Hoinkes Herfried

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Biografie:
Univ.Prof.Dr.Herfried Hoinkes (+)
Anfang April verstarb völlig unerwartet, mitten aus der Arbeitsfülle eines erfolgreichen Wissenschaftlers heraus, unser Klubbruder Friedl Hoinkes. Für ihn war es ein schneller und schmerzloser Tod, für seine Frau, seine
beiden Söhne, seine Freunde und Kollegen ein erschütterndes und schmerzvolles Ereignis. Die internationale Anerkennung seiner Leistungen als Glacialmeteorologe und Klimatologe, die zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen, die ihm zuteil wurden, sind die äußeren Zeichen seines Wirkens. Die Ideen der Messung und Berechnung des Massenhaushaltes von Gletschern und deren Auswirkungen auf die Klimaschwankungen werden in der künftigen Forschung auf diesem Gebiet nicht mehr wegzudenken sein. Hoinkes war ein Wissenschaftler von hohem Rang. Dank der Tatsache, daß er bereits mit 40 Jahren (1956) Vorstand des Institutes für Meteorologie und Geophysik der Universität Innsbruck wurde und dank seiner ausgezeichneten bergsteigerischen und schiläuferischen Konstitution, konnte er persönlich Projekte und Arbeiten durchführen, die enorme Härte und Ausdauer im Ertragen von körperlichen Strapazen erforderten. Dazu kam sein Organisationstalent in der langfristigen Planung und in der Beschaffung der Mittel. Hoinkes hatte das seltene Glück, in seinem Beruf Naturwissenschaft und Bergsteigen vereinigen zu können.
Das Thema "Schnee und Eis" - er war lange Zeit Präsident dieser weltweiten Organisation - hat ihn in viele Erdteile geführt. Erinnert sei an sein Südpoljahr 1957. Viel früher schon war er viele Wochen am Hintereisferner, damals in einem primitiven Zelt ohne besondere Ausrüstung gletschermessend tätig. Er kannte die Gletscher der Alpen ebenso wie jene Alaskas oder Skandi-naviens. Stets bewahrte er seinen wachen Blick für die Probleme der Arbeit, verlor sich nie im Detail und versuchte immer wieder den großen Zusammenhang auf Grund exakter Einzelmessungen zu erfassen. Eine hohe Empfindsamkeit für die herbe Schönheit des Hochgebirges und die leuchtenden Farben der Täler und Siedlungen war ihm zu eigen. Dazu kam eine männliche Freude an der sportlichen Leistung, sei es, daß ihm eine seltene Begehung gelang oder er von einer genußvollen Abfahrt schwärmte. Fast scheint es mir, der ich in meinen Studentenjahren viel mit ihm unterwegs war, daß sein scharfer Verstand in stetem Widerstreit mit seiner Begeisterung stand, die er nach außen immer im Griff hatte.
Daß Friedl, der 1916 in Bielitz geboren wurde und die Hohe Tatra zu seiner viel gerühmten Bergheimat gemacht hatte, im Jahre 1937 nach Innsbruck kam, verdankt er unserem Klubbruder Heinz v. Ficker. Dieser war ein Kriegskamerad seines Vaters, sodaß durch Ficker sowohl das Fach "Meteorologie" als auch der Studienort beeinflußt wurden. So kam Hoinkes auch zum Klub, dem er zeitlebens ein treues, wenn auch gelegentlich kritisches Mitglied war. Ich selbst habe mich damals mit ihm eng angefreundet und als "Alpenfreund", wie wir uns scherzhaft titulierten, war er neben Siggi Rohrer mein bester Bergfreund. Mit ihm zusammen habe ich viele der klassischen Touren in den Kalkkögeln und im Karwendel gemacht; zahllose Schifahrten schlossen sich an. Noch heute besitze ich ein Paar 2.20 m lange Schier, die er mir einst geschenkt hatte. Später haben wir auch das Faltbootfahren begonnen und gemeinsam ein altes Boot erstanden. Bei meiner Heirat 1940 war er Trauzeuge. Im Kriege trennten sich unsere Wege. Er war bei der Marine und nahm nach allerhand Schwierigkeiten nach 1945 seine Arbeit am Institut wieder auf. Im Jahre 1949 hat er sich dort habilitiert.
Es verging kein Jahr, in dem wir uns nicht mehrmals trafen. Oft sind wir gemeinsam zum Stiftungsfest zur Pichlerhütte gewandert und einige Male noch hat uns bei der anschließenden Steingrubenkogel-, Nadel- oder Türme-Kraxelei das Seil verbunden. Oft hat er mir von seiner Arbeit erzählt, dem Geophysikalischen Jahr, der Akademie, der Universität, den Fragestellungen der modernen Gletscherkunde. Immer in gekonnter, rhetorisch glänzender Darstellung in seinem etwas harten schlesischen Mundarteinschlag. Bewundert habe ich seine Fähigkeit, sich auf die wesentlichen Punkte seiner Arbeit zu konzentrieren und sich nicht von Phantasievorstellungen oder Spekulationen leiten oder vom Tagesgeschehen, dem er oft in kühler Distanz gegenüberstand, beeinflussen zu lassen. Groß war sein Vergnügen an vollendeter Darstellung und gekonnter Formulierung. Am Wachsen und Werden seiner zwei Söhne hat er lebhaft Anteil genommen.
Noch im Herbst hat er mir Bilder und Literatur über die Ötztaler Gletscher überlassen und mich auf sein "Wochenendhaus" hoch über dem Hintereisferner eingeladen. Nun ist er nicht mehr!
Ich verlor, unvergessen wie einst und immer, einen Freund, mit dem ich fast 4 Jahrzehnte verbunden war. Der Klub ist um ein menschlich hervorragendes und beruflich beispielgebendes Mitglied ärmer geworden, an das wir uns stets mit Dank und Hochachtung erinnern werden.
Als Hochschullehrer war er seinen Mitarbeitern und Schülern ein Beispiel und Leitbild. Er liebte das Leben, seine Familie, die Arbeit und die Berge und hat die ihm vom Schicksal zugemessene Zeitspanne in einer Weise genützt, die unvergessen bleiben wird.
Wie hat er doch einmal anläßlich einer Gedenkrede am nächtlichen Sonntagsberg gesagt: "Sie alle, deren Namen auf der Tafel eingraviert sind, haben das Leben genau so geliebt wie wir heute. Tun wir alles, um uns und unseren Nachkommen ein ähnliches Schicksal zu ersparen!"
Ich bin sicher, daß mir diese Worte einfallen werden, wenn ich wieder einmal vor der Pichlerhütte stehe und auf die nächtliche Silhouette der Kalkkögel schaue. Vielleicht wird dann, als Zeichen der Vergänglichkeit, eine Sternschnuppe fallen oder ein Stein zur Tiefe poltern. Ich werde an Dich, lieber Friedl und unsere Jugend denken und an das Glück, das wir damals unverlierbar erlebten. Und eine große Dankbarkeit wird in mir sein für die Freundschaft, die uns die Berge gaben und die ein ganzes Leben lang hielt.
Fiducit!
Herbert Kuntscher
Quelle: Akademischer Alpenklub Innsbruck, Klubnachrichten 1974, Seite 31-35


Geboren am:
09.03.1916
Gestorben am:
04.04.1975