Merbspitze (Punta Merbe)

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Höhe:
3.092 m
Infos:

Merbspitze 3086 m und Glockhaus 3214 m Sonklar.
Am 21. August 1882 4 U. 45 früh mit Georg Nöckler St. Jacob im Ahrnthal verlassend, erreichten wir in 1/12 St. den Bauernhof Steger am linken Ufer des Ahrnbachs, wo der Alpensteig abzweigt. Nach Üeberwindung eines steilen, bewaldeten Hanges und einiger Alpenterrassen empfing uns das Becken eines flachen, offenen Hochthals, in dessen Vordergrund die Merbalpe sich befindet. Die Fortsetzung der Tour wurde durch Regen und aufsteigende Nebelmassen in Frage gestellt. Eine zerfallene, von uns nothdürftig reparirte Schirmhütte gewährte durch 1 1/2 St. einigen Schutz. Endlich besserte sich die Witterung und wir setzten den Weg über das obere Trümmerkar fort. Der Nebel liess uns über die Lage der Merbspitze längere Zeit in Zweifel. Nach Überwindung eines steilen Schneehangs und einiger kleiner Felspartien kamen wir in greifbare Nähe des Gipfels. Rasch stiegen wir die letzten morschen Gratabstürze hinauf und betraten den höchsten Punkt 12 U. Mittags. Die Spitze bietet — das Wetter hatte sich indessen völlig gebessert — eine höchst lohnende Aussicht auf die prächtigen Eisgipfel der westlichen Venediger - Gruppe und auf die gegenüber liegenden Erhebungen des Zillerthaler Hauptkamms.
Sehr schön zeigt sich auch die Rieserferner - Gruppe. Der Niederblick auf die begrünten Matten der Prettau, des Köth- und Affenthals mit ihren vergletscherten Hochmulden ist ebenso anheimelnd als freundlich. Das Gestein besteht aus einem sehr morschen, verwitterten Glimmerschiefer, daher auch der Name »Merbspitze«. (Die dialectische Bezeichnung »merb« ist identisch mit mürbe.) Der Berg wird wegen der unterhalb befindlichen Bergbaue und des röthlichen Gesteins auch Knappen- oder Rothe Spitze genannt.
Das Endziel meiner Tagestour, das südöstlich gelegene Glockhaus, fällt durch seine kühn aufstrebende Thurmgestalt und wildzerrissenen Gratflanken ins Auge. Es gehört zu den ausgeprägtesten Bergformen der Gruppe. Bedeutend niedriger als die Merbspitze ist die Löffelspitze; der Punkt 3130 der Sp.-K. bezieht sich nicht auf diese Spitze, sondern auf den zwischen Glockhaus, Merbspitze und Löffelspitze liegenden Sattel. Die Löffelspitze steht ca. 500 m weiter Östlich, das Glockhaus ca. 100 m südlich des Sattelpunkts. Beide Erhebungen sind in den Karten der N. M.-M. nicht cotirt. Um von der Merbspitze zum Glockhaus zu gelangen, mussten wir, da der Grat sich bald als ungangbar erwies, in die oberste Mulde des Affenthals absteigen. Wir stiegen, obwohl die Schwierigkeiten durch ein rechtseitiges Ausbiegen zu umgehen gewesen wären, direct hinab. Auf den steilen Plattenlagen verhinderten nur die günstige Schichtenstellung und verwitterte Beschaffenheit des Gesteins das Abgleiten. Nach Überwindung mehrerer schlechter Stellen betraten wir das unten von den Wänden sich ablösende lockere Geschiebe. Wir überquerten es möglichst hoch und stiegen, die Kammabstürze links lassend, gegen den Sattel an. Ohne weitere Schwierigkeiten war dieser erreicht. Der beeiste Kamm fällt südwestlich gegen das Affenthalkees, östlich gegen das Rothfleckkees sehr steil ab. Nun war noch das eigentliche Felsgerüste des Glockhaus zu erklettern. Lose übereinander gethürmte Blöcke und die grosse Steilheit der Wandstufen erforderte ein sehr behutsames Steigen. Wir hielten uns anfänglich auf der dem Sattel zugekehrten Gratkante und umgingen dann, als grössere Abstürze das Vordringen verwehrten, die letzten Theile des Thurms südöstlich. 