte oder Schmuggler über eine größere Kenntnis der betreffenden Gebirgsgruppen verfügten. Neben einer größeren Anzahl ganz hervorragender Führer gab es solche, die auch den bescheidenen Ansprüchen nicht genügten. Pioniere unter den Bergsteigern, wie Payer und Weilenmann, klagten in ihren Tourenberichten über die Schwierigkeiten, die sie in den Ostalpen anfänglich mit den Führern hatten. So ist es nicht verwunderlich, wenn die Engländer zu ihren alpinen Unternehmungen in den Ostalpen gern in vielen Fällen Schweizer oder savoyardische Führer mitbrachten. In der Schweiz setzte der Fremdenverkehr schon im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts ein, und das Führerwesen war schon vor der großen Zeit der bergbegeisterten Engländer entwickelt.
Zu den Männern aber, die den großen Westalpenführern gleichwertig, manchen sogar überlegen waren, gehörte der am 22. Oktober 1835 auf dem Kederbacherlehen in Ramsau bei Berchtesgaden geborene Johann Grill. Von dem „Kederbacher" sagte der ausgezeichnete englische Bergsteiger Farrar aus London: ,,. . . einer der allerbesten Bergsteiger, dem ich je begegnet bin, eine Mischung von Entschlossenheit, technischer Geschicklichkeit und richtigem Urteil." Zuerst bestieg der junge Kederbacher aus Liebe zu den Bergen ganz allein von sich heraus neben seiner Tätigkeit als Holzknecht und gelegentlich als Treiber bei den Jagden der Wittelsbacher die Berge seiner Heimat. Tourengefährte war oftmals sein Nachbar Johann Punz, der „Preißei", der sich ebenfalls zu einem hervorragenden Führer entwickelte.
1860 begann der bekannte Linzer Bergsteiger Albert Kaindl seine alpine Erschließertätigkeit in den Berchtesgadener Bergen und hatte zuerst Caspar Ofner als Führer. Mit Kaindl verdiente sich der Kederbacher als Führer, auch der Preißei war mit von der Partie, bei der Überschreitung der drei Watzmannspitzen am 5. September 1868 die ersten Sporen. In der Folge verband Kederbacher mit Kaindl eine Tourengemeinschaft, die über das Verhältnis des bezahlten Führers und des zahlenden Geführten hinausging. Aus der Vielzahl der
gemeinsamen Bergerfolge sei die Überschreitung der Übergossenen Alm zur Torscharte mit Abstieg nach Hinterthal herausgegriffen, im Zusammenhang damit erfolgte die Erstbesteigung des Floßkogels (2.478m) am 1. Oktober 1870. Als weiteren Teilnehmer treffen wir den Salzburger Jäger R. v. Lonski an, der sich auch als selbständiger Führer in seinen Bergen verdient gemacht hat. Nicht nur im Kalk zeigte Kederbacher sein Können, auch im Kristallin und Eis der Zentralalpen geht er 1870 und 1871 mit Kaindl am Wiesbachhom und Tenn neue Wege. Am Hohen Tenn war der Wiener Pöschl der zweite „Herr". Dem Wiener ermöglichte Kederbacher 1875 die zweite Besteigung des Pflerscher Tribulauns (3.102m), des „Matterhorns der Stubaier Alpen", nachdem ihm ein Jahr vorher die Erstbesteigung dieses Berges gelungen war und er zusammen mit den Münchnern G. Hofmann und N. Winhart sowie dem Führer Pittracher aus Gschnitz am 22. September 1874 auf dem Gipfel stand. Kederbacher wählte den Anstieg aus dem Gschnitztal, und der Tiroler Führer war erstaunt, mit welcher "katzenartigen Behendigkeit ohne Fußbekleidung der Bayer diese Bravourleistung" vollbrachte.
In den Ennstaler Alpen erreichten am 12. Juni 1877 nach sieben Stunden Kederbacher und Pöschl über den Kleinen Ödstein den Gipfel des Großen Ödsteins (2.355m). Der stolze Wächter am Eingang des Johnsbachtales mußte seine erste Besteigung verzeichnen. Viele Touren in fast allen Gruppen der Ostalpen - weitere Träger von Namen werden geführt, die in alpinen Kreisen eine hervorragende Stellung einnehmen, wie K. Stüdl aus Prag und Prof. E. Richter aus Salzburg - und später in den Westalpen folgen. Kederbacher kann mit zwei Wienern fünf Jahre nach der Erstbegehung des Ortler-Hochjochgrates durch O. Schück aus Wien 1880 die zweite Begehung durchführen.
Schon 1881 treffen wir den unermüdlichen Führer wieder in den Südalpen an, die Cima Presanella (3.564m) erhält ihre 1. Begehung über den NO- Grat, geführt werden Dr. Wagner und Kratky. Nur zu verständlich ist es, wenn man, einmal in dieser wunderschönen Gegend,
auch noch der Brentagruppe einen Besuch abstattet und die Cima Tosa besteigt.
Immer wieder wandern die Gedanken Kederbachers zu der gewaltigen Ostwand des Watzmanns, seines Berges, der Wand, die sich 1.800m über St. Bartholomä am Königssee erhebt. Mit Recht kann diese riesige Wand für sich das Prädikat in Anspruch nehmen, die höchste der Kalkalpen zu sein. Nach wiederholten Versuchen, immer von der Sorge getragen, einer könnte ihm zuvorkommen, gelang ihm mit O. Schmück in 14 Stunden von der Eiskapelle aus am 6. Juni 1881 die Bezwingung der Wand auf dem „Kederbacherweg" mit Ausstieg zur Watzmann-Mittelspitze 2.713m. Eines der größten Wandprobleme in den Ostalpen war durch diese großzügige Bergfahrt gelöst worden. Von den folgenden vier Begehungen gehen drei auf das Konto Kederbachers. Ein Beweis dafür, daß man mit voller Berechtigung sagen kann: Der Watzmann ist sein Berg, die Ostwand seine Wand!
Der Kederbacher hatte drei Söhne, alle besaßen das Führerabzeichen. In die Fußstapfen des berühmten Vaters tritt der älteste Sohn Hans, den er mitnahm, als mit Dr. Wagner am 1. Jänner 1882 die erste Winterbesteigung des Hochkönigs (2.914m) gelang. Im Winter 1884 führte er einen der ganz Großen unter den alpinen Erschließen nach mehreren vorangegangenen Touren auf die Mittelspitze des Watzmanns, Ludwig Purtscheller. Purtscheller war es auch, der 1885 die zweite Begehung der Bartholomäwand mit dem Preißei ausführte und den Ausstieg zur Südspitze vornahm.
Wenn man berücksichtigt, daß Kederbacher in den Westalpen fünfzigmal auf Viertausendern stand und für sich als Führer u. a. die Erstbesteigung des "Roten Turms" am Bietschhorn und die erste Überschreitung des Zermatter Weißhorns von Zinal nach Randa buchen kann, so gibt es für den am 20. Jänner 1917 ohne Siechtum verschiedenen alten Kederbacher keine schönere Anerkennung als die aus der Feder des berühmten Purtscheller: ,,... Grill gehört zu den tüchtigsten und kühnsten Pfadfindern der Alpen und hat auch außerhalb der heimatlichen Berge glänzende Proben hervorragender Führereigenschaften abgelegt."
H. Schueller, Zell a. S.
Quelle: Mitteilungen des ÖAV 1967, Heft 9/10, Seite

