Herzing Hanns

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Biografie:
Der Hochgebirgsmaler Hanns Herzing in Dresden.
Von Dr. Hans Hofmann, Dresden.
Seit nunmehr zehn Jahren stellt der im 45. Lebensjahr stehende Alpenmaler Hanns Herzing in seinem Atelier in seiner Vaterstadt Dresden alljährlich Ende November seine jeweils neuen Arbeiten des laufenden Jahres aus. Wie in den Jahren zuvor wurde diese Ausstellung, nunmehr ein regelmäßiges Ereignis für das Dresdner Kunstleben ebenso wie für die alpinen Kunst, freunde, die Herzing in weitem Umkreise dazu einzuladen pflegt, auch diesmal von einer Versammlung von Vertretern der kulturellen Behörden, Institute, der Kunstkritik, des Kunsthandels und auch der alpinen Vereine am 21. November 1934 feierlich eröffnet.
In der Literatur gibt es noch keine Monographie über diesen spezifischen Hochgebirgsmaler. Und doch ist er vielen kein Unbekannter. Auf der Internationalen alpinen Kunstausstellung in Budapest war er mit Gemälden vertreten, die schon besondere Aufmerksamkeit bedingten. Allgemein bekannt aber ist Herzing geworden durch die drei im Kunsthandel verbreiteten farbigen Drucke, wovon zwei im Verlag Kupfer und Herrmann, Berlin („Palü — Berninagruppe", von Diavolezza aus, und „Matterhorn im Sturm"), von einer im Verlag Franz Hanfstaengl, München („Matterhorn im Spiegel des Riffelsees") erschienen sind; letzterer auch als farbige Postkarte weit verbreitet.
Herzings Schaffen wendet sich in den Alpen bisher ausschließlich den Schweizer Bergen zu. Seine Schaffensgebiete waren vornehmlich Oberengadin (Berninagruppe), Wallis (Zermatt und Gletsch) und neuerdings die Schweizer Silvretta (Klosters und Vereina). Herzing ist durchaus Freilichtmaler. Keines seiner Werke ist im Atelier daheim gemalt. Seine Malwerkstatt, sein Atelier sind die Berge selbst. Herzing hat oft zu seinen Freunden und zu anderen Malern sich geäußert, daß er nicht verstünde, wie man daheim im unlebendigen Atelier wahrhaft und tiefgründig landschaftern könne; man begebe sich doch der Chance, die dem Landschafter allein die freie Stunde des unmittelbaren Erlebens draußen inmitten der Natur biete. Dürer habe gesagt, die Kunst sei schon in der Natur drinnen, man müsse sie nur herauszuholen verstehen. Nun, Herzing vermag jedenfalls die Kunst aus der Natur der hochalpinen Landschaft in einer fraglos glückhaften Weise herauszuholen als ein Freilichtmaler von eigenartiger, üppigster Schaffenskraft. Seine Schöpfungen entstehen durchwegs prima vista; meist auf Holztafeln, souverän im Vortrag, ohne Vorzeichnung; und alle „Zeichnung" ist nur aus dem Malerischen, aus der Farbe heraus dargestellt. Herzing ist ganz und gar Maler, Künstler der Farbe, ihr Diener und ihr Herr. Eigenartig ist seine Arbeitsweise. Sei es wo immer, überall ist es das Gleiche: Das große Erlebnis des Berges — die Schau, der Raum und seine architektonischen und malerischen Elemente — entzündet sein Schaffen und erfüllt ihn als die innerliche Aufgabe, so daß die Wahl des landschaftlichen Ausschnittes bewußt gar nicht die entscheidende Rolle für das zu beginnende Werk wird. Nur kurz verweilt er, den rechten Standort zu wählen; geradezu hastig und schier empört über die störrische Widerspenstigkeit dieser äußeren Hilfsmittel, ist schnell und nur aufs nötigte das Malgerät hergerichtet. Das Malen beginnt auf der Palette. Mit vielen kurzen Blicken in die Landschaft hinaus fängt er die vielen einzelnen Farbwerte in sich hinein und trägt immer zwischen zwei Blicken die Farben auf die Palette auf, verteilt sie und mischt sie in kleinen und größeren Posten je nach nötiger Wahl. So entsteht auf der Palette das Gemälde vorbereitet in einer genau angelegten Farbsammlung. Ist diese zusammengetragen, gut verteilt und die Werte ausgemischt und noch ein tiefer Blick in das Bild da draußen in der Landschaft in der schaffensbereiten Seele des Künstlers festgelegt, so getan und ist es damit noch einmal in seiner Ganzheit beginnt dann sofort und unfaßbar schnell der Farbvortrag auf die Tafel: Er malt jedes Gemälde in einem Zuge durch. Mit bewunderungswürdiger Standfestigkeit, Ausdauer, Kraft der Hingabe, physisch wie Psychisch, harrt er pausenlos viele Stunden vor der Staffelei in seiner Arbeit aus, bis sie beendet.
Die besondere Leistung Herzings — die Bedeutung seines Schaffens, durch die er mit bleibendem Wert eingehen wird in die Geschichte der alpinen Malerei — beruht erstens in der besonders stark und glücklich durchgebildeten Darstellung des Bergraumes, als den um eine spürbare Mitte vereinten Zusammenschluß von Tiefe, Weite und Höhe, und zweitens in der wohl über alles Bisherige hinausragenden, von anderen meist als Vorwurf des Schönen gemiedenen Darstellung des unendlichen Gipfelblicks — der Gipfelflur — in Fernblickbildern, die in ihrer Tiefe und erschütternden Eindringlichkeit schon seine „kosmischen" Landschaften genannt worden sind.
Man sieht hier Herzing auf Bahnen eine Entwicklung fortsetzen, die ein Segantini, wenngleich auch mit ganz anderen maltechnischen Mitteln, und ein Hodler begonnen haben, letzterer mit den Landschaften, die er kurz vor seinem Tod als seine nächsten, aber nie ausgeführten Pläne bezeichnete, Landschaften, die er „paysages planétaires" genannt hat.
