Hanke Karl
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Biografie:
Karl Hanke
* 14. August 1886 — (+) 6. März 1981
Wie ein eigentümlicher Wink des Schicksals muß es anmuten, daß Dr. Karl Hanke, den es später so sehr in die Berge, nicht zum wenigsten aber in die Südtiroler Berge — Dolomiten — zog, mehr oder weniger zufällig in Brixen, Südtirol, am 14. August 1886 geboren wurde. Sein Vater, Oberst der Geniewaffe, Heinrich Hanke, hatte den Bau der Dolomitensperrforts, wie die Werke Corte, Ruats zu überwachen. Im Alter von 3 Jahren wurde er dann, der beruflichen Laufbahn seines Vaters folgend, nach Lemberg mitgenommen, um mit 6 Jahren in seine spätere Heimatstadt Graz gebracht zu werden. Dort verbrachte sein Vater seine Pensionistenzeit. Erst nach einer Sturm- und Drangzeit des Studiums, wandte er sich als Mitglied des Akademischen Turnvereins um das Jahr 1908 dem populär werdenden Schisport zu und machte viele Schitouren in den steirischen Bergen. Auf diese Weise wurde ihm die Berglandschaft, zunächst der Hochschwab, vertraut und ganz sukzessiv begann er auch im Sommer Bergbesteigungen zu machen und das konnte seiner eminent sportlichen Haltung nach nur der Klettersport sein. So machte er im Hochschwab, dann im Gesäuse zahlreiche, schließlich auch für die damaligen Zeit extrem schwierige Klettertouren. In den Jahren 1912 und 1914 unternahm er ausgedehnte Kletterfahrten in die Westalpen (insbesondere Matterhorn, Monte Rosa; ein Bergabenteuer am Lyskam blieb ein ständiges Erzählungsthema bis ins Alter). Auf der Rückfahrt von dieser ersten Bergtourreise schloß er nähere Bekanntschaft mit den Dolomiten, welche er mit Vorliebe bis ins hohe Alter besuchte.
Bei diesen Aktivitäten war es kein Wunder, daß er sich im Ersten Weltkrieg, obwohl eigentlich durch ein Augenleiden nicht normal militärdiensttauglich, zum Frontdienst durchboxte (ein durch den ATV bekannter Arzt soll ihm damals gesagt haben, wenn er schon unbedingt einrücken wolle, so sei es letzten Endes sein eigenes Risiko). Von Mitte 1915-1918 befand er sich nahezu ununterbrochen in Bergstellungen der Front gegen Italien, sowohl in den Julischen als auch Karnischen Alpen, schließlich am Monte Cimone in den sieben Gemeinden. Für seine bergsteigerisch-militärischen Leistungen wurde er 2 Mal hoch ausgezeichnet. Dabei war er unter anderem bei der Ersteigung der Kellerwand in voller Feindeinsicht, bei der Besetzung einiger Gipfel des Biegengebirges führend tätig. Infolge seiner unbeugsamen, jeden Kadavergehorsam ablehnenden Art, wurde er schließlich zu einer Truppe, für einen infanteristischen Hauptangriff auf den Neveasattel in der 12. Isonzoschlacht abgestellt und entging nur durch einen (vielleicht für ihn typischen) puren Zufall der Vernichtung seiner Kompanie beim ersten mißlungenen Ansturm.
Seine weitere Tätigkeit im Stellungskrieg am Monte Cimone befriedigte ihn wenig, sodaß er eine Möglichkeit wahrnahm seine Berufslaufbahn noch während der Kriegszeit durch Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung zu fixieren.
Mit der Auflösung der k. und k. Armee, in welcher er zuletzt Oberleutnant war, mußte er sich einen zivilen Berufsstandort suchen, er wählte sich hiefür das in den Voralpen gelegene Waidhofen/Ybbs. Hier blieb er bis zu seinem Tode und hat Graz, als seine Heimatstadt, nur 2 Mal berufsweise kurz wiedergesehen.
Die vertrauten steirischen Kalkalpen, besonders aber die Gesäuseberge und die ober-steirischen Berge überhaupt, konnte er von Waidhofen aus besser erreichen, als von Graz und besuchte sie jahrzehntelang nahezu allsonntäglich. Der Beruf brachte es mit sich, daß er von Kindheit auf an die spartanisch strenge Disziplin der alten Armee gewöhnt, wirkliche Urlaubsreisen — und Aufenthalte — als etwas Verweichlichendes und nicht etwas Selbstverständliches hielt und daher in die entfernteren Hochalpen nur kurzzeitige Abstecher machte. Es war allerdings jahrzehntelang sein steter Brauch zu Pfingsten und auch im Hochsommer Berg- und Schitouren in die hohen Tauern (Stubaier oder Ötztaler Alpen) zu machen. Selbst in den Jahren des 2. Weltkrieges. in denen solche Reisen geradezu verpönt waren, ließ er sich trotz größerer Schwierigkeiten nicht abhalten auf den Sonnblick zu steigen und ähnliche Touren zu unternehmen.
