Bardill Jöri

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Biografie:
geboren in Schiers (CH)
gestorben am Morteratschgletscher (CH)

Jöri Bardill (+)
Jöri tot. Die erste Reaktion ist Ablehnung. Man will es nicht glauben, es kann doch nicht sein! Fragen tauchen auf. Fragen, die an der Tatsache gar nichts ändern: Wie? Wo? Und warum müssen immer die, die am stärksten am Leben hängen, so früh gehen? Jöri war ein Mensch, an dem man nicht vorbeikam. Er war feinfühlig aufmerksam, forderte zur Diskussion. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir im Herbst 1980 den langen Weg zur Leschaux-Hütte entlang-tappten und dabei unsere Meinungen aufeinanderprallen ließen: Es war ein ehrliches, offenes, ein menschliches Gespräch; eines von jenen, die junge Menschen um Jahre reifer werden lassen. Jöri hatte die Freiheit gewählt. Er verzichtete auf einen Arbeitgeber, auf ein sicheres Einkommen und eine feste Pensionskasse. Er brauchte diese Freiheit, und er wußte, was er an ihr hatte. So nahm er viel in Kauf, um seiner Einstellung gemäß leben zu können. Wer tut das heute schon? Die Berge waren sein Leben. Es war an einem wunderschönen Sommertag im Jahre 1965, als er aus der Hand seines Freundes Hans Joos das Los zog: Sie durchkletterten zusammen die Südostwand des Kleinen Drusenturmes im Rätikon. Der Ältere und Erfahrene führte den Jüngeren. In der Schulbank hielt es Jöri nicht lange aus. Er erwarb zwar 1970 in Bern die Matura und das Übersetzerdiplom, die fremden Länder und die Berge waren aber stärker. Jöri war eine Persönlichkeit auch als Bergführer. Mit seiner kräftigen Gestalt und dem wallenden Bart erinnerte er an die großen Bündner Bergführer der Vergangenheit. — Jöri lebte alles intensiv. So auch in den Bergen, wo ihm bemerkenswerte Erfolge gelangen: 1972 eröffnete er mit seinem Jugendfreund Joos Flüsch aus St. Antönien in der Südwand der fünften Kirchlispitze den »KCR-Weg«. Und im vergangenen Herbst schloß sich der Kreis wieder an derselben Wand mit der Neutour »Semiramis«. Damit bewies der ausgezeichnete Hochalpinist, daß er auch im siebten Grad da-heim war. Zwischen diesen »schönsten Bergen der Welt«, wie er den Rätikon nannte, lagen die schwierigsten und höchsten Berge der Alpen und Südamerikas: Die Nordwände von Eiger, Matterhorn und Grandes Jorasses im Sommer und im Winter, die Nordwände der Zinnen in den Dolomiten sowie der Huascarán mit Gästen. Im August 1982 gelang ihm mit den Genfern Michel Piola und Pierre Alain Steiner eine neue »Direkte« am Freneypfeiler des Montblanc.
»Gratuliera!« Das ist der Bergsteigergruß auf dem Gipfel. Wie oft hatte ich Jöri die Hand drücken dürfen? Viel zu selten. Wer einmal mit ihm in die Berge gezogen war, der kehrte wieder. So erlebten es unzählige seiner Gäste. Ich weiß, daß Jöri nie viel Aufhebens um seine Touren gemacht hat. Auch über seine Verdienste um das Bergführerwesen in unserem Kanton verlor er nie viele Worte. Doch hier sei es gesagt: Hinter allem, was er tat, stand er mit ganzem Herzen. In den vergangenen zehn Jahren war er als Präsident in »ünschem Club« eigentliche Integrationsfigur, Vermittler zwischen jung und alt — er war wie ein Vater. Wir, seine Kletterkameraden, sind stolz darauf, ihn gekannt zu haben, ein Stück Weges mit ihm gegangen zu sein — vergessen werden wir ihn nie!
Pit Donatsch und alle vom Kletterclub Rätikon
Quelle: Der Bergsteiger 1983, Heft 7, Seite 79