Würde man heute die zehn Jahresausstellungen zu einer Gesamtausstellung dieses Malers vereinigen, so würde eine Herzing-Ausstellung von rund 500 Werken sich darbieten. Daß bei einer solchen üppigen Fülle — jährlich rund 50 Arbeiten, alle draußen in der Natur, viele oben im Hochgebirge, vor den Klubhütten, auf den Gletschern, am Grat, auf dem Gipfel, unmittelbar geschaffen — nicht sämtliche Werke alle Fähigkeiten des Künstlers bestätigen, wer wollte dies bei einer so ganz aus der Natur, aus dem Natürlichen heraus schaffenden Urkraft fordern?
Ein extensiver Mensch dieser Schaffensart darf wohl verglichen werden mit der Natur selbst, die verschwenderisch erzeugt — alles echt und wahrhaftig zwar, doch alle Elemente vereint nur in einer hohen Auswahl darbietet — bei Mensch, bei Pflanze, Tier und — Wolke.
So ragen aus dieser großen Reihe einzelne Werke, aber auch einzelne Gruppen seiner Schöpfungen hervor als die glücklichste Vereinigung alles dessen, was dieser Maler unter den alpinen Landschaftern zu geben hat. Das sind erstens alle seine Fernblick- und Bergraumdarstellungen, die er auf dem Languard schuf und die als die kosmische Gruppe bezeichnet werden könnten.
In zweiter Linie stehen die Darstellungen zweier Berge, zweier Bergindividualitäten, die er mit unvergleichlicher Hingabe und mit erstaunlicher Aufnahmebereitschaft gestaltet hat: Palü und Matterhorn. Jeden dieser zwei Berge hat er über 30mal gemalt. Nie ist es die Gestalt, das Figürliche allein, sei es bei beiden noch so magisch, noch so bannend, sondern darüber hinaus ist es der Bergraum, das große Ganze des Raumes, zu dem der Berg gehört, dessen Ausdruck er ist. Das „Kosmische" ist auch hier spürbar. In diesem Jahre, wiederum mit über 40 Arbeiten, scheint das Schaffen Herzings nach zwei Seiten einen weiteren Schritt in der Entwicklung getan zu haben: Deutlich ist ein dichteres Malen im Farbvortrag zu sehen und dennoch im Ganzen des Aufbaues, der Komposition und der Auswahl der dargestellten Einzelteile innerhalb des Bildes ein stärkerer Zug zur Vereinfachung zu spüren.
Die diesjährige Ausstellung zeigte Blicke vom Längisgrat bei Gletsch, teils gesehen gegen Westen, also in die Südostgruppe der Berner Alpen, teils gegen Südwesten, also in die Talflucht des Rhoneverlaufs. Eine Abendlandschaft mit dem Blick in die sinkende Sonne ist besonders eindrucksvoll. Sie zeigte ferner u. a. mehrmals das Matterhorn, teils von Zermatt aus als ganz unbändig großer, alles Kleinleben der Nähe überragender, plötzlich aus den Wolken heraustretender Koloß, teils vom Riffelsee oder vom Gornergrat aus als der einmalige, einsame Gigant in einem unbeschreiblichen, gleichsam mit dem Widerhall der überirdischen Sphären erfüllten hohen, blauen Himmelsraum: vollendet „bergräumlich" gemalt.
Doch auch die stillere, menschlich nähere Bildwelt, die Stunde der gebundenen Naturbetrachtung ist in mehreren Werken eindeutig und wohlgefällig gestaltet und dargestellt. Eine „Schlagschatten-Parade" auf einer Wiese bei Winkelmatten entlang einer Reihe jener typischen Walliser Holzhütten zeigt den hellen Mittag, und auf einem anderen Bilde zwingt der Blick über die Kapelle von Winkelmatten hinauf zu den letzten verklingenden Strahlen am Täschhorn und Dom zu der gleichen andächtigen Stimmung des Abschiednehmens und der Verklärung eines klaren, nun in Kühle und Dunkel versinkenden Sonnentages, aus der dieses Werk geschaffen wurde.
Aus der Schweizer Silvretta, der Bergwelt von Klosters in Graubünden, hat er u. a. ein eigenartiges Werk herabgebracht, auffallend durch die schroffe Berggestalt des Ungeheuerhorns, über das in steilen Strahlen das hohe Sonnenlicht durch den morgendlichen Dunst des Bergraumes herabfällt, eine andachtsvolle Stunde, eine eindrucksvolle Schau!
Wie dieses Werk so auch die anderen — und wie die Werke aller vorausgegangenen zehn Jahre, so auch die diesjährigen: Alle sind sie Zeugnisse eines ehrlichen Schaffens aus innerem Zwang und aus innerer Berufung — Zeugnis eines wahrhaftigen Respekts vor der Natur und vor deren Gesetzen, die auch für die künstlerische Abstrahierung und Gestaltung unleugbar und unverrückbar sind. Nie hat Herzing in seiner ganzen bisherigen Schaffenszeit nach all den Modeströmungen geblickt, ist keinem der vielen „Ismen" erlegen, keiner Spekulation und Konjunktur hat er seine „eigentliche" Kunst geopfert, keiner Tüftelei und keinem Kunstschmus ist er gefolgt. Er hat es nie nötig gehabt, sich „umzustellen" oder „zurückzufinden" — eine Entwicklung hat wohl auch er gehabt, wie jeder echt und wahrhaft strebende Künstler — aber in seiner Malgesinnung blieb er sich von Anfang bis heute treu und in dieser der gleiche: im Gegenstand, im Vortrag, in der Form und in der Technik ist er gleicherweise verständlich und allgemein dem natürlichen Empfinden nahe. Die alpinistische Welt im besonderen hat die erfreuliche Aufgabe, dem weiteren Schaffen dieses großen deutschen Künstlers rege Aufmerksamkeit zu widmen.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1935, Seite 34-35