Nach den für ihn zunächst schweren Jahren gleich nach dem Ende des Krieges nahm er die Fahrten wieder auf und bestieg immerhin noch mit 65 Jahren den Großglockner und mit 70 die Marmolata. Eine letzte Dolomitenfahrt mit 78 Jahren zeigte ihm, trotz an sich guten Gelingens, die altersmäßige Beschränkung der Kräfte besonders bei schlechtem Wetter, sodaß er zu seinem Leidwesen dorthin, also sozusagen in sein Geburtsland, nicht mehr zurückkehren wollte. Ein letzter Besuch der jahrzehntelang nicht mehr gesehenen Kellerwand und die Erinnerung an die Kriegserlebnisse 50 Jahre zuvor bildeten in seinem 79. Lebensjahr eine Art Abschluß weitausgreifenderer Bergerlebnisse.
Schwer war für ihn das langsame Begreifen, daß das Altern nicht nur die Begehung der Berge verhinderte, sondern schließlich auch deren Anblick aus der Ferne ihn schmerzte. Traurig schließlich mit über 90 Jahren, die Erkenntnis, daß schon jeder Spaziergang auf kleine Höhenwanderwege unmöglich war. Großartig die, wenn auch resignierte Ergebung in die kleinen Freuden, die auch noch die letzten Jahre brachten, welche er früher einmal gar nicht beachtete.
Trotz allem sodann ein Hinüberschlummern nach wenigen Wochen des ganz ans Haus-gefesseltsein. So sehr die frühere Robustheit allen Strapazen gegenüber trotzte, so hatte endlich ein Winter im 95. Lebensjahr dem reichen Menschenleben das Ende beschert.
W. Hanke
Ende Juni 1920 hatte ich das Vergnügen Herrn Dr. Karl Hanke und dessen Frau im Gesäuse kennen zu lernen. Ich war mit Fräulein Grete Kundegraber unterwegs zum Beginn des Hochtor-Ostgrates, als wir beim Einstieg zusammentrafen und dann auch gemeinsam die Fahrt ausführten. Schon am nächsten Tag, wir nächtigten in Johnsbach beim Donnerwirt, waren wir wieder gemeinsam unterwegs zum Totenköpfl-Reichenstein. Obwohl das Wetter bei unserer Ankunft auf dem Reichensteingipfel schon sehr bedrohlich war, ließ es sich Frau Hanke nicht nehmen, nach guter Hausfrauenart den Tisch zum Mittagessen zu decken.
Im Abstieg hat uns dann das Gewitter freilich arg zugesetzt und wir mußten sehr achtgeben, aus dem triefigen, glitschigen Gelände heil herauszukommen. Mitte Juli 1920 war ich mit G. Kundegraber auf dem Weg zur Großen Buchstein-Südwand. Als wir in Gstatterboden ausstiegen, trafen wir wieder Dr. Hanke mit Frau, der sich uns anschloß. Es wurde eine vergnügliche Fahrt, nur der Abstieg „Ins Rohr" machte uns keine Freude. Abends erwarteten wir meinen damaligen Tourengefährten, Rudi Schlechta, dem sich im Sportzug Herr H. Schneller von der AV-Sektion Wien angeschlossen hatte. Gemeinsam stiegen wir hinauf ins Haindlkar, wo wir uns ein Freilager aufbauten. Am nächsten Tag, es war der 18. Juli, erstiegen wir bei prächtigstem Sonnenwetter die Hochtor-Nordwand auf der Jahn-Zimmer-Führe.
Wie mein Fahrtenbuch meldet, war dabei das größte Hindernis nicht mein von der Sonne des Vortages verbrannter Rücken, sondern arger Steinschlag von einer weitvoran gehenden Seilschaft; leider war damals der Steinschlaghelm noch nicht erfunden.
Ende März des Jahres 1921 haben wir gemeinsam eine Überschreitung des Riffeltors von Kaprun, bzw. Moserboden bis Dölsach ausgeführt.
Das war ein durch Schlechtwetter erzwungenes Unternehmen; ursprünglich wollten wir wieder nach Moserboden zurückkehren um Fräulein G. Kundegraber abzuholen, was uns aber das während der Nacht eingebrochene Schlechtwetter vereitelte und mir als Draufgabe einen Fußmarsch von Heiligenblut nach Winklern und über den Iselberg nach Dölsach eintrug. Dr. Hanke und Frau hatten es vorgezogen in Heiligenblut, gemeinsam mit den beiden Hauptleuten Rossi und Wallner aus Graz, die wir in der Oberalder-Hütte getroffen hatten und die mit uns auch noch den Großen Bärenkogel und die Klockerin besuchten, zu nächtigen.
Es waren nur wenige gemeinsame Touren mit Dr. Hanke und Frau, aber jede einzelne leuchtet heute noch hell in meiner Erinnerung. Schade, daß wir dann im Laufe der Jahre nicht mehr zusammengefunden haben. In meinem Gedächtnis wird Dr. Karl Hanke stes als verläßlicher, allzeit fröhlicher Gefährte weiter leben.
S. Walcher
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1982, März/April, Folge 1442, Seite 37-39
Geboren am:
14.08.1886
Gestorben am:
06.03.1981