Spitzl Rudolf
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Biografie:
Rudolf Spitzl (+)
Medizinalrat Dr. Franz Spitzl, Saalfelden, schrieb uns:
Unser einziger Sohn Rudolf, Mitglied Ihres Klubs, ist im Dezember 1948 an den Folgen seiner schweren Kriegsverletzung und der daraus entstandenen seelischen Erkrankung gestorben.
Seit dem Verlust seines linken Beines im Kaukasus war sein Gemüt verdüstert, und er litt an schweren seelischen Depressionen und unter dem Gefühle seiner körperlichen Unzulänglichkeit gegenüber den Schwierigkeiten der äußeren Lebensumstände. Obwohl er mit unermüdlichem Fleiß seinem Studium oblag und mit nahezu heldenhaftem Streben gegen diese belastenden und bedrückenden Gefühle der Minderwertigkeit ankämpfte, was
seine außerordentliche Strebsamkeit in seinem Studium bewies, sowie die Tatsache, daß er trotz seiner schweren körperlichen Behinderung dem Sport treu geblieben ist und sich nicht geschlagen geben wollte, hat sich doch trotz aller vorübergehenden sonnigeren Tage im Dezember die Tragik seines Lebens in aller Stille erfüllt.
Seine ganze Liebe gehörte den Bergen seiner Heimat, und er lebte wieder auf, wenn er entweder auf den Schiern über die schneebedeckten Hänge derselben glitt oder mit Seil und Pickel mit lieben Bergkameraden oder seinen Schwestern in die Berge eilte. Da vergaß er all seine belastenden Gefühle, ward wieder froh und heiter, besonders, als er vor zwei Jahren mit einem Kameraden im Steinernen Meere in sechsstündiger Kletterei eine Erstbesteigung machte, so daß wir alle an eine allmähliche Wiedergenesung seiner Seele glaubten. Das Jahr 1948 aber brachte ihm Unglück über Unglück. Am 15. Februar erlitt er beim Schifahren in Saalbach einen Beckenbruch, am 1. Mai stürzte er — bei einer Partie in den Kalkkögeln als Alleingänger — ab und lag zwei Tage bewußtlos in Schnee und Eistrümmern; erst am dritten Tage schleppte er sich in die Adolf-Pichler-Hütte. Durch die dabei erlittenen Verkühlungen schloß sich auch noch eine Lungenentzündung an und obwohl all dies gut vorüberging, blieben diese Ereignisse nicht ohne Einwirkungen auf seinen psychischen Zustand.
Im Verlauf des Sommers verschlimmerten sich seine Depressionszustände, und am 30. Oktober verschwand Rudi plötzlich aus Innsbruck, und trotz aller Suchaktionen konnte keine Spur von ihm gefunden werden. Erst am 19. Jänner 1949 fand man in einem Heustadel bei Wattens in Tirol seine Leiche. Die gerichtsärztliche Obduktion ergab Tod durch völlige Erschöpfung und Entbehrung. In seelischer Verwirrung irrte er 40 Tage in den Tiroler Bergen umher, fand nicht mehr den Weg zu den Seinen und starb nach Aufzeichnungen in seinem Taschenkalender nach dem 8. Dezember 1948.
Es hat sich da wieder einmal in aller Stille eine Tragödie des Lebens abgespielt, von der nur das rein Äußere bekannt ist, während wir vom Leiden dessen, der ihr zum Opfer fiel, nur wenig wissen. Ich glaube, daß wir bei Invaliden, die nach einer Kriegsverstümmelung sich heldenhaft über die rein körperlichen Unzulänglichkeiten Hinwegsetzen wollen, immer wieder die schwere seelische Belastung übersehen oder zu gering achten, die sie uns in dem Bestreben verheimlichen, als körperlich vollwertig angesehen zu werden. Dieses stille Leid kann wohl niemand ermessen, der nicht selbst ähnliches erlebt hat, und das ist der Grund, warum uns das Verhalten solcher Personen oft so rätselhaft erscheint. Die ihm durch das Schicksal auferlegte Last des Lebens war für seinen Körper und seine feinfühlende Seele zu schwer, und er brach unter dieser drückenden Bürde zusammen.
Am 23. Jänner trugen treue Bergkameraden, Mitglieder der Sektion Saalfelden und des Bergrettungsdienstes, was sterblich an ihm war zur ewigen Ruhe im Friedhof seiner Heimat Saalfelden. Die von ihm so heißgeliebten Felsen des Steinernen Meeres und die Firne der Hohen Tauern halten ewige Wacht an seiner letzten Ruhestätte.
Dr. Franz Spitzl.
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1949, Folge 1245, Seite 106-107
Gestorben am:
12.1948
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