Mayr Otto Dr. (München)
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Biografie:
Dr. jur. Otto Mayr (+)
Am 1. Juli d. J. starb in München der k. Oberlandesgerichtsrat Dr. Otto Mayr. Mit ihm ist eine Fülle vortrefflicher Menschlichkeit zu Grabe gegangen. Solch ein Wort liest sich schwer. Aber zum Glück wissen wir, daß idealische Eigenschaften nicht verwehen wie Staub im Winde, sondern daß sie fortwirken auf Generationen.
Und was wäre mehr geeignet, Beispiel und Anregung zu geben, als das Leben eines Mannes, der fest in Überzeugung, reich im Wissen, unermüdlich in der Arbeit und von reinster Humanität in seinem Wirken war? Es kann nicht die Aufgabe dieser Zeilen sein, den Verstorbenen in seinem Beruf zu schildern. Nur das eine mag gesagt sein, daß er, der es von Jugend auf aufs ernsteste mit seinen Studien nahm, die er über das gewöhnliche Maß hinaus in Paris und London vertiefte, ein Richter war mit den besten Eigenschaften eines solchen, mit dem über alle Paragraphen hinausreichenden sicheren Rechtsempfinden, das sein ganzes Wesen durchdrang. Aber wo wir die Summe eines Lebens ziehen, da bildet der Beruf schließlich doch nur eine Teilerscheinung. Das Menschentum im großen und ganzen ist es, das den Ausschlag gibt.
Ein Patriot feurigster Art, gediegen in seiner politischen Basis, frei im Denken, unerschrocken im Worte, von Menschenliebe beseelt, so stand Otto Mayr vor uns. Und was zu ihm vor allem hinzog, das war seine innige, kindliche Liebe zur Natur. Jedes Zeitalter hat mehr oder weniger sein eigenes Naturempfinden; dem unsrigen ist der Stempel des „Exzelsior" aufgedrückt. Und so ist es nicht zu verwundern, daß Otto Mayr, dem das Gefühl für alles hohe und Schöne als freundliche Gabe vom Himmel zugekommen war, sich schon in jungen Jahren für die Alpen begeisterte. Manch einer mag sich gern daran erinnern, wie Otto Mayr in „kurzer Wichs" von seinen Berufsorten Traunstein und Rosenheim aus an freien Tagen den Chiemgau oder das Inntal durchstreifte, immer aufwärts strebend, nie sich satt schauend an den Wundern der Bergwelt. Besonders im Allgäu, seiner engeren Heimat, war er zu Hause und Mädelegabel, Hochvogel, Höfats sowie die Parseyerspitze waren seine liebsten Berge. Von jeder Bergfahrt kehrte er reicher zurück; alte liebe Arbeit war getan, erwünschtes neues Streben lag vor ihm. Aber nicht egoistisches Genießen allein sollten seine Bergerfahrungen bleiben. Uneigennützig stellte er seine Kenntnisse in den Dienst des D. u. Ö. Alpenvereins und sein Wirken in diesem kann zum Muster dienen. Einen nur einjährigen Aufenthalt in Eichstätt benützte er zur Gründung einer Sektion dortselbst, und als er nach Kempten berufen ward, da trat er an die Spitze dieser Sektion und erwarb sich in siebenjähriger, rastloser Arbeit unvergängliche Verdienste um deren Leben. Unter ihm wurde die Kemptner Hütte umgebaut und der Weg im Sperrbachtobel neu angelegt. Hervorragend war seine Tätigkeit im Rettungswesen, das er neu organisierte, wobei er mit ziehendem Beispiel voranging, indem er sich bei mehreren Einzelfällen aufopfernd und umsichtig beteiligte. Dabei blieb er immer der unermüdliche, unverdrossene Tourist. Wer ist, der besser als er die Allgäuer, Lechtaler und Tannheimer Berge kannte? Auch auf Gletschern und bei Wintertouren als Schiläufer fühlte er sich Meister, und Ötztaler, Stubaier, Hohe Tauern und Dolomiten sahen ihn unter ihren Besuchern. Jäh und fest stieg er, seine Gewandtheit im Turnen erleichterte ihm schwierige Aufgaben und mit alter Bescheidenheit und neuer Liebe kehrte er jedesmal heil zu Tale. Und was in seiner touristischen Tätigkeit hoch emporragt, das ist seine oft erprobte Kameradenliebe, seine felsenfeste Bergfreundschaft. Die Sektionen Allgäu-Kempten und Hochland, der er zuletzt angehörte, betrauern in ihm den vornehmen, aufrichtigen Freund, das Vorbild eines Bergtouristen.
Seit 1910 war Otto Mayr Mitglied des Hauptausschusses unseres Vereins und führte dort das Referat über das Rettungswesen, das ihm besonders zusagte und das er emsig verwaltete und ausbaute. Mit ihm zusammen zu arbeiten, war eine Freude, man konnte immer etwas lernen, fand immer das eingehendste Verständnis eigener Ansicht. So lange ihm sein Leiden die Anwesenheit bei den Sitzungen erlaubte, war er treulichst zur Stelle, und unvergessen ist die zuvorkommende Herzensgüte, die ihm, verbunden mit seinster Konzilianz, überhaupt zu eigen war, mit der er in seinem Korpshaus der Bavaria in München den Wirt machte, als der Hauptausschuß im Jahre 1914 dort tagte. Seine letzte Tat aber im Hauptausschuß war der Antrag, den er vor zwei Jahren bei der Sitzung in Dresden einbrachte: den künftigen Südlandsreisen der Deutschen, zunächst der Alpenvereinsmitglieder, neue Wege zu bahnen, indem der Verein auf die österreichischen Länder der Adria, auf Bosnien, Ungarn, Bulgarien und die Türkei hinweisen möge. Dieser Gedanke entsprang seinem patriotischen Herzen aus der tiefen Entrüstung über Italiens Verrat und aus Dankgefühl gegen die treuen Bundesgenossen. In Wort und Schrift vertrat er freimütig seine Anschauung, und noch in seinen letzten Lebensmonaten hatte er die Genugtuung, da er seinen bewährten Rat zu der nunmehr in der Hauptbücherei des Vereins eröffneten Ausstellung über die neuen Reisezielländer geben konnte.
In aufrichtiger Trauer standen wir am 3. Juli an seiner Bahre. Dort lag der stillgewordene, einst so lebens- und geistreiche Mann, der Typus männlich schöner Bildung, gefällt durch eine Jahre hindurch schleichende Krankheit. Der Schmerz der Gattin und dreier Söhne, die Abschiedsworte von Kollegen und Freunden konnten allein seinen Mannen sagen, daß er fortleben werde in Erinnerung und Dankbarkeit. Nicht zuletzt wird das der Fall sein beim D. u. Ö. Alpenverein, dem der Hingeschiedene so begeistert und treu zugetan war.
Die Lücke, die er in ihm ließ, wird allenthalben schmerzlich empfunden und nur der Gedanke kann uns über die beugende Gewalt der Stunde hinwegheben: auch sein Stern ging leuchtend nieder und leuchtet lange noch zurück.
Julius Mayr, Brannenburg.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1917, Seite 88-89
Gestorben am:
01.07.1917