Bartholomae Walter

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Biografie:
Walter Bartholomae.
Walter Bartholomae — welch eine Reihe sonniger, glücklicher Tage steigt bei diesem Namen in mir auf! Es war im Frühjahr 1914, meinem einzigen, schönen Vorkriegssemester, als ich ihn im Akademischen Alpenverein in München kennen lernte. Beide waren wir nach München gekommen, nicht nur des Studiums halber, sondern vor allem auch des hohen Strebens voll, ein Bergsteiger zu werden. Einer jener „Führerlosen", die wir bisher, wenn wir unter väterlicher Obhut in den Schulferien bescheidene Hochtouren — und natürlich mit Führer — machen durften, in den Alpenvereinshütten mit ehrfürchtigem Staunen betrachtet hatten. Nun war sie also da, die große Zeit, und da wir beide auf dem gleichen Stand hochturistischen Könnens uns befanden, so ergab es sich ganz natürlich, dass wir Turenkameraden wurden. Es sind wenige Bergfahrten dieses glücklichen Sommers, die wir nicht gemeinsam unternommen hätten und auf denen wir nicht Freud und Leid des Bergsteigers gemeinsam getragen hätten! So kommt es, dass das Bild jener prächtigen, tatfrohen Tage sich mir untrennbar mit dem Walter Bartholomaes verbunden hat. Es ist mir selbstverständlich unmöglich, hier eine volle Würdigung seiner Persönlichkeit zu bringen, dafür war unsere Bekanntschaft zu kurz. Was er aber uns vom A. A. V. M. in der kurzen Spanne des einen Semesters war, das sei ihm unvergessen!
Neunzehn Jahre war er alt, als er aus Heidelberg zu uns kam, um seine medizinischen Studien fortzusetzen - so ganz der Sohn seines sonnigen Neckarlandes in seinem unverwüstlichen Lebensmut und seiner prächtigen Heiterkeit. Ob er unbekümmert und seelenvergnügt mit einer Tüte Kirschen bewaffnet die Ludwigstraße entlangzog oder sich im Hofbräu mitten unter die Stammgäste setzte, um mit ihnen zu diskurieren, ob er in der Alpenvereinshütte einen langen Schwatz mit der Wirtschafterin anfing oder bei der Felsarbeit als Sichernder in einer Felsspalte verklemmt steckte und sich das eisige Schmelzwasser über den Rücken laufen ließ - immer zeigte sich bei ihm die gleiche, sichere Art, das vielgestaltige Leben zu nehmen und mit unverwüstlicher Heiterkeit das Erfreuliche herauszulesen.
Felsenfest konnte man sich auf ihn verlassen. Ich erprobte es, als wir Pfingsten 1914 auf unserer Hermann v. Barth-Hütte waren und nun - endlich - auch auf schwierigeren Touren nicht mehr mit einem älteren Bergkameraden, sondern zusammen gehen durften und dabei wechselseitig „führen" konnten. Mit welch gewiegter Ruhe nahm er da die schwierigsten Stellen in Angriff und ließ sich gleichwohl im ungestümen Drang nach oben, nach dem Gipfel nicht leicht übertreffen!
Und neben dem sportlichen Wagemut wiederum tiefes Verständnis, starke Liebe und reine Begeisterung für das Schöne, für die Kunst.
Im Hochgebirge überraschte uns die Nachricht des drohenden Kriegs. Ich werde es nie vergessen, wie wir drei Bergkameraden, Bartholomae, sowie Freund Killinger und ich in der Winnebachseehütte - Bartholomae nannte sie immer Winnetouhütte - in den Ötztalern beisammen saßen, vom kriegsfreiwillig-melden und ins-Feld-ziehen sprachen, und auch wohl an den Tod im Felde dachten. So sollte sein Schicksal werden: Unter den ersten Kriegsfreiwilligen zog er mit hinaus und starb schon am 26. Februar 1915 auf Frankreichs Boden für das Vaterland, das ihm so ans Herz gewachsen war.
Ich habe ihn seit jenem Julitag, da wir uns trennten, um nach Haus und zu den Fahnen zu eilen, nicht wiedergesehen. Erst kürzlich erfuhr ich von diesem seinen Schicksal. Freilich, was ist ein Schicksal unter Millionen gleichen? Und doch, uns, die wir Walter Bartholomae kannten, verkörpert sich in ihm ein Stück unseres Lebens. Und daß er für die gute Sache starb, ist für uns überlebende eine heilige Verpflichtung, heute, wo die Not mehr denn je drängt, nicht nachzulassen im Kampfe für das Vaterland. Das sei Walter Bartholomaes Vermächtnis!
Walter Stier.
Quelle: Der Akademische Alpenverein München im Kriege (1914-1918), XXIII. – XXVI.Vereinsjahr, Seite 35-36


Gestorben am:
26.02.1915