Kulhavy Ernestus

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Biografie:
Ing. Ernestus Kulhavy
* 31. Mai 1924 in Hirtenberg, NÖ. — (+) 16. Jänner 1982 bei Wimpassing, NÖ.
Der das Leben eines bekannten lieben Menschen abschließende Tod wird größtenteils eine seelische, rein gefühlsmäßig zu behandelnde Aufgabe für die Beurteilung durch seine Mitmenschen sein. Wenn nun dieser Gang aus dem Leben ganz plötzlich erfolgt, dann ist er umso weniger mit dem Verstand zu erfassen. So war es mit meinem doppelten Klubkameraden Ing. Ernstl Kulhavy, der bei einem Verkehrsunfall im Raum von Wimpassing bei Ternitz, in den der von ihm gesteuerte Kraftwagen infolge einer Verkettung von mehreren widrigen Umständen verwickelt wurde, jäh aus unserer Mitte gerissen wurde.
Als geborener Niederösterreicher machte er die Lehrzeit in seinem Beruf als Feinmechaniker von 1939 bis 1942, worauf er zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Sofort bei Kriegsende im Jahre 1945 ging er wieder ins Berufsleben. Schon im Jahre 1949 trat er bei der Fa. Siemens ein, bei der er bis zu seinem Tod bleiben sollte, und stieg in den 32 Jahren seiner dortigen Tätigkeit bis zum Sicherheitstechniker der Firma auf, nach einer Externisten-Reifeprüfung längst zum Ingenieur geworden.
Das Spezialgebiet der Sicherheitstechnik in seinem Beruf entsprach auch einem bestimmten Teil seiner bergsteigerischen Betätigung: er war ein hervorragender Aus-bildner von Bergsteigern in den von ihm in den Jahren 1964 bis 1981 geleiteten Lehrgängen der Bergsteigerschule des ÖTK. Was wäre bei der bergsteigerischen Ausbildung erstrebenswerter, als den heranreifenden Schüler zur stärksten Beachtung aller Grundsätze zu bringen, die eine größtmögliche Sicherheit gewährleisten! Als staatlich geprüfter Lehrwart galt sein Wort viel im Kreis von Bergsteigern, die sich für das Können anderer Bergsteiger verantwortlich fühlten. Es muß einmal gesagt werden, wie wichtig es ist, wenn bergsteigerische Ausbildner einen beträchtlichen Teil ihrer für das Bergsteigen zur Verfügung stehenden Zeit der Ausbildung anderer widmen, wobei es natürlich vorkommen muß, daß sie gewisse Steige und Anstiege immer wieder begehen; sie bringen also ein wirkliches Opfer, während bei Bergsteigern, die das Bergsteigen ganz nach ihren persönlichen Absichten betreiben können, diese fürsorgliche Widmung von Mühe und Zeit an die Bestrebungen anderer Bergkameraden fehlt.
Die bergsteigerische Laufbahn unseres lieben Kameraden Kulhavy begann gleich nach dem Zweiten Weltkrieg. Da trat er auch 1948 beim Österreichischen Touristenklub, dem er den größten Teil seines vereinsmäßigen Wirkens widmen sollte, als Mitglied ein, in Kürze
auch in dessen Bergsteigergruppe, in der er bei seinem Ableben stellvertretender Leiter war. Im Jahre 1956 führte ihn sein Weg auch in unseren Alpenklub. Diese Zugehörigkeit zu zwei alpinen Vereinen war auch die Voraussetzung dafür, daß er in den letzten zehn
Jahren beim Verband alpiner Vereine Österreichs (VAVÖ) als Rechnungsprüfer tätig gewesen ist. — Diese drei alpinen Körperschaften kennzeichneten auch die Mehrheit der zahlreichen Trauergemeinde am 26. Jänner auf dem Baumgartener Friedhof, wo der 2. Präsident unseres ÖAK, Kamerad Erich Vanis, tiefempfundene Worte des Abschieds im Namen unseres ÖAK sprach, woran sich im gleichen Sinn Präsident Dr. Hans Bössmüller vom ÖTK schloß.
