Grimm Walter
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Biografie:
GRIMM WALTER
Walter! Neun Jahre sind es nun, seit dem Tag, an dem uns die grausame Nachricht erreichte. Seit dem Tag, an dem wir unsere Arbeitsstätten verließen und uns trafen, um die Wucht des Ereignisses gemeinsam besser ertragen zu können. Seit dem Tag, an dem ich in mein Tourenbuch schrieb: "Walter ist tot! Er war unser Bester und ein guter Mensch. In unserem Kreis herrscht lähmendes Entsetzen und ich weiß nicht, wie es weitergehen soll!" Man sagt, daß die Dinge im Laufe der Zeit verblassen, daß sich alles perspektifisch verkleinert. Dies trifft auf Deine Person nicht zu - ich sehe Dich heute noch so klar wie damals - so stark war der Eindruck, den Deine Persönlichkeit auf mich machte und in vielen Gesprächen mit Deinen Freunden erfuhr ich, daß es ihnen gleich erginge.
Ich sehe Dich vor mir voller Gegensätze, den nervenstarken, eisenharten Naturburschen, der beim Klettern die Freunde manchesmal aus schier ausweglosen Situationen geführt hat und den sanften jungen Mann, der einem Freund einmal verriet, deshalb Gärtner als Beruf gewählt zu haben, weil er die Blumen so gern hätte; den Mittelpunkt unserer Besäufnisse beim Klang von Seppl's Klampfe und den tiefreligiösen Menschen, der oft eine schöne Tour ausließ, weil er an diesem Sonntag in der Kirche auf der Orgel spielte. Beim Klettern warst Du für uns das Maß aller Dinge und der Inbegriff der Sicherheit am Berg. Zwei Wochen vor Deinem Tod hast Du mich gehalten, als mir im Ostriß der Martinswand ein Haken ausbrach. Du hast es in Deinem Tourenbuch nicht einmal erwähnt. Es war dies Deine letzte Tour in der Heimat, kurz bevor Du nach Frankreich fuhrst, um bei einem Bergfilm mitzuwirken und nicht mehr zurückkamst. Die letzte Tour, das letzte Glied einer langen Kette. Du hast in Deinem kurzen Leben so viele Touren gemacht, leichte, schwere und allerschwerste. Dir machte ein Klettersteig mit einem Anfänger genauso Freude wie die schwersten Touren mit einem guten Partner. Von der Fülle Deiner Bergfahrten auch nur einen Abriß zu erstellen, führe an dieser Stelle viel zu weit. Noch heute jedoch sprechen jene, die Dir am Berg begeneten, von dem Stil, in dem Du schwierigste Kletterstellen fast spielerisch bewältigtest. Noch mehr jedoch ist die Rede von Deinem Kameradschaftsgeist und Deiner Hilfsbereitschaft, die wohl jeder von uns irgendeinmal zu spüren bekam.
Walter! Der Schmerz ist erträglicher geworden, die Zeit hat ihre Wirkung getan. Wir sind seither oft beisammen gesessen und haben viele Gläser Wein auf Dich getrunken, wenn wir Dein Lied sangen. Auch in der Zukunft wirst Du immer zwischen Deinen alten Freunden sitzen, wenn die Klampfe klingt - aber nie mehr wird es sein wie früher, als wir noch Deine Stimme hörten!
Jürgen Gumpold
Quelle: Festschrift 70 Jahre Alpine Gesellschaft Gipfelstürmer 1981, Seite 57-58