Emmer Johannes

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Biografie:
geboren in Wien (Österreich)
gestorben in Innsbruck (Österreich)


Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1924, Seite 265
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1928, Seite 21

Zur Erinnerung an Johannes Emmer.
Am 20. Januar d. J. hat in Innsbruck Dr. Johannes Emmer seine Augen für immer geschlossen. Getreu seinem stillen, bescheidenen, jedwedem hervortreten in der Öffentlichkeit abholden Wesen stellte er letztwillig an den Hauptausschuß unseres Vereins die Bitte, anläßlich seines Ablebens von jedem Nachruf abzusehen; und der Hauptausschutz hat diesem Wunsche selbstverständlich Rechnung getragen.
Der unterzeichnete langjährige Freund und Mitarbeiter des Dahingegangenen glaubt aber, daß für ihn das letzte Ersuchen Dr. Emmers nicht gilt, so daß er den Versuch unternehmen zu dürfen meint, den Vereinsgenossen mit schlichten Worten in Erinnerung zu bringen, welch schweren Verlust der Alpenverein durch den Tod dieses hochverdienten Mannes erlitten hat. Der Unterzeichnete erfüllt damit um so lieber eine letzte Freundespflicht, als Dr. Emmer in seiner vorbildlichen Bescheidenheit selbst ängstlich darauf bedacht war, trotz seiner unermüdlichen, umfassenden und das Vereinswohl außerordentlich fördernden Tätigkeit immer möglichst ungenannt im Hintergrunde zu bleiben, wie es auch in der Art seines Amtes und Wirkens begründet lag, daß nur eine verhältnismäßig nicht allzu große Zahl von Vereinsangehörigen, in der Hauptsache diejenigen, die amtlich mit ihm in Berührung kamen, Gelegenheit hatten, die großen Verdienste Emmers richtig kennen und schätzen zu lernen. Zu Wien am 18. Oktober 1849 geboren und in strenger Einfachheit erzogen, hat der aufgeweckte Knabe schon in seinem elften Jahre die Schönheit der Berge kennengelernt. Doch konnte er sich deren Genuß zunächst nur durch mühevolle Wanderungen im Wienerwald erringen. Erst nach seinem Abgang von der Mittelschule gelang es ihm, mit einem durch Lektionengeben erworbenen „Kapital von etwa 120 Gulden" und mit Notizen aus Schaubachs „Deutsche Alpen" sowie mit der Schedaschen Generalkarte ausgerüstet Emmers eigene Worte), eine sechswöchige Reise durch Obersteiermark, das Salzkammergut, die Tauern und das Berchtesgadener Land zu unternehmen, der er dann in .den folgenden Jahren den Besuch anderer Ostalpengruppen anschloß.
Emmer hatte sich nach Vollendung des Rechtsstudiums kurze Zeit in einer Wiener Rechtsanwaltskanzlei betätigt, was ihn aber nicht befriedigte, und er widmete sich alsbald seiner Lieblingsneigung, der Schriftstellers. Im Jahre 1872 kam er dann als Schriftleiter nach Salzburg, wo er auch mit dem ihm von der Universität her befreundeten nachmaligen Universitätsprofessor Dr. Eduard Richter wieder zusammentraf, was für Emmers ferneres Leben entscheidend werden sollte.
Prof. Richter, der mitten im damals lebhaft aufstrebenden alpinen Leben stand, führte seinen Freund in die Sektion Salzburg unseres Vereins ein, und alsbald nahm Emmer lebhaften Anteil am Sektionsleben. Allein den strebsamen jungen Mann hielt es nicht lange in Salzburg, es zog ihn wieder nach Wien, wo er die Schriftleitung der zu jener Zeit angesehenen Zeitschrift „Heimat" übernahm und auch selbständig eine politische Wochenschrift, „Der Reichsbote", herausgab.
Inzwischen war Prof. Richter Präsident des Zentralausschusses Salzburg geworden, und er hatte sich als eines seiner vornehmsten Ziele gestellt, die Umwandlung der bis dahin nur in kleinem Format und zwanglos in längeren Zwischenräumen erschienenen „Mitteilungen" in eine Halbmonatsschrift von Quartgröße durchzuführen. Als der verdienstvolle Begründer der Vereinsschriften, der damals schon in vorgerückten Jahren gestandene Theodor Trautwein, die Erklärung abgab, die Leitung der „Mitteilungen" in deren neuer Gestalt und Erscheinungsweise nicht mehr übernehmen zu können, berief Prof. Richter seinen schriftkundigen Freund Dr. Johannes Emmer zur Generalversammlung Konstanz (21. August 1884), in der sowohl die geplante Umwandlung der „Mitteilungen" beschlossen wie auch Dr. J. Emmer als deren Schriftleiter gewählt wurde. Und damit hatte Emmers Lebensstellung im D. u. Ö. A.-V. ihren Anfang genommen.