Johann Grill, genannt Kederbacher
(* 22.10.1835, + 18.01.1917)
Geboren im Kederbacherlehen (Ramsau). Erste Bergtouren Mitte der sechziger Jahre mit Albert Kaindel aus Linz (Teufelshörner, Watzmannüberschreitung); 1870 autorisiert. 1874 Erstbesteigung des Pflerscher Tribulauns. In den nächsten Jahren in den Westalpen: Schreckhorn, Wetterhorn, Matterhorn, Lyskamm, Aiguille Verte »auf neuer Route«, Montblanc. 1877 Erstbesteigung des Ödsteins. Mit Ludwig Purtscheller durchquerte er 1881 Glockner- und Venedigergruppe. Im gleichen Jahr mit Otto Schück erste Durchsteigung der Watzmann-Ostwand. 1883 mit J. P. Farrar zweite Begehung der Weißhorn-Westflanke. Kederbacher wollte sogar den Eiger von Norden versuchen. Mehr als fünfzigmal stand er auf einem Viertausender. Sein ältester Sohn Johann bewährte sich eben-falls in den Dolomiten und Westalpen. Von 1888 bis 1905 bewirtschaftete der alte Kederbacher das Watzmannhaus. J. P. Farrar, mit dem er 57jährig noch einmal die Watzmann-Ostwand durchstieg, schrieb: »Kein Führer der Westalpen ist dem Bayern in seiner Vollkraft überlegen gewesen.« 1881 enthüllte die Gemeinde Ramsau vor dem Rathaus ein Kederbacher-Denkmal.
Quelle. Der Bergsteiger 1982, Heft 8, Seite 34

Geboren am:
22.10.1835
Gestorben am:
18.01.1917

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