Neben ungezählten Anstiegen auf die Wiener Hausberge und in den Gesäusebergen war Kamerad Kulhavy besonders im Wilden Kaiser [Fleischbank-Ostwand, Christaturm-Südostkante, weiters Botzongkamin, Nordkante und (8. Begehung der) Westkante des Predigt-
stuhls, Leuchsturm-Südwand und Rittlerkante am Bauernpredigtstuhl] bergsteigerisch tätig, dann auch in den Sextener Dolomiten (Nordwand der Großen Zinne, Gelbe Kante der Kleinen Zinne und Preuß-Riß auf die Kleinste Zinne; den Nordwestgrat des Paternkofels
hat er zwölfmal begangen!). Auf dem Großglockner beging er den Nordwestgrat, den Lammer-Anstieg sowie den Meletzki-Grat. Neben einer Überschreitung der Glocknerwand gelang ihm die 1. Winterbegehung der Nordwand der Glocknerwand; weiters beging er auch die Nordwände des Romariswandkopfes und des Hochtenns. In der Montblanc-Gruppe konnte er neben einer Längsüberschreitung des Berges dessen Brenva-Flanke zweimal durchsteigen. Weiters gab es dort auch neben einem der schwierigsten Grate auf die Aiguille du Midi eine Überschreitung der Aiguille Verte über die Nordostwand und das Whymper-Couloir, schließlich noch die Dent du Géant und (zwölfmal) den Rochefort-Grat.
In den Walliser Alpen bewältigte er den Arbengrat auf das Obergabelhorn im Auf- und Abstieg, auf das Matterhorn empor über den Zmuttgrat. den Hörnli-Grat hinauf und herunter. Eine bleibende Erinnerung war ihm, das weiß ich aus seinem eigenen Mund, eine Überschreitung der stolzen Meije im Dauphiné.
Auch über Europa hinaus führte ihn sein bergsteigerischer Leitstern: Im Jahre 1956 war er Teilnehmer an der von unserem Kameraden Karl Hönigmann geleiteten Kundfahrt in das östliche Anatolien, in die Bergwelt des Yedi Göl, Demir Kasyk und Durasan. — Zwei Jahre
später sollte der Kaukasus Schauplatz von bergsteigerischen Erfolgen Kulhavys sein: Neben einer von ihm verzeichneten Überschreitung des Jiriktschatt und Ersteigungen des Gumitschi Tau sowie (mit Schiern) des Elbrus sind hervorzuheben die Nordwand des Pik
Schirofsky und der gewaltige Uschba über den Nordgrat im Auf- und Abstieg. — Kulhavys Anteil am Ergebnis der Österreichischen Dhaula-Himal-Expedition 1963, der Auffindung eines gangbaren Zustiegs über einen 6000 m hohen sperrenden Vorbau, muß hier anerkennend festgehalten werden; blieb auch dieser Kundfahrt der Enderfolg auf die Gipfel des Dhaulagiri II oder III durch ungünstiges Wetter und Erkrankung von Sherpas versagt, so ermöglichte sie doch den späteren Erfolg anderer Unternehmungen.
Dieser erinnernden Darstellung des bergsteigerischen Lebensweges unseres Kameraden Kulhavy muß noch beigefügt werden, daß er ein ganz hervorragender alpiner Lichtbildner war und daß er die ernste Musik sehr liebte, was sich besonders bei der Eröffnung von Vorträgen durch ihn öfters zeigte. Wir umreißen daher sein Hiersein bei uns mit der bekannten Zusammenfassung: Arbeit — Musik — Berge, ein Leben. Wann immer wir uns dieser drei Zweige eines Menschenlebens bewußt werden, dann ist auch die Erinnerung da an unseren Kameraden und Freund Ernstl Kulhavy!
Robert Wisch
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1982, Mai/Juni, Folge 1443, Seite 61-62


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31.05.1924
Gestorben am:
16.01.1982