Denn wiewohl eigentlich nur als Schriftleiter der „Mitteilungen" berufen, betätigte sich Dr. Emmer doch bald in weit größerem und ständig wachsendem Umfang als „Sekretär" des Vereinspräsidenten; und unter dem nächsten Präsidenten, Prof. Dr. v. Zittel, wurde alsbald die Besorgung der bereits stark gewachsenen Kanzleigeschäfte die Hauptsache. Dabei fand Emmer Gelegenheit, seine besonderen „organisatorischen" Fähigkeiten in den Dienst des Alpenvereins zu stellen und die Kanzleitätigkeit dem stetig wachsenden Umfang und der zunehmenden Bedeutung der Verwaltung anzupassen, was Emmers Geschick so trefflich gelang, daß die auf seinen Vorschlag angenommenen Grundlagen und Einrichtungen sich größtenteils — natürlich vielfach verbessert und entsprechend ausgestaltet — auch heute noch bewähren.
Die grundlegende, wohlbewährte Einrichtung, daß der Sitz der Vereinsleitung in bestimmten Zeiträumen wechselt, hatte im Gefolge, daß mancher neu in die Vereinsleitung Berufene sich am Beginn seiner Amtstätigkeit vor ihm neue Aufgaben gestellt sah. Dr. Emmer dagegen, dem nach einigen Jahren seiner Tätigkeit das Amt des „Generalsekretärs" des Vereins übertragen worden war und der mit der Entwicklung und dem Werden des Alpenvereins bis in die kleinsten Einzelheiten wohlvertraut erschien und gewissermaßen das Bleibende im regelmäßigen Wechsel verkörperte, fiel ganz von selbst die Einführung der neuen Leitungsmitglieder in ihre Amtszweige zu. Und dieser Aufgabe wurde Emmer stets mit größtem Takt und der ihm wesenseigenen bescheidenen Bereitwilligkeit gerecht, so daß gesagt werden kann, daß ihn wohl mit so ziemlich allen Mitgliedern der verschiedenen Vereinsleitungen seiner langen Amtstätigkeit durchaus gute Beziehungen verbanden.
In der Amtszeit des Wiener Zentralausschusses 1889 bis 1891 hatte Emmer die Leitung der „Zeitschrift" von dem arbeitsmüde gewordenen Th. Trautwein übernommen, während in der Generalversammlung zu Lindau (1888) der Schreiber dieser Zeilen zum Schriftleiter der „Mitteilungen" gewählt wurde. Als dann die wachsenden Kanzleigeschäfte immer mehr die volle Arbeitskraft des Kanzleileiters in Anspruch nahmen, wurde Dr. Emmer durch die Abnahme der Schriftleitung der „Zeitschrift" entlastet und diese (1894) gleichfalls dem Unterfertigten übertragen, so daß Dr. Emmer sich nun ganz den Verwaltungsgeschäften widmen konnte. In welch ausgezeichneter Weise ihm dies gelang, mit welcher Umsicht und Musterhaftigkeit er die Kanzleigeschäfte geführt hat, das wußten eigentlich nur die Hauptleitungsmitglieder und neben diesen noch die zahlreichen Sektionsvorstände und Vorstands-Mitglieder, die amtlich mit Emmer in Verbindung kamen, voll zu würdigen. Und unter diesen gab es wohl nur eine Stimme der Anerkennung für Emmers eingehende Geschäftskenntnis wie auch für seine immer gleich freundliche Bereitwilligkeit zur Erteilung von Auskünften und Ratschlägen.
Aber Emmers Pflichteifer und Liebe für den Alpenverein erschöpften sich nicht mit der mustergültigen Erledigung seiner amtlichen Obliegenheiten. Daneben beschäftigte sich sein reger Geist ununterbrochen mit der weiteren Ausgestaltung der Vereinseinrichtungen und der Förderung des Vereinswohles, und es ist ihm manche nachmals verwirklichte Anregung zu verdanken.
So ging, um nur einiges Bekanntere herauszugreifen, von Dr. J. Emmer der erste Anstoß zur Errichtung von Studentenherbergen aus (1887), ebenso die Anregung zur Einrichtung der Führer-Unterstützungskasse auf versicherungstechnischer, Grundlage (1885). Die von ihm entworfenen Satzungen dieser Kasse wurden schließlich 1909 angenommen. Bei der Begründung des alpinen Rettungswesens, der Alpenvereinsbücherei und des Alpinen Museums oblag Emmer die Ausarbeitung der Entwürfe für die Einrichtungspläne, und bei allen diesen Arbeiten kam ihm neben der genauen Kenntnis der Vereinsbedürfnisse auch seine rechtskundliche Vorbildung zustatten. Auch an dem Entwurf der 1909 in der Wiener Hauptversammlung beschlossenen neuen Satzungen des Gesamtvereins hat Emmer, ein gründlicher Kenner der österreichischen politischen Verwaltung, wesentlich mitgearbeitet. Für seine Vertrautheit mit allen Zweigen der Vereinsverwaltung zeugt vorzüglich das von ihm geschaffene Handbuch „Verfassung und Verwaltung des D. u. Ö. A.-V.", eine erschöpfende Zusammenstellung aller Gesetze, Verordnungen und Gebräuche des Alpenvereins, die im Laufe der Jahre wohl schon sehr vielen Sektionsvorständen ein bewährtes Nachschlagebuch und ein verläßlicher Wegweiser bei der Führung der Sektionsgeschäfte geworden ist. Auch mit seiner anläßlich des 25jährigen Bestandes der S. Austria (1887) herausgegebenen „Geschichte der Sektion Austria" und mit der in den Zeitschriftbänden 1894 und 1909 erschienenen „Geschichte des D. u. Q. A.-V." hat Emmer seiner wohl einzigartigen Kenntnis des Werdens und Wesens unseres Vereins ein würdiges Denkmal errichtet. Mit der Herausgabe des „Registers der Vereinsschriften" (zwei Teile: 1863—1905 und 1906—1925) hat er sich ein wesentliches Verdienst um die Benützbarkeit der in den Vereinsschriften aufgestapelten reichen Schätze erworben.