Hanns Herzing, von dem das farbige Titelbild im Aprilheft des „Bergsteigers" stammt, vollendete am 6. März sein 50. Lebensjahr. Der Künstler hat sein Keim auf dem hohen Elbufer bei Dresden. Das Auge schweift hinüber über das Elbtal zu den Bergen des Elbsandsteingebirges und auf den Kamm des Erzgebirges. Diese Gebirge und die sudetendeutsche Landschaft Kaspar David Friedrichs hat Herzing oft durchwandert und dort zahlreiche Motive für sein Schaffen gefunden. Vornehmlich aber sind es die Alpen, denen seine ganze Liebe gilt. Bernina und Palü, Vereina, Bergell, Längisgrat und das Hochwallis hat er in seinen Bildern festgehalten. Besonders das Matterhorn, das wiederholt sein Bergsteigerziel war, hat er häufig dargestellt. Jedes seiner Werke ist in der Natur entstanden und gibt das wieder, was er in ihrem Anblick empfunden hat. Selber ein kraftvoller und urwüchsiger Mensch, hat er ein starkes Empfinden für das Heroische der Berglandschaft. Nicht die lieblichen Täler reizen ihn, seine Sehnsucht ist die Welt der Gipfel und der Gletscher. Ihr fühlt er sich verbunden. In ihr klingen in seiner Seele die Akkorde auf, die er in Farben zum Ausdruck bringt. Bei kaum einem anderen Maler tritt die Verwandtschaft zwischen Musik und Malerei so in Erscheinung wie bei Herzing. So kann man ihn in seinem Dresdner Atelier antreffen, wie er inmitten seiner Bilder am Flügel sitzt und sein Erleben sich von der Seele spielt. So ist es auch zu verstehen, warum er seinen Bildern so gerne Namen aus der Musik gibt: „Symphonie der Berge", „Adagio", „Harmonischer Abklang" usw. Möge ein gütiges Geschick ihm noch viele Jahre eines reichen Schaffens bescheren, zur Freude aller Freunde der Berge!
Dr. A. P.
Quelle: Mitteilungen des Deutschen Alpenvereins, Deutscher Bergsteigerverband im NS. Reichsbund für Leibesübungen 1939-40, Heft 7, Seite 114-115

