Roth Hermann
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Biografie:
Hermann Roth (+) (12. Oktober 1865 — 7. Mai 1950).
Eine traurige Kunde kam über unsere Bergsteigerstadt München durch den Heimgang unseres lieben und allverehrten Mitglieds Hermann Roth! Bis ins hohe Alter erfreute er sich bester Gesundheit und geistiger Frische, bis vor einem halben Jahr ein schweres Leiden ihn ans Bett fesselte. Von ihm ist er nun erlöst. Am 7. Mai 1950 wurde unser lieber Bergfreund abberufen. Es wäre unangebracht, mit Gott und der Welt zu hadern, wenn ein seltner Mensch in so gesegnetem Alter den letzten Weg antreten muß. Dennoch ist es hart, sich zu bescheiden, daß wir einen Hermann Roth für immer verloren haben.
Draußen in Moosach bei Grafing, wohin ihn der Bombenkrieg aus München vertrieb, ihn, der ein Opfer der ungerechten Abwertung der Altersrente wurde, blieb Hermann Roth bis zu seiner Krankheit, ja darüber hinaus immer noch der künstlerische Mittler seiner in sechs Jahrzehnten liebgewonnenen Stadt München. Trug er doch durch sein Wirken dazu bei, daß sie zu einem Weltbegriff wurde. Es gab kaum ein wichtiges Ereignis im Münchner kulturgeschichtlichen Leben, worüber nicht seine gewandte Feder berichten mußte. Sein nie versagendes Personengedächtnis, sein überreiches Wissen waren ausschlaggebend für seine glänzende Berichterstattung. Wer kann die Festspiele, Festgedichte, Festschriften, die Prologe mit dem lustigen Münchner Kindl auch nur annähernd aufzählen? Er war nicht nur Prologdichter, sondern auch Prologsprecher und Festredner und somit der organisatorische Mittelpunkt des gesellschaftlichen wie auch des karitativen Lebens unsere Stadt, die ihm vom vierten Lebensjahr an Heimat war und blieb.
Über die umfangreiche, getreue Münchner Chronistenarbeit wird der „Verein Münchner Berufsjournalisten" noch berichten, da Hermann Roth zu den Mitbegründern des Verbandes zählte und bis zuletzt für deren wirtschaftliche und berufliche Inter-essen mit sichtbarem Ergebnis sich einsetzte. In seine ersten Journalistenjahre fiel seine beginnende Begeisterung für sportliche Erlebnisse. So machte er die ersten Faltbootfahrten auf der Isar mit, im Volksgarten stieg er mit dem berühmten Ballonfahrer Lattemann auf, der, während Hermann Roth den Ballon führte, erste Fallschirmabsprünge wagte. Auch an Parseval- und Zeppelinfahrten nahm er teil. Besonders trat er aber auch als Schützer der Naturschönheiten um München hervor, und in Anerkennung seiner Verdienste hat der Isartalverein einen der schönsten Wanderwege im Isartal „Hermann-Roth-Weg" benannt. Viele seiner Berufskollegen schätzten und ehrten nicht nur den treuen, gewandten, kenntnisreichen Chronisten, sondern auch sein ausgesprochenes Talent für humorvolle Poesie, die ihn berühmt machte. Sein vornehmer Humor wurde nie verletzende Satire oder beleidigender Witz. So prägte einmal ein geistreicher Beobachter das Wort: „Das eine seien zuckende Blitze und sein süddeutscher Humor ein schönes Wetterleuchten."
In einer Selbstbiographie schrieb Hermann Roth: „Poeta nascitur — der Dichter wird geboren — sagt der Lateiner, der wirkliche Journalist auch; der echte ist kein Mann, der nach berühmtem Ausspruch seinen Beruf verfehlt, sondern einer, der ihn gefunden hat. Keine Hochschule wird den wahren Journalisten bilden. Ich bin Autodidakt und darauf bin ich stolz. Und nicht minder darauf, daß mich meine Mitbürger offenbar gut leiden können, wenn ich auch bei den vielfach an mich gestellten Ansprüchen manchmal mit dem seligen Papa Geis sagen möchte: ,Es is a G'frett, es is a G'frett — mit der verflixten Popularität.' Von meinen drei Söhnen — einen konnte ich leider von Rußland nicht mehr erwarten, einer ist bedeutender Architekt und der dritte, Dr. Eugen Roth, erblich belastet, und ist mir eine besondere Genugtuung, daß er als Schriftsteller und Dichter sich einen Namen gemacht hat."
