Eisendle Richard
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Biografie:
Dr. Eisendle (+)
Am 26. Dezember 1935 starb der 2. Vorstand der S. Salzburg, Dr. Richard Eisendle, an den unerwarteten Folgen einer an sich harmlosen Operation. Mit ihm schied ein Bergsteiger von guter,
alter Art aus dem Leben, ein ungewöhnlicher Mann, der in mancher Beziehung beispielgebend sein sollte. Wiewohl er im 75. Lebensjahre stand, erfreute er sich einer, eisernen Gesundheit, um die ihn manch junger Mensch beneiden hätte können. Seine geistige Spannkraft befähigte ihn noch in seinen letzten Jahren, wenn es not tat, bis tief in die Nacht hinein angestrengt zu arbeiten;
seine körperliche Rüstigkeit, Abhärtung und beispiellose Ausdauer ermöglichten es ihm bis an sein Lebensende, auf die Berge zu steigen, denen seine Sehnsucht galt. Geboren zu Schlanders bei Meran, blieb er zeitlebens ein echter Sohn der Berge, ein unverfälschter Tiroler, der nach dem unglücklichen Ende des Weltkrieges unter dem Verlust seiner Heimat seelisch schwer litt. In seinem langen Leben hat er viele Gruppen unserer Ostalpen durchwandert; als er aber in die Jahre gekommen war, die man bei anderen Menschen schon als Greisenalter zu bezeichnen Pflegt, zog es ihn mit Macht in die Westalpen, und so bestieg er im siebenten Jahrzehnt seines Lebens führerlos die leichteren Viertausender der Alpen, ja noch im letzten Sommer, diesmal allerdings ausnahmsweise mit Führer, das Rimpfischhorn bei Zermatt (4203 m). Seine ständigen Berggefährten waren der 1. Vorstand der S. Salzburg, Dr. Hackel, und dessen Frau, denen sich ab und zu auch andere Teilnehmer zugesellten; dabei war Eisendle der geistige Führer; den Winter über Pflegte er unter gewissenhafter Benützung der alpinen Literatur und des einschlägigen Kartenmaterials den Fahrtenplan für den kommenden Sommer bis in alle Einzelheiten genau auszuarbeiten so daß er dann in den entlegensten Gebieten im vorhinein wie zu Kaufe war. So gingen seine Reisen nicht nur in das Berner Oberland, in die Walliser Berge, in die Montblanc- und Paradisogruppe, sondern auch in die wenig bekannten Gegenden der Vanoise, Maurienne und Tarentaise und in das Bergell. Als Bergsteiger war er unermüdlich und äußerst anspruchslos, gleich unempfindlich gegen Hitze und Kälte (er ging auch im Winter meist ohne Überrock) wie gegen Hunger und Mangel an Schlaf. Am Biwakieren fand er noch als Siebziger so viel Gefallen, daß eine Bergreise ohne gelegentliches Freilager nach seiner Meinung eines Hauptreizes entbehrt hätte. Wiewohl ausgesprochene Klettereien ihm nicht mehr recht lagen, hatte er an ihnen doch große Freude; z. B. machte er noch als Siebziger unter Führung eines auch schon 60 Jahre alten Freundes die Überschreitung der Watzmannkinder und durchstieg mit ihm die Watzmann-Ostwand auf der Wiederroute. Das Bergsteigen war seine größte, seine einzige Leidenschaft; aber er sah unsere Alpen auch mit den Augen eines Naturwissenschaftlers; auf diesem Gebiet hatte er eine weit über den Durchschnitt hinausgehende Bildung; er war ein guter Kenner der alpinen Pflanzenwelt, und in der Schmetterlingskunde war er sogar anerkannter Spezialist: eine Schmetterlingsart trägt seinen Namen. Von jeder Bergfahrt brachte er seiner ältesten Tochter einige bunte Blümchen und seinem Kreuzschnabel etliche „Tschurtscheln" (Zapfen) heim, ja, nach Abschluß einer Fahrt durch die Schobergruppe schickte er von Lienz einen ganzen Postkarton voll „an Herrn Kreuzschnabel" nach Salzburg. Als Vogelliebhaber vergaß er auch nie, wenn er einen Apfel aß, die Kerne für die Meisen aufzuheben. Dieser bergbegeisterte Mann gehörte 32 Jahre dem Ausschuß der S. Salzburg an und war seit 1918 ihr 2. Vorstand. Durch seine reiche Lebenserfahrung und die genaue Kenntnis aller möglichen Verhältnisse, die er sich als Rechtsanwalt erworben hatte, wurde er der ständige Berater der Sektion; was sie in den letzten drei Jahrzehnten Bedeutenderes geleistet hat, war von ihm entweder angeregt oder doch entscheidend beeinflußt worden. Dabei blieb er immer bescheiden im Hintergrund und lehnte Dank und Ehrung geflissentlich ab. Nur wenn es galt, gegen hochvermögende Machthaber die Rechte der Bergsteiger zu verteidigen, da trat er mit Einsatz seiner Person als unerschrockener Kämpfer auf den Plan und nahm alle Verantwortung auf seine Schultern, um die S. Salzburg vor etwaigen Schaden zu bewahren. Insbesondere in der Zeit, als die S. Salzburg gegen den Erzherzog-Thronfolger einen fast aussichtslos scheinenden Kampf für die Freiheit unserer Berge führte, war hauptsächlich er der mutige Rufer im Streite; er war es auch, der aus eigenen Mitteln die obere Jochalm ankaufte, um die vom Thronfolger beabsichtigte Absperrung des Bluntautales zu verhindern; in ähnlicher Weise betrieb er den Ankauf der Sölden-Hütte und vereitelte dadurch die gleichfalls schon geplante Absperrung, des Tennengebirges. Aber nicht nur die S. Salzburg empfindet seinen Tod als einen unersetzlichen Verlust, auch zahlreiche andere Sektionen, insbesondere auch reichsdeutsche, sind ihm für seine uneigennützige Rechtsberatung, treffende Auskunftserteilung und geschickte Vermittlung zu größtem Danke verpflichtet. Auch an Fragen des Gesamtvereins nahm er regen Anteil, und auf Sektionentagungen war sein klarer Blick, sein kluges Wort oft ausschlaggebend; u. a. regte er schon vor dem Weltkrieg im Salzburg-Chiemgauischen Sektionentage an, daß der Verein die Feuerversicherung seiner Schutzhütten selbst übernehmen soll; bei der Hauptversammlung in Salzburg 1920 stellte er einen diesbezüglichen Antrag, der dann dem Hauptausschuß zu weiterem Studium empfohlen wurde, und wurde so in gewissem Sinne der Vater unserer jetzigen „Wohlfahrtseinrichtung".
Eisendle hat sich um unseren Verein Verdienste erworden, die unvergessen bleiben sollen!
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1936, Folge 2, Seite 47-48
Gestorben am:
26.12.1935