Quelle: Deutsche Alpenzeitung 1942, Seite 84 f

Quelle: Mitteilungen des DAV 1950, Seite 37 (siehe Anhang)

Bergmaler Hanns Herzing — 65 Jahre.
Am 6. März feierte der weit über Deutschlands Grenzen bekannte akademische Hochgebirgsmaler Hanns Herzing seinen 65. Geburtstag. Das Lebenswerk des Dresdner Malers, das zusammenfassend gesagt der „Landschaft der Berge" gilt, und zwar im europäischen Raum, hat durch seine Ausstellungen in Dresden und anderen Städten und Ländern Zeugnis gegeben von sei￾nem reichen Schaffen. Sein internationaler Ruf beruht auch auf der großen Zahl der farbig reproduzierten Werke, die in alle Erdteile gingen. Bedeutende Verlage, wie Hanfstaengl, Seemann, Kupfer & Herrmann, Schreiber, Kolbe, Trau & Schwab, Oehler, Verlag der Kunst usw., haben sich um die Publikation seiner Werke in guten Wiedergaben bemüht.
Die Sprache seiner Kunst ist immer eine klare und eindeutige gewesen, vom Anfang seines Schaffens. Die tiefe Naturverbundenheit des Künstlers, gleichgültig, ob es sich um Berge, Menschen, Blumen oder den Begriff allen Daseins handelt, ist immer positiv zum Leben eingestellt, und das ist der enge Kontakt, der ihn mit dem Kunstgelehr￾ten und dem Volke in gleichem Maße verbindet.
Wer einmal Gelegenheit hatte, die Gästebücher seiner Ausstellungen durchzublättern, staunt über die begeisterten Eintragungen von Werktätigen bis zum höchsten Geistesarbeiter.
Dr. G.
Quelle: Der Bergsteiger 1954-55, Heft 7 April 1955, Seite A 108

Quelle: Der Bergkamerad 1959/60, Seite 394 (siehe Anhang)

Quelle: Der Bergsteiger 1959/60, Seite 334f

Geboren am:
06.03.1890
Gestorben am:
17.02.1971
application/pdf WIKIHerzing Hans - BK 1960-12-März.pdf
application/pdf Herzing_Hanns_-_DAV_Mitteilungen_1950-3_Seite_37.pdf