Nach fast 27jähriger Tätigkeit schied Dr. Johannes Emmer auf dringendes Anraten seines Hausarztes im Jahre 1911 aus seinem Amte, das seine ungewöhnliche Arbeitskraft und sein besonderes Können in wechselnder Form dem Vereine dienstbar gemacht und das er in jeder Richtung mustergültig und vorbildlich verwaltet hat. Ein gütiges Geschick ließ den Vielverdienten sich seines Ruhestandes noch 17 Jahre erfreuen.
Das Bild dieses ungewöhnlichen, vielseitigen Mannes wäre aber mit den vorangegangenen, seiner Bedeutung für den Alpenverein gewidmeten Worten nur unvollständig gezeichnet. Es muß auch noch seines Schaffens als fruchtbarer Schriftsteller und lyrischer Dichter gedacht werden, denn er hat sich auch als solcher einen ehrenvollen Platz errungen. Seiner Feder entstammen unter anderem die nachfolgenden größeren, teils politischen, teils geschichtlichen Arbeiten: Kaiser Franz Josef J. (1880 und 1894), Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie (1886), 60 Jahre auf Habsburgs Thron (1908), Unser Kaiser, Feldmarschall Erzherzog Albrecht, Feldmarschall Graf Radetzky, Abriß der Landeskunde von Salzburg (1877) u. a. m. Eine der jüngsten derartigen Schöpfungen Emmers ist sein Werk „Deutsch-Österreich, seine Schicksale und seine geschichtliche Stellung" (Wien 1923), ein Buch voll tiefer Gedanken und liebevollen Fühlens, von dem er selbst im Vorwort sagt, daß es ihm hiebei „weniger um die Aufzählung von Vorkommnissen, sondern vielmehr um die Klarstellung von Ursachen und Wirkungen" zu tun war. Das Buch zeigt Emmer als kerndeutsch fühlenden Mann, „dessen Herz sich dadurch erweitert fühlte, daß er dem historisch bedeutendsten Teil des Deutschtums entstammte".
Bedenkt man, daß Emmers Amt im Alpenverein schon allein den Einsatz des vollen Könnens einer nicht alltäglichen Arbeitskraft erforderte, dann muß man seinem vielseitigen Schaffen größte Bewunderung zollen. Denn auch noch als Romanschriftsteller und lyrischer Dichter hat er sich bewährt. Seine feinsinnigen, zartes Fühlen und eine schöne Sprache zeigenden lyrischen Dichtungen hat er nur zum kleinsten Teile veröffentlicht. Seine letzte Dichtung (1927) „Predigten des Mönches von Salzburg" (als Manuskript gedruckt) ist eine Schwankdichtung aus der Zeit des Erzbischofs Pilgrim von Salzburg, die die sieben Todsünden in volltönenden, leichtflüssigen Versen behandelt, ein Poem, das den besten unserer Zeit gleichgestellt werden darf. Und dieser unermüdlich bis in seine letzten Lebenstage schaffende, ungewöhnlich vielseitige Mann war, musterhaft wie sein ganzes Wirken, auch ein musterhafter Gatte und Vater. Fast 52 Jahre lang genoß er das Glück schönster häuslicher Harmonie an der Seite seiner trefflich zu ihm passenden Gattin, die ihrem feinsinnigen Manne eine verständnisvolle, ganz in ihm aufgehende Lebenskameradin war. Eine Tochter war dem Bunde entsprossen, die sich früh verehelichte und die Freude der Eltern bildete. Die ungetrübte Harmonie, die das Ehepaar verband, erfüllte auch ihr trautes Heim mit jenem milden Glanz, der auf jeden einwirken mußte, dem das Glück zuteil wurde, schöne Stunden in Emmers und dessen Gattin immer anregender Gesellschaft verbringen zu dürfen.
Und so wie dieser edle Mann seinen Freunden und Bekannten unvergänglich in schöner Erinnerung bleiben wird, möge Dr. Johannes Emmer auch im großen Kreise unseres Alpenvereins ein dauerndes, dankbares Gedenken bewahrt werden als einem seiner eifrigsten, erfolgreichsten und verdienstvollsten Mitarbeiter!
Heinrich Heß.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1928, Seite 44-45



Geboren am:
18.10.1849
Gestorben am:
20.01.1928