Kafka Theodor
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Biografie:
Regierungsrat Dr. Theodor Kafka (+)
Die Zahl begeisterter Alpenfreunde aus der Zeit, da nach Mitte des vorigen Jahrhunderts der Sinn für die Schönheit unserer Bergwelt mächtig erwachte und in den Herzen gebildeter Männer eine edle Flamme entzündete, die für sie zur unvergänglichen Quelle der Lebensfreude wurde, schmilzt aus menschlichen Gründen heute schon immer mehr zusammen. So hat man Ende des vorigen Jahres einen Mann zu Grabe getragen, dessen Gemüt mit der
ganzen Lebhaftigkeit des ihm eigenen Temperaments vom Jünglingsalter an den Bergen zugetan war. Theodor Kafka, der Sohn eines angesehenen Wiener Advokaten, widmete sich der juristischen Lauf bahn und trat sodann in den Rechtsdienst der Sudbahn ein, wo er zuletzt die Stellung eines Direktor stellvertreters einnahm. Seine anscheinend robuste Natur erlag in relativ kurzer Zeit einem Herzleiden, das dem reichen Lebensgange schon im 65. Jahre ein Ziel setzte.
Neben der Betätigung seines durch eine Jugendfreundschaft zu Richard Wagner angeregten Kunstsinnes, mit dem er die Erscheinungen der klassischen Musik auf dem Boden seiner Vaterstadt eifrig verfolgte, war es das Wandern auf den Bergen, das ihn zu heller Begeisterung zu entflammen vermochte. Wer Theodor Kafka zuhörte, wenn er von seinen, stets an der Seite seiner geliebten Frau durchgeführten Alpenturen oder italienischen Reisen erzählte, oder wenn er auch nur die Eindrücke einer schlichten Maifahrt in die ihm vermöge seiner botanischen Liebhaberei anziehenden blumenreichen Voralpen schilderte, der wurde unwillkürlich durch das lebhafte Empfinden des Erzählenden mit fort gerissen.
Theodor Kafka hat die Ost- und Westalpen kreuz und quer durchwandert und vielleicht besser gekannt als viele andere, welche weit schwierigere Pfade zu wandeln pflegen. Dankbar genoß er in reiferen Jahren die durch alpine Vereine geschaffenen Erleichterungen und Wegverbesserungen, die es ihm noch immer gestatteten, mit voller Genußfähigkeit und Empfänglichkeit an die einst nur jüngeren, ausdauernden Kräften zugänglichen Schaustücke der Alpenwelt heranzukommen.
So konnte es bei seiner Charakteranlage nicht fehlen, daß der zu einflußreicher Stellung gelangte Mann den alpinen Vereinen und speziell dem Österreichischen Alpenklub, zu dessen Gründern er auch zählte, ein warmer Freund und Förderer wurde, der dem Bedürfnis nach Ausgestaltung des Verkehres in den Alpenländern richtiges Verständnis entgegenbrachte und auch sonst mit Interesse die Entwicklung der Alpinistik verfolgte.
Im Spätherbst erst von einer Urlaubsreise nach Süditalien und Sizilien zurückgekehrt, mußte er schon wenige Wochen nachher jene große Reise antreten, von der es keine Wiederkehr gibt. Seine Freunde und Bekannten werden wohl zeitlebens das Bild des lebensfrohen Gesinnungs- und Wandergenossen in ihrem Gedächtnis aufbewahren, aber auch der Österreichische Alpenklub wird sich stets dankbar der Fürsorge dieses seines alten Mitgliedes erinnern.
Georg Geyer.
Quelle: Österr. Alpenzeitung 1905, Folge 678, Seite 22-23