Südflanke

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Routen Details:
Auszug aus dem Artikel "Aus der Venedigergruppe" von Theodor Harpprecht in Stuttgart
IV. Die Simonyspitze. 10780' 5408 m 3480 m N.M.M.
Am 27. Juli war ich von einer Fussverletzuug, die ich bei der Besteigung des Lasörling mir zugezogen hatte, so weit hergestellt, dass ich wieder marschfähig war und sofort begaben wir uns wieder nach Streden, um die Simonyspitze in Angriff zu nehmen. Bei wolkenlosem Himmel brachen wir am 28. Juli Morgens 3 Uhr auf. Als wir um 4 Uhr 30 Min. an der Ochsnerhütte ankamen, hatten die meisten Spitzen sich schon in Nebel gehüllt, trotzdem setzten wir um 5 Uhr unseren Marsch fort. Wir schlugen den Weg am rechten Bachufer ein und betraten um 6 Uhr den Simonygletscher. Nachdem derselbe quer überschritten war, stiegen wir über den Dellacher Keesfleck, der bequem zu begehen ist, dann auf dem zur Simonyspitze sich erhebenden, stellenweise ziemlich steilen Firnrücken an und erreichten ohne grössere Schwierigkeiten um 11 Uhr den östlichen Gipfel der Simonyspitze, der aus einer nach Norden überhängenden Firnschneide besteht.
Nach kurzem Aufenthalte machten wir uns an die Besteigung des höheren Gipfels, stiessen aber jetzt auf unerwartete und ganz bedeutende Schwierigkeiten. Ein schmaler Felsgrat, der links mit steilen Firnhängen, rechts mit beinahe senkrechten Eiswänden abstürzt, zieht in westsüdwestlicher Richtung zuerst sich senkend, dann wieder ansteigend, zur höheren Spitze. So steil ist der nördliche Abhang, dass der sonst überall vorhandene Neuschnee hier nirgends haften geblieben war, sondern das harte graue Eis blos lag. Hindernisse aller Art stellten bei Ueberschreitung dieses Grats sich uns entgegen, bald scharfe Felszacken, bald mauerartige senkrechte Schneewechten, die geradezu der Länge nach überstiegen werden mussten. An manchen Stellen, wo auf der Südseite der Firn sich losgelöst hatte, zog sich in der Mitte des Grats eine Kluft hin. Das schwierigste Hinderniss war das letzte, ein zwei Klafter hoher Felsblock mit glatten Wänden, an dem wir halb über dem Abgrund schwebend uns emporarbeiten mussten. Auf dem Plateau dieses Felsens angelangt, hatten wir etwa noch 10 Minuten auf einer nach Norden überhängenden nicht sehr steilen Schneide in weichem Schnee anzusteigen und um 12 Uhr 45 Min. standen wir auf dem höchsten Punkt des westlichen Gipfels. Diese jungfräuliche Spitze war nun zwar bezwungen, doch konnten wir unseres Sieges uns nicht recht freuen, denn mit der Aussicht war es schlecht bestellt. Hie und da zerriss ein Windstoss die Nebel, welche den Gipfel umhüllten und dann hatten wir prächtige Einblicke in das Krimmler-, Obersulzbach- und Maurerthal, diess währte aber allemal nur einige Augenblicke und eine weitere Aussicht vergönnte uns der Nebel nicht. Der Gipfel hat vom Krimmler- wie vom Maurerthal aus betrachet, die Form eines gleichschenkligen Dreiecks mit abgerundeter Spitze. Nach Norden bricht er in Felsen fast senkrecht ab, auf dem gleichfalls steilen Südabhang ist er mit Firn bekleidet, der nach Norden überhängt. In der Voraussicht, dass auf der Spitze selbst kein Zeichen der Besteigung hinterlassen werden könne, hatte ich meine Karte auf oben erwähntem Felsblock in einer Vertiefung unter einem flachen Steine verwahrt. Um 1 Uhr verliessen wir den Gipfel, um den Abstieg in's Umbalthal zu versuchen. Die Simonyspitze hatte bisher für den Knotenpunks zwischen Maurer-, Krimmler- und Umbalthal gegolten, wie erstaunte ich nun, als ich von der Spitze auf einer Firnschneide in westlicher Richtung abschreitend beständig den Krimmlergletscher zur Rechten, den Simonygletscher zur Linken durch den Nebel durchschimmern sah. Erst nachdem wir eine vor uns stehende Firnkuppe links umgangen hatten, erblickten wir den Umbalgletscher vor uns. Diese vom westlichen Gipfel mehrere hundert Schritte weit entfernte Kuppe schien also der wahre Knotenpunkt zu sein. Wider Erwarten leicht ging es über die sanftgeneigten Firnhalden des Umbalgletschers hinab. Um 2 Uhr 30 Min. langten wir am Fusse des Hinteren Umbalthörls, um 3 Uhr 45 Min. am Gletscherende an, nicht ohne dass uns zuvor noch ein Platzregen bis auf die Haut durchnässt hatte. Um 6 Uhr 30 Min. trafen wir in Streden, um 7 Uhr 45 Min. in Prägraten ein.
