Pfudel Rudolf

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Biografie:
Rudolf Pfudel.
Mein liebster Tourenkamerad und erster Führer im Anfang war Rudolf Pfudel, der, im Wintersemester 1912/13 in den A. A. V.M. eingetreten, sich sofort als eines der eifrigsten Mit-glieder betätigte. Nicht nur, daß er eifrig ins Gebirge ging, machte ihn uns wert, sondern besonders auch, daß er solch außerordentlich regen Anteil am inneren Vereinsleben nahm. Die Art, wie er dies tat, machte ihm bald alle zu Freunden. Gleich im ersten Semester übernahm er das wenig dankbare Amt des Bücherwarts und machte sich mit Begeisterung daran, Bibliothek und Lichtbildersammlung in wochenlanger Arbeit neu zu ordnen, zu numerieren und neue Verzeichnisse anzu¬legen - um dann aber die Bücherei selbst am eifrigsten zu benutzen. Wenige wußten so gut Bescheid in der alpinen Literatur, wie er, und wer Gelegenheit hatte, ihn einmal auf seiner Studentenbude zu besuchen, der konnte aus den umher¬liegenden und aufgeschlagenen Büchern fast schließen, unser lieber Pfudel studiere die Erschließung der Alpen und nicht Philologie.
Pfudel war schon altes Semester, und dass er sein Studium nicht schneller beenden konnte, war das einzige, was ihn zu mancher Stunde schwer bedrückte. Aber wenn die Sonne schien, trieb ihn seine tiefinnerste Freude am Gebirge in den Kaiser oder in die Ramsau, und wenn es regnete und die Zeit des Stammtisches nahte heran, dann hielt ihn nichts mehr zu Hause, er musste ins Gaßner, wo ihn gute Kameraden erwarteten. Da erschien er dann, die typische Virginia im Munde, stets ein Lächeln im Gesicht, wissend, dass man sich über ihn freute, und saß behaglich in unserm Kreise. Er erzählte nicht viel, sondern war oft ein schweigsamer Genosse. Aber an allem nahm er regen Anteil und konnte durch seine trockenen und treffenden Bemerkungen voll Humor die regnerischste Alpinistenstimmung in das Gegenteil verwandeln.
Wir merkten es bald alle, unser Pfudel war ein Original, und zwar eins von jenen herzhaften und derben, wie man sie leider mehr und mehr vermißt. Nur wenige Mitglieder hat der Verein mit solch ungeteilter behaglicher Freude in seiner Mitte gesehen, wie unsern Pfudel mit den guten Augen und dem immer hilfsbereiten Wesen. Aber erst, wer mit ihm ins Gamsgebirg ging, konnte ihn richtig kennen und schätzen lernen. Da vergaß er dann seine Semesterzahl. Er war kein lebhafter Weggenosse, aber wenn er mit prallem Rucksack und vom Kaindl-Much geborgten Gamsledernen, die möglichst krumme Virginia zwischen den Lippen, den Kopf erhoben, mit langen Schritten vor dem Begleiter herschritt, dann brachte es auch ein langer anstrengender Anstieg und der wuchtigste Rucksack nicht fertig, die offensichtliche Freude am Gebirge von seinem Gesicht zu vertreiben und ein übersprudelnder Humor kam zutage, den man sonst in dieser Weise nicht an ihm kannte. Den verlor er auch nicht, wenn einmal wirklich außerordentlich Anstrengendes vollbracht werden mußte.
Pfudel war kein Liebhaber von schwierigen Kletterkunststücken; er bevorzugte ausgiebige Wintertouren in Schnee und Eis, und auch im Sommer zog er schwerwiegende ausgedehnte Hochturen den kürzeren, schwierigen Klettereien vor. Eispickel und Schneereifen waren seine liebsten Ausrüstungsgegenstände. Die Skier benutzte er nur als Mittel zum Zweck und fühlte sich auch nicht sehr wohl darauf. „Zum Sportler tauge ich nicht" erklärte er. Dafür besaß Pfudel eine rühmenswerte Ausdauer. Was er anpackte, das wurde auch durchgeführt; da scheute er keine Anstrengung und kein Biwak. Im Gegenteil, das Biwakieren schien ihm oft geradezu Freude zu machen, und er wußte den gutmütigen Spott der Kameraden hierüber mit Gleichmut zu ertragen. — Pfudel hat sich systematisch zu einem guten Bergsteiger herangebildet. Während er im Jahre 1912-13, von leichteren zu schweren Touren fortschreitend, eifrig alpine Erfahrungen sammelte, hat er in den Jahren 1913-14 erstklassige Touren durchgeführt und zwar durchweg fast Winterersteigungen. Von den Bergfahrten des letzten Winters seien erwähnt: Im Rofangebiet Hochriß, Gschöllkopf, Roßkopf (Nord-und Südgipfel), Heidachstellwand. Dann Skitouren im Stubai, eine Durchquerung des Steinernen Meeres, eine Reihe erster Winterbesteigungen auf der Reiteralpe und eine Überschreitung der drei Watzmanngipfel.
Am Beginn des Sommersemesters 1914 raffte sich Pfudel energisch zu dem Entschluß auf, sein Studium zu vollenden. Zu dem Zweck zog er kurzerhand nach Erlangen, um den Lockungen des Gebirges besser widerstehen zu können. Welche Selbstüberwindung ihn das gekostet hat, konnte man aus seinem beweglichen Schmerz beim Abschied von München ersehen. In Erlangen quälte ihn dann die Sehnsucht nach den Bergen und es blieb ihm nichts übrig als eifrige Arbeit, und wenn es gar zu schlimm wurde, setzte er sich hinter das Erlanger Bier und träumte von Eispickel und Schneereifen.
Zu Kriegsbeginn rückte Pfudel zu seinem Truppenteil ein. Und schon am 4. März 1915 brachte er als Unteroffizier der Reserve in der Champagne dem Vaterland sein Leben als Opfer dar.
Wohl haben wir Pfudel früher oft gemahnt, er solle sein Studium vollenden und öfter das Gebirge meiden. Heute ist es uns ein Trost zu wissen, dass er in den Alpen seinen
schönsten Lebensgenuß gefunden und reichlich ausgekostet hat. Sein Andenken aber ist sicher, hochgehalten zu werden, denn Pfudel hat in München nur Freunde gehabt.
Arthur Gebbert.
Quelle: Der Akademische Alpenverein München im Kriege (1914-1918), XXIII. – XXVI.Vereinsjahr, Seite 662-64




Gestorben am:
04.03.1915