Südwestflanke

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Routen Details:
Karl Kögler (in Prag), Romariswandkopf und Johannisberg.
Am 21. August 1876 brach ich mit den Kalser Führern Jos. Kerer und Pet. Huter 3 U. früh bei bedeutender Wärme und bedecktem Himmel von der Stüdlhütte auf. Es galt dem Romariswandkop 3549 m - und besonders der Auffindung eines directen Abstieges von demselben zur Pasterze auf das Gelingen dieser zweiten Aufgabe hatten wir des ungünstigen Wetters halber wenig Hoffnung. Auf dem Teischnitzkees mussten wir uns bald anseilen ; doch nahmen die Klüfte erst gegen den Kramul etwas zu, waren jedoch nirgends von Bedeutung, so dass wir bei noch immer trübem Himmel diesen flachen Scheiderücken bald erreichten. Wir verfolgten sodann, im weichen Schnee stellenweise tief einsinkend die Firnhänge des Frussnitzkeeses , die von dem Reflexe der jetzt allmälig durchbrechenden Sonne übergoldet wareu. Als wir auf der Höhe des Glocknerkammes angelaugt waren, hatte es sich derart aufgehellt, dass ein Gelingen auch des schwierigeren Theiles der Partie zu hoffen war. Es wurde daher Huter gegen die Glocknerwand zu entsendet, um nachzusehen, ob auf dieser Seite ein Abstieg möglich sei, während wir die immer schmäler werdende Firnkante weiter verfolgten und mit Benützung eines vollkommen sicheren Eisbandes den Gipfel binnen wenigen Minuten (5 1/2 U.) erreichten. Der sich erhebende Wind machte es rathsam, in den Felsen der Ostseite des Gipfels Schutz zu suchen; der zurückgekehrte Hut er erklärte den Hang soweit er sichtbar sei, was nicht eben viel sagen will, als ganz gut begehbar und wollte auch in der Ferne Fussspuren gesehen haben. Wir hatten indess die tiefeingeschnittene Scharte am Ostabhange des Romariswandkopfs recognoscirt und fanden auch hier die Möglichkeit eines Abstiegs; inzwischen entschieden wir uns für den Hüter' schen Vorschlag, da er uns dem beabsichtigten Nachtlager in der Hofmannshütte näher als jeder andere brachte. Als ich sodann den Gipfel wieder betrat, wölbte sich der Himmel wolkenlos über der wunderbaren Natur, die sich hier ganz ähnlich wie auf dem Glockner enthüllt, daher der von der Kaiser Seite vollkommen gefahrlose Besuch dieses Punktes besonders allen jenen, denen der Glockner zu anstrengend scheint, nur wiederholt empfohlen werden muss.
Aufbrechend verfolgten wir abermals die erwähnte Firnkante und wendeten uns sodann, ein massig geneigtes Eiskar betretend, links. Die Wanderung ging rasch von statten, wenns auch bald räthlich schien, die Steigeisen anzulegen. Die von Huter gesehenen Fussspuren erwiesen sich bei grösserer
Annäherung als solche von Gemsen, welche wahrscheinlich aus den Felswänden, die das Laperwitzkees umsäumen, herübergekommen waren. In dem ganzen oberen Theil des Kares stiessen wir mit Ausnahme einer ziemlich bedeutenden Kluft auf keine nennenswerthe Schwierigkeit. Letztere zeigte dagegen die prächtigsten Eisnadeln, welche nahezu über unseren Köpfen blau-grün schimmernd begannen und in grausig schöner, blauschwarzer Nacht verschwanden. Indessen nahmen Klüfte und Steilheit des Hanges mit unserer Abwärtsbewegung zu, so dass wir uns bald genöthigt sahen nur einzeln zu gehen. Schliesslich musste auch der Pickel hervorgeholt werden, mit welchem der nun losgebundene Kerer das Eis kräftigst bearbeitete. Bald war dies jedoch nicht mehr nothwendig, so dass Kerer die Eisaxt in mächtigem Bogen auf die Pasterze hinabschleuderte, während wir eilten, baldmöglichst wieder mit
ihr vereint zu sein. In dem blauen Schatten eines mächtigen Eisblockes hielten wir nach circa zweistündigem Abstieg Rast, in heiterer Laune der bewussten Spuren halber den zurückgelegten Abstieg mit Rebenblut feierlich „Gamsweg u zu taufen. Unser Ruhepunkt, so recht im Heiligthum der Firnwelt gelegen, war auch dazu angethan, die wunderbaren Farbencontraste dieser Regionen zu studiren : Die schwarzbraunen Felsen erhoben sich in kühnem Aufschwünge in das tiefe Blau des Aethers, von schneeweissem Firn umflossen und von blaugrünen Wogen geborstenen Eises verbrämt.
Gegen 9 U. brachen wir wieder auf, uns rasch der Eisrampe zwischen Glocknerwand und Kleinem Burgstall nähernd. Unweit derselben trafen wir eine Gesellschaft, welche auf den Johannisberg gehen und sodann mit Benützung der Oberen Oedenwinkelscharte in's Stubachthal absteigen wollte. Unserer
Verwunderung sie zu so später Stunde noch hier zu treffen, begegnete die Bemerkung, dass sie wegen absoluten Proviantmangels in der Elisabethruhe anfgehalten worden seien.
