Westpfeiler

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Routen Details:
Dreischusterspitze aus dem Innerfeldthale auf grösstentheils neuem Wege.
Mit Josef Innerkofler senior und junior, letzterer auf seine Bitte hin mitgenommen, verliess ich Sexten am 12. September um 3h 37m früh. Da meine beiden Führer sowie ich den Weg nur aus Beschreibungen kannten, so war diese Tour für uns eine Neubesteigung, umsomehr da ich die durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Carl Diener -Wien erhaltene Beschreibung leider nicht bei mir hatte und mir nur die hauptsächlichsten Momente im Gedächtnisse geblieben waren. Die Terrasse erreichten wir um 7h 30m und fanden sie vollkommen schneefrei. Nach einer Rast von 15 Min. traversirten wir auf einem Bande nach links, und anstatt dann wieder rechts zu gehen, stiegen wir in einen Kamin ein, der durch Steine versperrt war und uns in der irrigen Meinung, auf dem richtigen Wege zu sein, bestärkte. Da der rothe Thurm uns versteckt blieb, diente uns der weisse Thurm als Directionsobject, und da die Klamm sich stark gegen rechts wandte, so glaubten wir auf richtiger Fährte zu sein. Blankes Eis in derselben veranlasste uns den davon rechts liegenden Grat zu betreten. Unter uns lag die Klamm, die sich bald in zwei Aeste theilte, von denen der rechte in einen Felsriss übergeht und uns überzeugte, dass dies nicht der richtige Kamin sein konnte. Bald sahen wir zu unserer Rechten den richtigen Kamin, der bis zu dem Thurm mit der frischen Bruchfläche hinanzieht. Da der Grat sich als gangbar erwies, versuchten die Führer von demselben aus in den Kamin einzusteigen. Nach längerer Zeit kehrten sie zurück und erklärten, die Traversirstelle gefunden zu haben. Wir setzten nun unsere Gratwanderung fort, bis uns die Kleine Schusterspitze nur mehr wenig überragte, und traversirten über ein Band, das durch einen linken Arm des erwähnten Kamins unterbrochen ist, bis in den Kamin. Diese Traversirung ist ziemlich schwer, nachdem die. 1 1/2 Meter breite Klamm unüberspringbar ist, da das Band auf der andern Seite höher ansetzt, und nur ausführbar durch Anstemmen des Pickels an die jenseitige Wand und Hinüberneigen des Körpers, bis für die linke Hand ein Griff erreichbar wird; selbstverständlich muss dies langsam geschehen, damit man nicht den Halt mit dem Pickel verliert. Als schwierig wäre noch der letzte Theil des Grates zu bezeichnen. Nach einer Rast von 25 Min. brachen wir um 12h 30m auf, erreichten in 20 Min. das Ende des Grates und gelangten in die Eisklamm, in der wir nur langsam vorwärts kamen. Ein Versuch, über die rechtsseitigen Felsen die Scharte beim sogenannten rothen Thurm zu erreichen, misslang wegen der Vereisung, der Platten und verursachte uns einen Zeitverlust von 1 3/4 St., da der Rückweg nur mit grösster Vorsicht ausgeführt werden konnte. Nothdürftiges Stufenschlagen des ersten Führers und Nachfolgen der Anderen am Seile ermöglichte schnelleres Fortkommen, und erreichten wir, das letzte Stück über verschneite Felsen, die Scharte um 2h 55m, von wo wir zum ersten Male in das Fischleinthal sahen. Beide Führer begaben sich nun auf Ausschau, da wir nicht ganz sicher waren, ob wir nun auf dem richtigen Wege waren, da uns Manches nicht mit der Beschreibung stimmen wollte. Ein Band war schnell gefunden und ohne Mühe passirt. Sollte dies wirklich jenes berüchtigte Band sein, das man über eine Wandstufe erreicht und welches an dem sogenannten „rothen Thurm" hinzieht? Nachdem das Band hinter uns war und wir den weissen Thurm zu unserer Rechten hatten, erblickten wir zum ersten Male die Hauptspitze, die durch eine weite Schlucht von uns getrennt aufragte und die wir durch Traversiren entlang der linken Seite des Grates und über einige Schneeflecken und Felsen um 3 h 40 m erreichten. Wohl könnte man auch durch Hinabsteigen und Ueberschreiten der Eisrinne die Spitze erreichen; doch hatten wir keine Lust zu abermaligem Stufenschlagen. Um 4h 45m verliessen wir die Spitze und erreichten um 7 h 10m Bad Moos.
