Heinricher Kurt
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Biografie:
Dipl.Ing.Kurt Heinricher (+)
Am 19.November 1974 ist unser Klubbruder Kurt Heinricher ganz unvermutet einem Herzschlag erlegen. Er wurde am 4.Juli 1890 als Sohn des Univ.Prof.Dr. Emil Heinricher in Innsbruck geboren, besuchte dort die Realschule und studierte an der technischen Hochschule in Wien Vermessungswesen. Schon als Schüler trat er dem Realalpenklub bei und nach der Matura ging er zum Klub, dem er bis zu seinem Tode treu geblieben ist. Am Klubleben konnte er sich durch sein Studium in Wien nur in den Ferien beteiligen, blieb aber sein ganzes Leben lang ein begeisterter Bergsteiger, der allerdings mehr Wert auf das Genießen der Naturschönheiten, als auf die Schwierigkeit seiner Besteigungen legte.
Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges melde¬te er sich freiwillig zum ersten Regiment der Tiroler Kaiserjäger. Während der Maioffensive 1916 gegen Italien war ich mit ihm in derselben Kompanie und da möchte ich eine Episode erzählen, die für die Gemütsart von Kurt typisch war.
Nach der Eroberung des Monte Priafora war unser Bataillon auf den Monte Ciove verlegt worden, der südlich von der Priafora liegt. Wir hatten einen mit Bäumen und Sträuchern bewachsenen Kamm besetzt, der, wie es zur Abgrenzung von Weideflächen üblich ist, mit einer aus Steinen aufgehäuften Mauer gekrönt war. Auf unserer Seite fiel der Kamm steil gegen das Tal ab, während er auf der anderen sich sanft gegen eine Hochmulde senkte. Die Italiener hatten einen Grat besetzt, der im rechten Winkel zu unserer Stellung verlief, sodaß die Lage der Stellungen einem großen T glich und sehr kompliziert war. Zur Erschwerung der Situation trug noch bei, daß von unserer Stellung aus gesehen halbrechts in einem Berg, der nicht allzu weit von uns entfernt lag, eine feindliche 7,5cm Gebirgsbatterie in Kavernen aufgestellt war. Eines Tages erhielten wir nach einer kurzen Artillerievorbereitung, bei der viele Schüsse zu kurz gingen, den Befehl zum Angriff. Die erste Kompanie überschritt die Mauer, ging dann links gegen die italienischen Stellungen vor. Dabei wurde sie nicht nur von den Stellungen, sondern auch fast von hinten durch die Batterie beschossen. Als erster Zug unserer Kompanie sollte ich vorgehen und lag hinter der Mauer in Bereitschaft. Dabei stellte ich fest, daß von der zuerst angreifenden Kompanie nur mehr wenige, die hinter einem riesigen Felsblock Deckung gefunden hatten, unverwundet geblieben waren. Außerdem wurde ich während meiner Beobachtungen jedesmal, wenn ich den Kopf etwas weiter hinausstreckte, mit einem Schrapnell begrüßt. Dabei wurde mir der Wahnsinn dieses Angriffes bewußt und ich erinnerte mich in der Offiziersschule gelernt zu haben, daß man, wenn man die Verantwortung für seine Leute nicht mehr übernehmen zu können glaubt, einen schriftlichen Befehl verlangen kann. Ich ging also zurück zum Hauptmann, der den Angriff leitete und bat um einen schriftlichen Befehl. Darauf reagierte er ganz aufgeregt und ließ sich die Situation von mir schildern. Er war ein schneidiger Kerl und ging mit mir in die Stellung, um sich selbst von der Lage zu überzeugen. Hinter der Mauer liegend steckte er seinen
Kopf hinaus und jedesmal kam prompt ein Schrapnell daher. Dabei sollten wir in ganzer Größe über die Mauer steigen und dann vorgehen. Er sah den Wahnwitz ein und sagte den Angriff ab. Als ich dann mit meinem Zug aus der Stellung abzog, traf ich Kurt, der mit seinem Zug nach mir angreifen sollte. Er erkundigte sich, was los wäre und als ich ihm erzählte, was geschehen war, sagte er in seiner langsamen Art zu sprechen: "Du Tolm du, jetzt habe ich schon mit dem Leben abgerechnet und jetzt ist's wieder nichts". So war Kurt. Später war er auch am Pasubio eingesetzt und erhielt mehrere Tapferkeitsauszeichnungen.
Beruflich war er fast immer mit Vermessungsarbeiten beim Wasserbau beschäftigt: Stubachwerk, Innbauleitung, Achenseekraftwerk und zum Schluß bei der Firma Swarovski in Wattens.
Heinricher war zweimal verheiratet und aus seiner ersten Ehe entstammten vier Söhne. In seinem höheren Alter war er durch sein schlechtes Gehör sehr behindert und wurde zum Schluß fast taub. Dadurch konnte er sich in einem größeren Kreis nicht mehr zurechtfinden und nahm deshalb nur mehr selten an Klubveranstaltungen teil. Desto größer war aber seine Anhänglichkeit an den immer kleiner werdenden Kreis seiner Kriegskameraden, die sich einmal im Monat in dem losen Verband der "Schwaren Oanser" treffen, dem auch mehrere Klubbrüder angehören. Fast bis zum Schluß hat er keinen Abend versäumt.
So nehmen wir Abschied von einem Klubbruder, der mit seltener Treue an seinen Freunden gehangen hat.
Fiducit!
Robert Mayr
Quelle: Akademischer Alpenklub, Klubnachrichten 1974, Seite 24-26
Geboren am:
04.07.1890
Gestorben am:
19.11.1974