Westgrat

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Routen Details:
Erste Ersteigung über den Westgrat: Dr. Fickeis, F. Krischker, 1898 (Mitteilungen des DÖAV 1899, Seite 99)

Teuflmauer (2186 m., wahrscheinlich Erste Erst.), Anglmauer (2127 m., (wahrscheinlich Erste tour. Erst.).
1897 hatten wir den westlichen Teil der Gruppe des Kleinen Priel touristisch erschlossen (siehe „Mittheilungen" 1897, Nr. 7, S. 87), 1898 gelang uns dies mit dem östlichen Teile. Zu diesem Zwecke waren wir am 16. Juli mit demselben Jäger Arracher wieder in der oberen
Sallmeralpe. Schon vom Jaidhause in Hinterstoder hatten wir mit dem an der Veranda befestigten guten Fernrohre die geheimnissvolle, dort sich nur zart über dem Waldrande des Vordergrunde zeigende Teuflmauer betrachtet, und sie war uns beim Anstiege zur Alpe ganz imposant und unnahbar durch den an der Westseite deutlich sichtbaren Felsspalt entgegengetreten.
In Hinterstoder gilt die Teuflmauer wegen dieses Spaltes überhaupt für unersteiglich. Der Bergsteiger kann daher ermessen, dass es uns gewaltig reizte, das Geheimniss zu lüften. Am 17. Juli morgens 5 U. stiegen wir in Begleitung des Jägers, welche in den unteren Regionen unentbehrlich ist wegen des Jagdverbotes und der geringen Aussicht, das Krummholzterrain ohne kundigen Begleiter zu überwinden, von der Alpe ohne kenntlichen Pfad westlich des Waschenriegels durch das Kirchtagkar, den riesigen Platten beiderseits vorsichtig ausweichend, gegen den Hauptgrat und mussten kurz vor demselben über eine ziemlich steile und etwa 10 m. hohe, aber Griffe bietende Platte hinwegklettern. Am begrasten Kamme näherten wir uns in stets wachsender Neugierde dem immer trotziger sich gestaltenden Felskoloss der Teuflmauer bis zu einem deutlich ausgeprägten Joche an der Westseite. Rechts, schon östlich des Waschenriegels, sahen wir ziemlich steil hinab in die „Kränzen", ein von kleineren Wandpartien „umkränztes" Kar mit dem auf der Militär-Specialkarte gemessenen Punkte Gross-Kranz (1842 m.); links vom Hauptkamme aber stürzen die Mauern furchtbar jäh ab zur Steyerlinger Seite; weiter westlich grüssten die von uns 1897 besuchten Spitzen: Kreuz und Zwillingskogel herüber. Von diesem Joche wollte der Jäger vor vielen Jahren auf die Nordseite abgestiegen und die Teuflmauer erklommen haben. Das erklärten wir sofort für unmöglich oder mindestens zu zeitraubend und studierten eifrig die uns zugekehrte Westflanke der Teuflmauer, die zum Hauptkamme jäh abbricht. Da erschienen plötzlich nacheinander mehrere Gemsen oberhalb dieses Abbruches und stiegen lustig weiter hinauf gegen den Gipfel. Wo aber die Gemse ungejagt springt, dahin kommt in der Regel auch der Mensch. So tauschten wir unsere Meinung und stiegen vom Joche auf der Kränzenseite etwas herab zu dem Abbruche. Da öffnet sich plötzlich der hindernde Spalt zur Linken und gähnt uns beiderseits mit senkrechten glatten Wänden entgegen. Zuerst sind wir gar nicht erfreut, arbeiten uns jedoch auf dem ziemlich steilen, theilweise noch mit Schnee erfüllten Grunde des Spaltes empor bis zu dessen Scharte: neuerliche Enttäuschung; drüben auf der Nordseite wieder entsetzlich steile Wände. Der Jäger meint, da sei er abgestiegen und habe dann den Gipfel über die Nordseite erreicht. „Kann nicht sein," war unsere Antwort. Ja, wie kamen aber die Gemsen vorhin so ruhig herauf? Wir sondierten die Wand wie der Arzt eine Wunde und fanden zwei Anstiegsmöglichkeiten — für die Gemsen. Zuerst rechts eine schmale und steile Felsleiste, welche oben in eine schiefe Platte endete, und dann links um die Ecke der Wand (also schon auf der Nordseite) ein Plätzchen wie ein Gemswechsel. Bis dorthin waren aber zwei bis drei Tritte in äusserst exponierter Lage. Gegenseitig versichert durch das Seil (den Jäger Hessen wir im Spalt beim überflüssigen Gepäcke zurück, da jetzt die ernste Arbeit begann, welche wir allein leisten wollten), bezwangen wir die bösen Tritte und fanden jenseits gut kletterbare, flache Kamine; alles noch ziemlich exponiert. Bald waren wir von der Nordseite wieder auf der