Wir hatten so die Besteigung auf grösstentheils neuem Wege unternommen und würden zu keiner Umkehr gezwungen gewesen sein, wenn wir ruhig die Eisklamm verfolgt und nicht, um 20 Stufen zu ersparen, 1 3/4 St. nutzlos verloren hätten. Um nun die genannte schlechte Traversirstelle zu ersparen, kann man die Gratwanderung so lange fortsetzen, bis man ein in die Eisklamm führendes Band erreicht, und kann man von dort aus bei guten Verhältnissen in 20 Min. leicht die Scharte erreichen, oder bei Eis durch Benützung von Steigeisen das Stufenschlagen ersparen. Weiter wohl dürfte nach meinem und Josef Innerkofier's Ermessen die Gratwanderung nicht fortgesetzt werden, da besagter Grat zur Nordspitze hinanführt und von da aus keinen Einstieg in die Klamm mehr zulässt. Mit Sicherheit kann ich dies jedoch nicht behaupten, da unsere Zeit zu weiteren Untersuchungen zu kurz war; interessanter wäre es indess jedenfalls, direct über den Grat bis zur Scharte zu gelangen, und dürfte sich in diesem Falle, selbst wenn man den Grat nur bis zum Anfang der Eisklamm verfolgen kann, der Weg viel kürzer gestalten. In 9 St., sammt Rast, ist der Aufstieg auf dem von uns gemachten Wege leicht auszuführen, da wir viel Zeit durch Suchen und durch den Versuch auf den vereisten Platten verloren hatten. Als sehr schwierig kann ich diese Tour nicht bezeichnen und dürfte meiner Ansicht nach, sowie auch nach der der Führer die Kleine Zinne jedenfalls als schwieriger befunden werden. Josef Innerkofler senior hat sich abermals als umsichtiger Führer bewährt und auch Innerkofler junior dürfte einen recht tüchtigen Führer abgeben, wenn sich seiner Geschicklichkeit noch die nöthige Umsicht zugesellt. Ich will nur noch kurz bemerken, dass die von uns eingeschlagene Route schon früher theilweise gemacht worden sein dürfte, und zwar von der Partie Zsigmondy etc., deren Steinmann die Nordspitze krönt.*
Emil Artman
Herr Dr. C.Diener, dessen Schilderung dieser Tour hier mehrfach berührt wird, theilt uns bezüglich des Anstieges des Herrn Artmann Folgendes freundlichst mit: Von der Terrasse an ist der Weg des Herrn Artmann nahezu vollständig neu, obgleich er stets ziemlich nahe unserer Route bleibt. Er hält sich zuerst links (nördlich) von unserer Koute und berührt die￾selbe erst wieder an der Stelle, wo wir (10h 45m) aus dem Kamin gegen die Gratrippe nächst der Eisklamm des rothen Thurmes anstiegen. Von hier bis zur Gratrippo selbst, also eine Strecke von höchstens 30 Min. fallen unsere Routen zusammen. Statt, wie wir, die Eisklamm sofort zu überschreiten — wir thaten dies in der Höhe des rothen Thurmes mit der weissen Bruchfläche — verfolgte Herr Artmann die Gratrippe weiter und stieg zuletzt durch die Eisklamm selbst bis auf die Scharte im Hauptgrat der Schusterkrone, zwischen dem rothen Thurm und den nördlicher aufragenden Zacken. Auch auf dieser Strecke bleibt also seine Route links (nördlich) von dem von uns begangenen Wege. Erst von der Stelle an, wo Herr Artmann „zum ersten Male" die Hauptspitze erblickte, vereinigen sich beide Routen wieder.
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1889, Heft 18, Seite 222
Datum erste Besteigung:
12.09.1889
Gipfel:
Dreischusterspitze (Punta dei Tre Scarperi)
Erste(r) Besteiger(in):
Artmann Emil
Innerkofler Joseph (sen.)