Knapp Richard

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Biografie:
Mitglied ÖAV Sektion Ennstal-Admont

Richard Knapp

6. Dezember 1908 — (+) 4. Februar 1979
Viele Trauernde und unter ihnen viele Bergkameraden, Vertreter des Bergrettungs¬dienstes und des Alpenvereines, geleiteten unseren Klubkameraden Ing. Richard Knapp an einem trüben Februartag in Liezen zur letzten Ruhe.
Ich konnte es nicht fassen, daß mein lieber Jugendfreund und Bergkamerad so plötzlich gestorben ist. Wir kannten uns schon von frühester Jugend an. Unser beider Heimatort war Rottenmann im obersteirischen Paltental. Es war naheliegend, daß unsere Liebe zur Bergwelt in den Rottenmanner Tauern begann, deren einsame Gipfel wir im Sommer und auch im Winter mit den Schiern oftmals bestiegen. Richard wurde auch mein erster Seilgefährte, und in den Felsburgen des Gesäuses gelang uns damals schon manch schöne und auch schwierige Kletterfahrt. Es zeigte sich, daß mein Freund außer den körperlichen Fähigkeiten auch die selbstlose, von Idealen durchdrungene Lebenseinstellung besaß, die einen verläßlichen Bergkameraden und erfolgversprechenden Bergsteiger kennzeichnen.
Als sich nach Beendigung der gemeinsamen Studienzeit in Graz unsere Wege aus beruflichen Gründen trennten, verband uns weiterhin eine gute Kameradschaft auch über die räumliche Entfernung unserer Wohnsitze hinweg.
Richard Knapp begann seine berufliche Laufbahn bei der Firma ELIN in Weiz. Nach einigen Jahren, als die Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre ihren Höhepunkt erreichte und bei vielen Firmen Entlassungen durchgeführt wurden, traf es auch ihn. Er zog wieder in seine Heimat zurück. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit gelang es ihm, bei den Rottenmanner Eisenwerken unterzukommen. Die finanziellen Verhältnisse von uns jungen Bergsteigern waren damals trist; viele waren arbeitslos, und eine größere Unternehmung in den Bergen konnte in dieser Hinsicht zum Problem werden, aber Richard scheute kein Opfer, um in seine geliebten Berge zu gelangen.
Mit der Verlegung der Eisenwerke nach Liezen übersiedelte er mit seiner Familie, er hatte inzwischen geheiratet, ebenfalls dorthin. Als ein Bergsteiger, der damals schon beachtliche Touren aufweisen konnte, wurde er Mitglied der Reichensteiner, des Alpenklubs und Gründungsmitglied der HG Liezen. Es war für ihn selbstverständlich, daß er seine Bergerfahrung und seinen persönlichen Einsatz auch dem Bergrettungsdienst zur Verfügung stellte. Ein ausgezeichneter Fels- und Eisgeher, unternahm er, meist als Führender, mit seinen jeweiligen Bergkameraden Fahrten in vielen Berggruppen der Ost- und Westalpen. Ich möchte hier nur einige nennen: Hochtor-Nordwand (Pfannl) allein, Ödstein-NW-Kante allein, Roßkuppe-Nordwand und -NW-Kante, Kalbling-Westwand und -Südgrat, Dachstein-Südwand (Steiner), Windlegergrat, Kleine-Zinne-Nordwand, Große-Zinne¬Dibonaweg, Cima della Madonna, Vajolettürme, Guglia die Brenta, Glockner-Überschrei¬tung, Fels- und Eiswege im Kaunergrat, Ortler-Königsspitze, Bernina-Biancograt, Piz-Roseg-Überschreitung, Badile-Kante, Matterhorn, Grand-Combin-Überschreitung, Montblanc-Überschreitung, Rochefortgrat, Jungfrau-Rottal, Eiger-Überschreitung u. v. a. Er kannte auch die Berge Korsikas, und er bestieg noch im vorigen Jahr den Olymp. In den Julischen Alpen, die eines seiner Lieblingsberggebiete waren, ist sein Name in Neubegehungen am Montasch (Westwand) und am Cimone (Kante), die er mit unserem Bergkameraden Herbert Mayer ausführte, für immer festgehalten.
Als guten Tourenschifahrer gelangen ihm auch schöne Winterbergfahrten, unter anderem mehrmals die Glocknerumfahrung.
Bescheiden, jederzeit hilfsbereit, war er ein liebenswerter Freund und bei seinen Berufskollegen und Bergkameraden gleichermaßen beliebt. Seine berufliche Laufbahn beendete er als Abteilungsleiter der VÖEST-Liezen.
Bei unseren gemeinsamen Fahrten staunte ich oft über seine außerordentlichen Kenntnisse, die er sich über fast alle Berggebiete der Alpen angeeignet halte. Zusammen mit seinem guten Orientierungsvermögen halfen ihm diese über manch kritische Situation bei den Touren hinweg. Ich erinnere mich an die Grand-Combin-Überschreitung, als uns am Gipfel ein arger Wettersturz mit Sturm, Schnee und Nebel überraschte und wir mit Karte und Kompaß nicht mehr viel anfangen konnten; mein Freund fand trotzdem die Mur de la Côte und den Abstieg zum Corridor ziemlich rasch, obwohl er diesen Weg auch erstmals beging.
Ein Herzinfarkt vor einigen Jahren zwang ihn, seine alpinen Wünsche sehr zu mäßigen. Immer bestrebt, auch anderen die Schönheiten der Bergwelt zu offenbaren, geleitete er bis zuletzt die Senioren der AV-Sektion Liezen zu schönen Wanderungen in die Berge.
An einem klaren Spätherbsttag des vorigen Jahres standen wir nach fast fünfzig Jahren wieder einmal gemeinsam am Gipfel der Hochhaide in den Rottenmanner Tauern, Wir freuten uns über die herrliche Fernsicht, und wir ließen Erinnerungen an das Bergerleben unserer Jugendzeit an uns vorüberziehen. Im Auf- und Abstieg gingen wir die Wege, die wir damals gegangen waren. Im Tal zum Abschied einen Händedruck und wir sagten uns: „Auf Wiedersehen im nächsten Jahr!"
Es sollte die letzte Bergfahrt mit meinem Freund gewesen sein, denn das Schicksal hat es anders gewollt.
Bei unseren gemeinsamen Fahrten haben wir oft über die Liebe zur Bergnatur und über das Wesen und den ethischen Wert des Bergsteigens gesprochen. Neben Familie und Beruf erfüllte die Bergwelt sein ganzes Dasein, und ich glaube, ich treffe seine Gedanken mit einem Vers, den ich einmal in einem Bergbuch gelesen hatte:
Mich reut kein Tag, wo ich auf Berg und Hügel Durch meines Gottes schöne Welt geschwärmt; Im Sturm, umbraust von seiner Allmacht Flügel, Im Sonnenschein, von seiner Gunst durchwärmt. Und war's kein Gottesdienst im Kirchenstuhle, War's auch kein Tagewerk im Joch der Pflicht; Auch auf den Bergen hält die Gottheit Schule; Es reut mich nicht!
So trauern wir um einen lieben Freund und ausgezeichneten Bergsteiger. Wir werden ihn nie vergessen!
Leo Wedam
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1879, Nr. 1426, Seite 298-299



Geboren am:
1908
Gestorben am:
1979

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