Kobinger Karl

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Biografie:
verunglückt am Lauteraargletscher (Schweiz)

Karl Kobinger
Mein Begleiter auf vielen schwierigen Westalpenfahrten, der Seilgefährte vom Ruwenzori, ist in den Schweizer Bergen vermißt. Von einen Überschreitung des Schreckhorns und des Lauteraarhorns, die er im Alleingang ausführte, ist er nicht mehr zur Lauteraarhornhütte zurückgekehrt.
Diese Nachricht erreichte mich im Hauptlager der "Österreichischen Himalaya-Karakorum-Expedition 1956". Doch ich hatte die feste Hoffnung und den Glauben, der nächste Brief aus der Heimat würde die Bestätigung bringen, daß Karl zu einer anderen Hütte abgestiegen sei.
Als ich, aus dem Karakorum in die Heimat zurückkehrend, in Wien aus dem Zug stieg, hielt mir ein Freund ein Zeitungsblatt entgegen: „Karl Kobinger tot, was sterblich an ihm war, wurde von Schweizer Touristen am 17. September 1956 am Lauteraargletscher gefunden." Es war ein harter Schlag in all der Wiedersehensfreude nach glücklich beendeter Auslandsfahrt.
Ich konnte es nicht fassen: Kobinger, der jede Bergfahrt so gewissenhaft plante, der ruhige, sichere Bergsteiger, er soll nicht mehr sein? Die Rekonstruktion des Unglücksfalles ergab, daß er nicht einer eigenen Schwäche, sondern einer objektiven Gefahr zum Opfer gefallen war. Kurz nach seinem Biwak unterhalb des Schreckhorngipfels mußte ihn eine Lawine oder ein Schneebrett aus der Wand geworfen haben; er stürzte ungefähr 800 m ab und wurde von den nachfolgenden Schneemassen verschüttet. Seine Gesichtszüge waren friedlich, er hat von seiner Todesstunde nichts gewußt.
Groß war der Kranz seiner Bergfahrten, reich sein Bergerleben. In seiner 22jährigen Bergsteigerzeit war er in fast allen Gruppen der Alpen gewesen, doch seine Vorliebe hatte den Westalpen gegolten; er war auch auf fast allen Viertausendern gestanden, die er größtenteils auf schwierigsten Wegen erstiegen hatte. Ein kurzer Auszug:
Montblanc (Sentinelle Rouge); Lyskamm (direkte Nordwand), gesamte Überschreitung des Nadelgrates; Aletschhorn (Nordwand).
Im Jahre 1955 konnte Kobinger im Ruwenzorigebirge fünf Fünftausender ersteigen, zwei auf neuer Route, außerdem stand er auf beiden Kilimandscharogipfeln.
Bergsteigen erfüllte ihn neben seiner beruflichen Tätigkeit, und Bergsteigen war für ihn Lebensaufgabe und -inhalt. Seine idealistische, uneigennützige Einstellung beweist ein kleines Beispiel: Obwohl er nicht als Teilnehmer für die „Österreichische Himalaya-Karakorum-Expedition 1956" nominiert worden war, stellte er sich freiwillig als tatkräftiger Mitarbeiter während der wochenlangen Vorbereitungsarbeiten zur Verfügung. Jede freie Minute verbrachte er im Expeditionsdepot, und er nahm sich sogar Schreibarbeit mit nach Hause. Für bergsteigerische Pläne war Kobinger bereit, alles zu geben und zu opfern. Die Berge des Himalaya waren sein großes Ziel, sein höchster Wunsch; sollte es ihm nicht vergönnt sein, dorthin zu kommen, so wollte er wenigstens mithelfen, daß die anderen Kameraden das Ziel erreichten.
Auf dem kleinen Friedhof von Guttannen, inmitten seiner geliebten Berge, liegt Karl Kobinger begraben. Seine vielen Freunde und Bergkameraden werden, wenn sie Fahrten in das Berner Oberland führen, seine letzte Ruhestätte besuchen und an seinem Grabhügel besinnend verweilen.
Sein Erdendasein ist beendet, wie Segantini es in seinem großen Tryptichon aus-drückte: der Kreislauf des, Lebens ist geschlossen. "Werden - Sein - Vergehen." Aus Staub bist du geworden, zu, Staub wirst du wieder. Die einen nennen dies Ablauf oder ewiges Walten der Naturgesetze, die anderen göttliche Fügung, doch für alle gilt das gleiche, der höhere Wille geschah, und kein Mensch kann sagen, wann für ihn die letzte Stunde schlägt.
Besonders hart hat dieser Schicksalsschlag seine Gattin getroffen; sie muß nun das traurige Los, das schon manche Bergsteigerfrau ertragen mußte, ebenfalls auf sich nehmen. Sie steht in ihrem Lebenskampf allein, nur das Gedenken und der Geist, in seinem Sinne zu wirken, hält sie aufrecht und gibt ihr die Kraft, dieses Leid zu ertragen.
Wir, seine Freunde und Bergkameraden, verharren mit seiner tapferen Frau in tiefer Trauer um diesen bescheidenen, idealistischen Bergsteiger, der mitten aus seiner aktiven Bergsteigerzeit zur letzten Fahrt abberufen wurde.
Die Berge sind einmalig schön, sie schenken uns unvergeßliche Stunden, doch manchmal sind sie auch unbarmherzig.
Ing. Fritz Moravec
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1957, Folge 1292, Seite 82-83


Gestorben am:
17.09.1956