Giesenhagen Karl
(
Bearbeiten)
Biografie:
Geheimtat Dr. Karl Giesenhagen (+)
Geheimrat Dr. Karl Giesenhagen ist zu Ostern dieses Jahres nach langem, schwerem Leiden gestorben.
Allen Teilnehmern der Hauptversammlungen der letzten Jahre war er eine wohlbekannte, markante Erscheinung: seine hohe, fast hagere Gestalt, seine scharf ausgeprägten, durchgeistigten Züge, umwallt von langem, breitem Bart, waren der Spiegel seines Innern, der Verbindung des Gelehrten mit dem kerndeutschen Mann.
Wenn er sprach — klar, sachlich, technisch vollendet, ruhig und doch warm —, fesselte er nach wenig Worten die Aufmerksamkeit aller.
Denen, die das Glück hatten, ihm in gemeinsamer Arbeit nähertreten zu dürfen, erschlossen sich die ganzen Vorzüge seiner selten harmonischen Persönlichkeit. Reich an Lebenserfahrung und klug, traf er mit seinem guten Rat, den er nach reichlicher Überlegung erst zu geben pflegte, fast immer „ins Schwarze". Vornehme Gesinnung, abgeklärte Güte und stete Hilfsbereitschaft waren wohl der Grundzug seines Wesens, der ihm die engste Verbundenheit seiner Kameraden und Freunde, die Verehrung seiner Schüler erwarb, denen er Führer im besten Sinne des Wortes war; doch vermochte er stahlhart und zäh Anschauung und Wille durchzusetzen, wenn es ums Ganze ging. Wahrhaft sonnig war der Humor seiner edlen Geselligkeit durchaus zugeneigten Natur: unvergeßlich werden manchem Teilnehmer der Hauptversammlung in Würzburg 1926 die Stunden des Aufatmens nach schwerer Arbeit am letzten Abend sein, in denen Giesenhagen in unerschöpflich scheinender Lebenskraft und Lebensfreude unter den Frohen einer der Frohesten war.
Ein köstlicher Mensch ist mit ihm aus unserem an ausgeprägten Persönlichkeiten immer ärmer werdenden Leben geschieden; für den Alpinismus und den Alpenverein war er mehr. Nie hat er zwar zu jenen gehört, deren alpine Taten von sich reden machen, doch — was vielleicht schwerer wog — er war sein ganzes Leben ein Alpinist der reinsten und idealsten Auffassung. Ob ihn die zierliche und feine Alpenflora in die Kare und auf die Grate lockte, ob er als Bergsteiger der hehren Alpenwelt gegenübertrat, sein Alpinismus war ihm eine besondere Lebensauffassung, ein Bekenntnis, dem er unentwegt treu geblieben ist. Mit dieser Treue hat er lange Jahre in selbstloser Aufopferung an der Hauptleitung des D. u. Ö. A.-V. sich beteiligt. Nicht nur während der letzten, nun fast achtjährigen Periode des Münchener Verwaltungsausschusses, auch im früheren Münchener Zentralausschuß (1907 bis 1909) hat er seine Kraft dem D.u.Ö.A.-V. gewidmet. Ganz besonders aber hat er als Mitglied und langjähriger Vorsitzender des Wissenschaftlichen Unterausschusses die wissenschaftlichen Arbeiten und Sammlungen des D. u. O. A.-V. mit seinem reichen Wissen befruchtet und betreut. Noch wenige Tage vor dem Antritt seines langen Leidensweges, als seine Freunde schon die schwere Gefahr ahnten, in der er schwebte, eröffnete er eine Austellung der Alpenvereinsbücherei mit einer tief empfundenen Festrede, der eine ergriffene Zuhörerschaft lauschte. Als er am Schlusse eine auf tiefster ethischer Grundlage ausgebaute Definition des Alpinismus suchte und fand, wurde diese, wohl seine letzte, öffentliche Rede zum Erlebnis, und' das Erlebnis wurde zum Vermächtnis.
Der D. u. O. A.-V. wird dieses Vermächtnis in Treue bewahren, und für alle Zeiten wird das Andenken dieses edlen Mannes in der Geschichte des D. u. O. A.-V. in Dankbarkeit gewahrt und geehrt bleiben.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1928, Seite 91-92
Gestorben am:
1928