2 St. 5 Min. nach Verlassen der Merbspitze — allerdings nach forcirtem Marsch — betraten wir den höchsten Gipfelpunkt. Ein 2 m hoher Steinmann wurde errichtet. Der Gipfel bietet ein noch viel ausgebreiteteres Panorama, als die Merbspitze; meine Absicht, von demselben einen möglichst klaren Einblick in die Kamm- und Thalverhältnisse der südwestlichen Venediger-Gruppe zu gewinnen, ward vollkommen erreicht. Südlich des Glockhaus erhebt sich eine andere sehr imposante Eelspyramide, Punkt 3165 der O.-A., für welche ich aber keinen sicheren Namen in Erfahrung bringen konnte. Sie dürfte, wie mancher andere Gipfel der Umgebung noch unerstiegen sein. Der in den Karten vorkommende Käme »Grosses Glockhaus« ist richtig zu stellen; die Anwohner kennen nur ein Glockhaus. Der Beiname »Gross« ist schon desshalb nicht zutreffend, weil die Spitze (nach Sonklar 3214 m) niedriger und weniger massiv ist, als das sogenannte »Kleine Glockhaus« 3228 m. Der Name »Kl. Glockhaus«, womit die unbedeutende Kammanschwellung südlich der Daberspitze gemeint ist, wäre ganz aus der Kartographie zu eliminiren, umsomehr da diese Bezeichnung, wie ich allen Grund habe zu vermuthen, nur auf ein Versehen bei einer der früheren Mappirungen zurückzuführen sein dürfte.
Das Glockhaus kann auch vom Schwarzachthal über die jetzt völlig eisfreien Felshänge, und vom Röththal über das Rothfleckkees bestiegen werden. Nach mehr als 1 St. Aufenthalt kehrten wir wieder auf gleichem Weg zum Sattel zurück und stiegen dann rasch über den steilen Firn des zerklüfteten Rothfleckkeeses hinab. Der massenhaft aufliegende Neuschnee war sehr zur Lawinenbildung geneigt, doch waren wir durch unsere hohe Lage vor Gefahr sicher. Ein heftiger Platzregen überraschte uns, als wir an der grossen Mittelmoräne des stark zurückgegangenen Gletschers anlangten. Noch 1/2 St. dauerte unser Marsch über das bis zum Thalboden sich erstreckende wilde Trümmerfeld. Die Hirten nennen diese Localität die »Distelflecke«, wegen der rothen Farbe des kupferhaltigen Gesteins, das hier allgemein vorherrscht. In einzelnen Blöcken fanden wir schöne Kupferkieskrystalle. 6V 2 TJ. nahm uns das Dach der gastlichen Röth-Alpe auf. Den Gemsjäger Georg Nöckler von St. Jacob, welcher mich durch einige Tage bei meinen Arbeiten in der Venediger-Gruppe begleitete, erlaube ich mir wegen seiner besonderen Tüchtigkeit und Ortskunde — er hatte vor 30 Jahren als erster die Dreiherrenspitze erstiegen — bestens zu empfehlen, umsomehr als es in der Prettau an geeigneten Führern für Hochtouren fehlt.
Salzburg. L. Purtscheller.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1878, Seite 43

Bild:
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Gebirgsgruppe:
Venediger-Gruppe
Erste(r) Besteiger(in):
Daimer Eduard
Daimer Josef
Daimer Karl
Niederwieser Johann (Führer - vulgo Stabeler)
Datum erste Besteigung:
25.07.1877

Routen:
Nordostgrat
Nordwestgrat
Ostgrat
Ostgrat - "Direkter"
Südflanke
Südwestgrat
Westflanke

(Route Neu)