Jöri Bardill
Vita * 11.12.1947 in Schiers in Graubünden, (+) 9 12. 5. 1983 in einer Eislawine auf dem Morteratschgletscher in den Berninaalpen anäßlich einer Rettungsaktion. Er besuchte die Mittelschule in Schiers und schloß seine Schulzeit mit der Eidgenössischen Matura ab. Später, nach dem Besuch der Universitäten Madrid und Genf, erwarb er das Übersetzerdiplom. 1981 absolvierte er den Bündner Bergführerkurs und war danach mit großer Begeisterung als Bergführer im ganzen Alpenraum unterwegs. Die Liebe zu fremden Sprachen, das Zusammenleben mit anderen Menschen, die er bald als Freunde gewann, beeindruckten ihn immer wieder aufs neue. So leitete er zahlreiche Reisen und Bergtouren in Süd¬amerika, Mexiko und Nepal.
Chronik Jöri begann seine Bergsteigerlaufbahn im Sommer 1965 mit der Durchsteigung der Südostwand des Kleinen Drusenturms, und von da ab sah man ihn oft in seinem geliebten Rätikon. Bis 1971 kletterte er alle großen Rätikon-Routen, unter anderen: Großer Drusenturm, Seth-Abderhalden-Gedächtnisführe (VI/A2), Schweizerpfeiler (VI-/A1), Baurpfeiler (VI), Drusenfluh-Ostgipfel, KCA-Führe (VI/A2); Kleine Sulzfluh, »Bachmann-Zint«
(VI-/A1); Sulzfluh, CKC-führe (VI-/A1), Erstbegehung des Prättigauer Risses (VI+/A2); An der Piz-Badile-Nordostwand gelangen »Cassin« (V-) und an der Eiger-Nordwand die Durchsteigung der Heckmair-Route. 1972 war er Initiator und Mitbegründer des Kletterclubs Rätikon (KCR), und er eröffnete an der 5. Kirchlispitze den KCR-Eröffnungsweg (VI/ A2). Es folgten: 1974 Liskamm-Nordwand und Breithorn-Nordwand. 1976 Gervasuttipfeiler (VI-); Frendo-Pfeiler (V-) an der Aiguille du Midi. 1977 Parduzer-Weg (VI-/A2) an der 5. Kirchlispitze; Wohlgenannt-Gedächtnisweg (VI-) und Hexenschußverschneidung (VI) an der Drusenfluh. 1978 Tofanapfeiler (VI Al); Erstbege¬hung der Route Via Leni (V+) an der Spazzacaldeira; Huascaran (6768 m). 1979 Meije-Direkte-Südwand (V+). 1980 Aiguille Blaitière, »Brown« (VI); Torre di Valgrande, »Carlesso-Menti« (VI/A1); Ci¬ma Su Alto, »Livanos« (VI/A2); Torre Trieste, »Carlesso-Sandri« (VI/ Al); Westliche Zinne, »Cassin« (VI-/A1); Große Zinne, »Comici« (VI-); Matterhorn-Nordwand, Winterbegehung. 1981 7. Kirchlispit¬ze, »Via Anders« (VI/A1); Drusenfluh, Täppeliweg (VI/A1); Aconca¬gua (6959 m). 1982 5. Kirchlispitze, 1. Begehung »Semiramis« (VII/ A2); Großer Drusenturm, »Sonnenpfeiler« (VI) 1. Winterbegehung; Freney-Pfeiler-Direttissima (VI-/A1) 1. Begehung; Cima Scotoni, »Lacadelli« (VI/A1); Aiguille-Noire-de Peuterey-Südgrat (VI-). Winter 1982/83 Grandes Jorasses, Walkerpfeiler (VI- ).
Ende April 1983 erhielt er die Bewilligung für den noch unerstiegenen Ostgrat der Annapurna I... Jöris größter Wunsch war es immer gewesen, eine Kleinexppedition auf einen achttausender auf die Beine zu stellen.
Vital Eggenberger
Quelle: Der Bergsteiger 1984, Heft 4, Seite 101-102

