Demelius Ernst
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Biografie:
Am 28. Juli 1904 am Obergabelhorn abgestürzt.
Mitglied des Österr. Alpenklubs
Quelle: Archiv Proksch (Österr. Alpenklub)
Rektor Prof. Dr. Ernst Demelius (+)
Der Sommer ist vergangen, still und einsam ist es wieder drinnen in den Tälern. Und manch einer ist nicht mehr zurückgekehrt von jenen Höhen, ist verblichen mitten in Sonnenglanz und Firnenpracht. Erbarmungslos haben die Berge ihr Urteil gesprochen über manch junges Leben, sie, die tausend anderen neue Kraft und frischen Lebensmut gegeben haben. Doch um keinen, der in den Bergen bei stolzem, männlichem Handeln gefallen ist, trauern wir mehr als um den Rektor unserer Universität, um Prof. Demelius. Nicht leichtsinnigem Wagen fiel er zum Opfer. Niemand hätte, bei gleichen alpinen Qualitäten, den Sport vorsichtiger, maßvoller betreiben können als er. Sport? Dem Verstorbenen ist das Bergsteigen kein Sport gewesen, kein ehrgeiziges Moment leitete ihn auf seinen Bergfahrten, nichts schien ihm verächtlicher, lächerlicher als das Haschen nach alpinem Ruhme. Und seine vornehme, fein ästhetisch empfindende Natur konnte mit den modernen sportlichen Strömungen nie sympathisieren. Ihm war das Bergsteigen der Kultus einer eigenartigen Schönheit, ob sein Weg jetzt über grünen Almenboden oder über Fels und Eis führte. Grundsätzlich unternahm er keine Touren, bei welchen die Schwierigkeit das Genußvermögen vermindert hätte. Für ihn war das Bergsteigen keine Arbeit, sondern eine Kunst, freilich in anderem Sinne, als die modernen Felsmatadore diesem Begriff beimessen. So war es auch nicht alpiner Ehrgeiz, der ihn in diesem Sommer nach einem an Arbeit überreichen Jahre in die Walliser Berge führte, welchen seit jeher seine Bewunderung gegolten hatte. Wahrhaftig tragisch ist das Schicksal, das ihn dort getroffen hat. Die erste Fahrt galt dem Matterhom. Das Wetter vereitelte die Besteigung. Doch ist es nicht in letzter Linie seinen Bemühungen zu verdanken, daß zwei führerlose Bergsteiger, die nicht mehr vom Matterhom absteigen konnten, von seinen Führern Josef Tembl und Peter Dangl gerettet wurden. Und sein gerechter Unmut galt den anwesenden italienischen Führern, die sich erst nach langem Zureden von seiner Seite zur Mithilfe entschlossen. Es ist bezeichnend für die Gesinnung des Verstorbenen, daß er sich nach diesem Vorfalle entschloß, trotz des guten Wetters auf das Matterhom zu verzichten und lieber einen leichteren Berg zu wählen. Die Wahl fiel auf das Obergabelhorn. Spielend bewältigte er die Kletterei. Auf meine Frage, wie ihm die Tour "gefalle, rief er: ?Herrlich, eine ganz unvergleichlich schöne Tour!" Wenige Augenblicke später weilte er nicht mehr unter den Lebenden. Nicht die eigene Tüchtigkeit, nicht die Tüchtigkeit Josef Tembls konnten schützen gegen die Gefahr des Steinschlages, die an diesem Punkte auch der Vorsichtigste nicht gefürchtet hätte. Es war ein Tod ohne Leiden, mitten heraus aus höchster Lust und Freude.
Selten wohl dürfte ein alpines Unglück in so weiten Kreisen schmerzliche Teilnahme geweckt haben als der Tod Prof. Demelius'. Schwer hat dieser Verlust die Universität Innsbruck getroffen, die ihm wenige Tage vor seinem Tode zum zweitenmale die Rektoratswürde übertragen hatte. Und was die alpine Sache verloren hat, das weiß wohl der Akad. Alpenklub zu würdigen, der in Prof. Demelius einen seiner wärmsten Gönner verloren hat, am besten aber diejenigen, die mit ihm seit Jahren auszogen zu fröhlichen Fahrten. Sie sind nicht häufig, die Männer, die über dem Getriebe des Sportes stehen und nur der Schönheit, des ästhetischen Genusses wegen ins Hochgebirge wandern. Die Bedeutung dieser Männer ist nicht zu bemessen nach der Zahl oder der Qualität der Touren, sondern nach dem Einflüsse, den sie auf ihre Begleiter auszuüben verstehen. Nicht jugendliches Stürmen lebt in ihnen, sondern mit ausgeglichenen, harmonischen Empfindungen betrachten sie die Schönheit der Natur auch dort, wo sie ihnen in der großartigsten Form entgegentritt ? im Hochgebirge. Es sind vornehme Naturen, die sich schwer erschließen. Doch wem sie sich erschließen, der wird bleibenden Gewinn daraus ziehen.
Und so denke auch ich, der Genosse auch auf der letzten Fahrt, zwar mit Wehmut, aber auch mit tiefer Dankbarkeit an die herrlichen Stunden zurück, die ich mit dem Verstorbenen im Gebirge erlebt habe.
H. v. Ficker
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1904, Heft 18, Seite 216
1900 1.Beg.Parzinnspitze-Nordgrat mit Überschreitung,2613m, (Lechtaler Alpen)
1900 1.Beg.Parzinnspitze-Nordwestgrat über den Plattenpfeiler,2613m, (Lechtaler Alpen)
1900 1.Beg.Kleine Schlenkerspitze-Westwand, (Lechtaler Alpen)
Gerd Schauer, Isny im Allgäu
Gestorben am:
28.07.1904