Um volle Gewissheit über die Lage der Simonyspitze zu erlangen, unternahm ich am 2. August bei günstiger Witterung eine zweite Besteigung derselben und zwar von Käsern im Ahrnthale aus. Wir gingen von Käsern (4954' SJclr., 1566 m ) um 4 Uhr Morgens ab, kamen um 7 Uhr 15 Min. auf dem Hinteren Umbalthörl an, liessen uns über einen steilen Firnhang auf den Umbalgletscher hinab und steuerten über diesen in möglichst gerader Linie dem Vorgipfel der hier nicht sichtbaren Simonyspitze zu. Die Wanderung über den Gletscher war äusserst bequem, der Schnee hatte die richtige Härte; die dem hohlen Klang der Tritte nach zahlreich vorhandenen Klüfte waren fast sämmtlich verdeckt. Beinahe komisch war der Anblick der nach Krimml überhängenden kolossalen Schneewechten, welche wie eine Reihe von Zähnen auf dem Kamm zwischen Dreiherrenspitze und Simonyspitze sassen. Ohne die geringste Schwierigkeit erreichten wir um 11 Uhr den westlichen Gipfel der Simonyspitze. Da Schnell sich unwohl fühlte, waren wir so langsam als nur möglich gegangen, bei rascherem Schritte wird man die Spitze leicht in 6 Stunden von Kasern an erreichen.
Meine Vermuthung, dass der Vorgipfel der Simonyspitze der Knotenpunkt zwischen Maurer-, Krimmler und Umbalthal sei, fand ich vollkommen bestätigt. Der Vorgipfel steht westsüdwestlich der Simonyspitze. Letztere selbst gehört dem Gebiet des Umbalgletschers nicht an. Die Aussicht war heute, wenn auch nicht vollständig rein, doch im Ganzen befriedigend, konnte aber mit der von der Rödtspitze, welche wir Tags zuvor erstiegen hatten, sich bei weitem nicht messen. Sie ist im Allgemeinen der vom Venediger ähnlich, nur weniger umfassend. Was sie Eigenthümliches hat, ist der Blick auf den furchtbar zerrissenen Krimmiergletscher und in das freundliche Krimmierthal hinab. Wir verweilten auf der Spitze bis 12 Uhr 30 Min. und nahmen den Abstieg direkt über den Simonygletscher. Vom
westlichen Fusse des Gipfels ging es einen 35° geneigter, tief mit Schnee bedeckten Firnhang hinab. Klüfte nöthigten uns bald, uns weit nach rechts zu wenden, mehrere übersetzten wir auf dem Rücken liegend, endlich kam ein ungeheuerer Firnbruch. Eine Lawine, die ihn theilweise bedeckte, ermöglichte seine Ueberschreitung. Nun mussten wir zwischen langen Schründen durch dem Firnkamm uns zuwenden, den von der östlichen Simonyspitze zum Dellacher Keesfleck hinabzieht. Wir betraten den letzteren um 1 Uhr 45 Min., stiegen über ihn zum Simonygletscher hinab und kamen um 3 Uhr 39 Min. in der Ochsnerhütte an.
Quelle: Zeitschrift des DÖAV 1872, Seite 205
Gipfel:
Simonyspitze Westliche