Westseite im Hauptgrate und kletterten klopfenden Herzens weiter. Da hörte plötzlich der steile Fels auf, und Grasboden begann. Sollte uns das Ungethüm nochmals äffen? Wir waren ja schon dort, wo vorhin die Gemsen lustig ästen. In einem wahren Bergsteigerfieber, ohne ein Wort zu wechseln, stiegen wir weiter empor. Es wird flacher und flacher, vor uns senkt sich der Kamm, ringsum ist alles niedriger; wir stehen am Gipfel. Hurrah! es ist kein Steinmann hier. Wir schüttelten uns die Hände (es war 9 U.) und begannen sofort einen Steinmann zu bauen, der seine 1 1/2 m hoch wurde und unsere Karten in einer leeren Conservenbüchse birgt. Die Aussicht war ziemlich gut. Der ganze Kamm des Kleinen Priel lag aufgerollt vor uns, standen wir doch auf dessen höchster Spitze, der Teuflmauer im Volksmunde, auf der Karte Teufelsmauer gedruckt. Westlich davon lag das uns bekannte Gebiet des Zwillingskogels, des Kreuzes und des ziemlich hoch gelegenen Arzloches mit dem Kirchtagkar, östlich die Anglmauer, der Schwarzkogel und der Kleine Priel. Nördlich tief unter uns die Steyerling mit den grünen Vorbergen und dem Flachlande, südwestlich der gewaltige Stock des Grossen Priel.
Nach gut einstündiger Rast in herrlichem Sonnenschein und bei ruhiger Luft stiegen wir in derselben Richtung ab, an den Kletterstellen und beim bösen Tritt doppelte Vorsicht beobachtend. Als Variante nahmen wir nun wieder vereint mit dem Jäger den weiteren Rückweg am Kamme in westlicher Richtung oberhalb unserer Aufstiegsplatte; auf einer deutlichen Graterhebung pflanzten wir einen kleinen Steinmann und nannten sie wegen der benachbarten Poldlgrube (eine nördlich gelegene Mulde) die „Poldlgrubenspitze"; sie dürfte rund 2130 m. hoch sein. Am Kamme weiter schreitend, senkten wir uns endlich gegen die zum Kirchtagkar abstreichende Sattelmauer, durchquerten das Kar und waren zeitlich nachmittags wieder in der Alphütte.
Am 18. Juli war das Wetter morgens zweifelhaft. Erst um 7 U. stiegen wir mit dem Jäger auf schwachem Jagdpfade östlich des Waschenriegels in die oberwähnte „Kränzen" und wendeten uns nördlich des Grosskranz zur Anglmauer, welche nach und nach nebelfrei wurde. Wir sahen jetzt auch in den hintersten östlichen Winkel der gewaltigen Teuflmauer, wo sie entsetzlich steil zum Kamme absetzt und ein breites Schuttfeld (die „Teuflmauerschütt") in die Kränzen entsendet. Die scharf eingeschnittene Krapfenscharte trennt die Teufl- von der Anglmauer. Die ganze lange Anglmauer ist von breiten Schichtenbändern (der Jäger nannte sie „Ackerin") durchsetzt, aber, wo wir standen, von rechts nach links aufwärts, so dass wir uns eine Durchquerung der Wand gegen den ganz rechts liegenden Gipfel nicht gut vorstellen konnten.
Am Fusse der Wand, dort, wo oben im Grate eine kolossale Platte sichtbar ist,liessen wir den Jäger zurück, weil sich trotz der gegen uns streichenden „Ackerin" ein von uns nach rechts aufwärts ziehendes Felsband zeigte. Dasselbe brachte uns bei unschwerer Kletterei allmälig höher und schliesslich auf den Kamm unweit des Gipfels der Anglmauer (vielleicht aus Englmauer entstanden, als Gegensatz zur abschreckenden Teuflmauer?) und auf diesen Gipfel selbst (2127 m.); es war 10 U. 45. Den vorgefundenen Steinmann sammt Signalholz erhöhten wir etwas, betrachteten den kühn geschwungenen Grat ostwärts zum gezackten Schwarzkogel, deponierten unsere Karten und machten uns bald an den Abstieg, da Nebelschwaden von der Teuflmauer herüberzogen. Den im Aufstiege wegen drohendem Nebel
gelegten zahlreichen Steindauben folgend, waren wir bald beim Jäger, der uns dann östlich vom Grosskranz zu dem von der Mandl- zur Oberen Sallmeralpe führenden Steige und auf letzterem zu unserem Quartiere geleitete. Der Durchstieg der Anglmatterwand ist sehr ähnlich dem markierten Aufstiege vom Pyhrgasgatterl direct auf den Grossen Pyhrgas.
F. Krischker -Wien, Dr. Fickeis- Kremsmünster
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1899, Seite 99

Datum erste Besteigung:
17.07.1898
Gipfel:
Teufelsmauer
Erste(r) Besteiger(in):
Fikeis Wratislaw Dr.,
Krischker Fr.