Trotz seiner Bescheidenheit war er auch ein richtiger Bergsteiger. Ich wurde Zeuge seiner Eignung bei der Jubiläumsbergfahrt auf das Totenkirchl mit Prof. Dr. Merzbacher und sechs anderen Seilgefährten. Hermann war hochbefriedigt über das Erlebte, hielt sich aber nur für einen Gelegenheitsalpinisten, der nie ein richtiger Bergsteiger werden könne — aus Zeitmangel. Er behielt nicht recht. Viele Berggipfel in den Ostalpen hat er bestiegen. Er machte den Auf- und Abstieg zum Ortlergipfel über die Tabarettawände, auf dem alten Weg in einem Tag. Watzmann-Mittelspitze, Göll, Untersberg im Winter, sind nur einige von den vielen Bergfahrten im vorgerückten Alter gewesen. Als 68er wollte er mit mir noch auf den Predigtstuhl im Kaiser. In der Angermannrinne traf uns ein schweres Unwetter. Wir mußten hinunter. Aber in Hinterbärnbad, als der Himmel wieder lachte und gerade noch Zeit war, waren wir wieder auf dem Kletterblock. Da war ich erstaunt, wie unser Junggebliebener die „Wandln" nahm. Wer mit ihm durch Bergtäler ziehen durfte, der erfuhr von seiner tiefen Liebe zur Schöpfung, und wie nachhaltig ihn die gewaltigen Naturkräfte ergriffen. Im Hochtal meinte er, der Mensch hat hier noch ein Bedürfnis mehr zu leben und sich wohl sein zu lassen, dankbar zu sein für so erhabene Stunden. Es war ein Glück, mit ihm zu wandern. Ich bin dankbar dafür, dies Glück genossen zu haben.
Für den Sommer 1945 war ein Ausflug auf die Vorderkaiserfeldenhütte geplant und „wenn's meine Hax'n aushalten, möchte ich gerne zur Strips hinüber". Eine Absage kam! „Die Füße sind hölzern und zum Berggang schlecht zu gebrauchen und der Schwindel hat auch mich erfaßt die Nase tropft, der Fuß wird kalt — Ja, ja, man wird bedenklich alt."
Was ihm der Alpenverein schuldet, was die Münchner Sektionen ihm zu verdanken haben, ist mit wenigen Worten niemals auszudrücken. Selbstlos, stets freudig, hilfsbereit zu jeder Stunde, ja mit Herzensgüte stellte er sich bei allen nur erdenklichen Anlässen zur Verfügung. Nahezu fünfzig Jahre wahrte er seiner Sektion München und somit dem Alpenverein die Treue.
Nun sind ihm die Augen geschlossen. Aber seine Welt und besonders wir Münchner werden ihn, einen Hermann Roth, nie vergessen.
Paul Hübel
Nicht in München, wo er solange mit sprühender Geisteskraft gewirkt, im abgelegenen Moosach, dein kleinen Dorf in Grafing, fand Hermann Roth die letzte Stätte. Alpine Dankbarkeit wüßte ihm auch hier das Grab zu zieren durch eine schlichte, ob ihrer Eigenart um so ergreifenderen Trauerfeier. Rundum blühende Bäume, kein Mensch sonst auf dem Friedhof als die alpinen Abgesandten Ludwig Aschenbrenner für die Sektion München, Paul Hübel für den Verwaltungsausschuß, und Bergwachtmann Gramminger. Die Dörfler arbeiteten auf ihren Feldern. Dafür aber hatte Schulleiter Max Hirschberger eine Begleitschaft herbeigebracht, die lieblicher kaum gewählt werden konnte, alle 'Klassen Moosachs: 70 Kinder. Da umstanden sie das Grab und horchten auf die Rede, die Paul Hübel voll Wärme im Namen aller hielt. Eine schönere Belehrung, was der Töte war und was er für den Alpenverein und die Bergwelt bedeutet hatte, wüßte ich in solcher Form schwerlich wieder.
E.F.H.
Quelle: DAV Mitteilungen 1950, Heft 6, Seite 92-93
Geboren am:
12.10.1865
Gestorben am:
07.05.1950