Jöri Bardill (+)
Jöri tot. Die erste Reaktion ist Ablehnung. Man will es nicht glauben, es kann doch nicht sein! Fragen tauchen auf. Fragen, die an der Tatsache gar nichts ändern: Wie? Wo? Und warum müssen immer die, die am stärksten am Leben hängen, so früh gehen? Jöri war ein Mensch, an dem man nicht vorbeikam. Er war feinfühlig aufmerksam, forderte zur Diskussion. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir im Herbst 1980 den langen Weg zur Leschaux-Hütte entlang-tappten und dabei unsere Meinungen aufeinanderprallen ließen: Es war ein ehrliches, offenes, ein menschliches Gespräch; eines von jenen, die junge Menschen um Jahre reifer werden lassen. Jöri hatte die Freiheit gewählt. Er verzichtete auf einen Arbeitgeber, auf ein sicheres Einkommen und eine feste Pensionskasse. Er brauchte diese Freiheit, und er wußte, was er an ihr hatte. So nahm er viel in Kauf, um seiner Einstellung gemäß leben zu können. Wer tut das heute schon? Die Berge waren sein Leben. Es war an einem wunderschönen Sommertag im Jahre 1965, als er aus der Hand seines Freundes Hans Joos das Los zog: Sie durchkletterten zusammen die Südostwand des Kleinen Drusenturmes im Rätikon. Der Ältere und Erfahrene führte den Jüngeren. In der Schulbank hielt es Jöri nicht lange aus. Er erwarb zwar 1970 in Bern die Matura und das Übersetzerdiplom, die fremden Länder und die Berge waren aber stärker. Jöri war eine Persönlichkeit auch als Bergführer. Mit seiner kräftigen Gestalt und dem wallenden Bart erinnerte er an die großen Bündner Bergführer der Vergangenheit. — Jöri lebte alles intensiv. So auch in den Bergen, wo ihm bemerkenswerte Erfolge gelangen: 1972 eröffnete er mit seinem Jugendfreund Joos Flüsch aus St. Antönien in der Südwand der fünften Kirchlispitze den »KCR-Weg«. Und im vergangenen Herbst schloß sich der Kreis wieder an derselben Wand mit der Neutour »Semiramis«. Damit bewies der ausgezeichnete Hochalpinist, daß er auch im siebten Grad da-heim war. Zwischen diesen »schönsten Bergen der Welt«, wie er den Rätikon nannte, lagen die schwierigsten und höchsten Berge der Alpen und Südamerikas: Die Nordwände von Eiger, Matterhorn und Grandes Jorasses im Sommer und im Winter, die Nordwände der Zinnen in den Dolomiten sowie der Huascarán mit Gästen. Im August 1982 gelang ihm mit den Genfern Michel Piola und Pierre Alain Steiner eine neue »Direkte« am Freneypfeiler des Montblanc.
»Gratuliera!« Das ist der Bergsteigergruß auf dem Gipfel. Wie oft hatte ich Jöri die Hand drücken dürfen? Viel zu selten. Wer einmal mit ihm in die Berge gezogen war, der kehrte wieder. So erlebten es unzählige seiner Gäste. Ich weiß, daß Jöri nie viel Aufhebens um seine Touren gemacht hat. Auch über seine Verdienste um das Bergführerwesen in unserem Kanton verlor er nie viele Worte. Doch hier sei es gesagt: Hinter allem, was er tat, stand er mit ganzem Herzen. In den vergangenen zehn Jahren war er als Präsident in »ünschem Club« eigentliche Integrationsfigur, Vermittler zwischen jung und alt — er war wie ein Vater. Wir, seine Kletterkameraden, sind stolz darauf, ihn gekannt zu haben, ein Stück Weges mit ihm gegangen zu sein — vergessen werden wir ihn nie!
Pit Donatsch und alle vom Kletterclub Rätikon
Quelle: Der Bergsteiger 1983, Heft 12, Seite 79

1970 in Bern maturiert; Diplomübersetzer;
Mitglied im Kletterklub Rhätikon;
1965 - Kleiner Drusenturm SÜdostwand;
1971 17. bis 18. August - Begehung der Eiger Nordwand mit Joos Flütsch (schweiz)
1972 - Erste Begehung des "K.C.R-Weges" auf die Fünfte Kirchlispitze;
1982 - Erste Begehung des Direkten Frenéypfeilers am Montblanc mit H. Joos, Peter Donatsch,M. Piola und P.A. Steiner,
tödlich verunglückt während eines Bergführerkurses;
Als Expeditionsleiter für die Annapurna-Himal-Expedition 1984 vorgesehen. An seine Stelle trat dann Frank Tschirky;
Quelle: Archiv Proksch (Österr. Alpenklub)


Geboren am:
11.12.1947
Gestorben am:
12.05.1983