Den Obersten Pasterzenboden überquerend, trafen wir um 11 U. 15 in der Hofmannshütte ein. Erst nachträglich las ich den Stüdl'schen Aufsatz,*) welcher die Versuche dieses Touristen, einen Abstieg vom Romariswandkopf zur Pasterze zu finden, zum Gegenstande hat; der darin enthaltene uns damals unbekannte Rath, zwischen Teufelskamp und Glocknerwand abzusteigen, erweist sich demnach als zutreffend. Ein Urtheil über die Schwierigkeit der Partie selber zu fällen, scheint mir weniger möglich, da dieselbe durch die verschiedensten, alljährlich wechselnden Umstände bestimmt wird; wir fanden das ganze Eiskar verhältnissmässig leicht passirbar ; ob dies stets zutrifft, ist eine andere Frage. Hingegen möchte ich Touristen, die keine Hochtouren zu machen gedenken, einen Ausflug auf den Obersten Pasterzenboden anrathen, da derselbe ganz ohne Mühe ausführbar ist und dabei den grössten Genuss
bietet; allerdings erheischen die mächtigen Klüfte die nöthige Vorsicht und gute Beschaffenheit des Firns.
Der Nachmittag und Abend brachte eine so ansehnliche Zahl von Touristen in die Hütte, dass mit Einschluss der Führer 20 Personen in dem kleinen Räume zusammengedrängt waren, so dass sich der Mangel an Decken und hauptsächlich Polstern sehr fühlbar machte. Am Morgen des 22. August brachen wir abermals um 2 U. 45 bei totaler Finsterniss auf, um dem Johannisberg 3486 m - einen Besuch abzustatten und über die Schneewinkelscharte in's Dorfer Thal abzusteigen. Denselben Weg wie Tags zuvor verfolgend waren wir bald am Fusse des genannten Eisgipfels um daselbst die Steigeisen anzulegen und Dank der frühen Morgenstunde unangeseilt weiter zu steigen. So nahmen wir eine Eisterrasse nach der andern, staunend ob der mächtigen Eisschründe. Endlich war auch das letzte kleine Plateau erreicht, aus dem sich der Gipfel selbst als kleiner Eishügel aufbaut; wir erreichten ihn, seine gegen S.-O. streichende Firnkante benützend, ohne jeden Anstand in 3 x fc Stunden von der Hofmannshütte. Die Aussicht ist wunderschön: einerseits die finstern, furchtbar steilen Abstürze zum Ödenwinkel des Stubachthals, andererseits die mächtige Pasterze ruhig und majestätisch hinabfiiessend. Das Wiesbachhorn ist hier zur schlanken Eisnadel geworden, während sich die Felsconturen des Glockner prächtig von dem Blau des Himmels abheben. Jedem möchte ich den Besuch dieses Punktes bestens empfehlen, da derselbe obendrein keine Gefahr bietet. Kaum konnten wir uns von all den Herrlichkeiten trennen, und doch musste behufs Erreichung der Schneewinkelscharte noch ein Firnhang überwunden werden. Um keinen Umweg zu machen, stiegen wir südlich direct zum Obersten Pasterzenboden hinab, so zwar, dass wir denselben unweit der Unteren Ödenwinkelscharte erreichten. Ich hatte hiebei Gelegenheit, die Sicherheit beider Führer zu schätzen und die Verwegenheit Kerers zu bewundern. Ohne Stufen zu hauen stiegen wir zwischen mächtigen Klüften über blankes Eis bei bedeutender Steigung desselben hinab — mit so trefflichen Führern ganz ohne Gefahr. Jenseits gings etwas minder rasch hinauf, da der durch die Sonne erweichte Schnee den Anstieg beschwerlich machte; von Klüften war hier keine Spur. 8 U. 15 war die Scharte (circa 11000') erreicht, doch konnte sie des heftigen Windes halber kein Ruheplatz werden, so dass wir sofort durch die Felswände zum Laperwitzkees abstiegen, und in kurzer Zeit auch die Randkluft des letzteren mit Benützung eines Eisbandes anstandslos passiren konnten. Nach dem weiten obersten Pasterzenboden mit seiner schnee- und eisblinkenden Umrandung machte der nun betretene Gletscher, von finstern Felswänden eng umstanden, einen äusserst düstern Eindruck, der sich erst bei dem Anblick des bekanntlich theilweise herüberströmenden Frussnitzkeeses etwas milderte. Das Ende des Gletschers war um 10 U. erreicht und bot einen angenehmen Ruhepunkt im Anblick des Dorfer Thals. Um 2 U. 15 waren wir in Kais. Der Nachmittag brachte ein starkes Gewitter, während mich der nächste Morgen bei Regen über das Kaiser Thörl nach Matrei gehen sah.
Wenn ich diese beiden Partien hier zur allgemeinen Kenntniss bringe, so geschieht es, weil ich glaubte, bezüglich unseres Abstieges vom Romariswandkopf zur Pasterze nach veröffentlichten Versuchen auch etwas Positives bekannt machen zu sollen und mir die Combination des Johannisberges mit dem
Abstieg nach Kals wenn auch nicht neu, so doch nicht allzu oft ausgeführt zu sein schien.
Quelle: Zeitschrift des DÖAV 1877, Seite 246 (ob es sich bei der Beschreibungum eine Erstbesteigung handelt ist nicht sicher gestellt!)

Erste Skiabfart durch H. Skofizh und A. Assanek im Juni 1911;
Gipfel:
Johannisberg
Erste(r) Besteiger(in):
Huter P.
Kerer Josef
Kögler Karl