Ganghofer Ludwig

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Biografie:
Ludwig Ganghofer.
Zu seinem 60. Geburtstage (7. Juli 1915) von Dr. A. Dreyer (München).'
Gleich dem ihm gesinnungs- und geistesverwandten Peter Rosegger ist Ludwig Ganghofer längst ein erklärter Liebling der alpinen Lesewelt geworden, und jeder neue Hochlandsroman brachte ihm auch aus unseren Reihen neue Freunde und Verehrer zu.
Die schwärmerische Naturbegeisterunq, die aus allen seinen Berggeschichten glüht und sprüht, ist ein Erbteil von Ganghofers Eltern, namentlich der gemütvollen, sinnigen Mutter.
Die Natur erscheint Ganghofer immer als „ein herrliches Wunder", in ihrem Zerstörungsdrang wie in ihrer Schöpferkraft. Schon in seiner Kindheit wurde ihm, dem blonden Förstersohne, der Wald lieb und vertraut. Aus dem Rauschen und Schweigen des Waldes lernte er (nach seinem eigenen Geständnis) seine Glaubenssätze, und „treue Sehnsucht" zog ihn immer wieder zurück in den Wald und in die klare Höhenluft der Berge.
In dem Städtchen Kaufbeuren und in dem Dorfe Welden (bei Augsburg) verlebte er die sonnigen Kinder- und Jugendjahre. Als 19 jähriger Student durfte er den (inzwischen zum Forstrat beförderten) Vater auf einer Dienstreise in das bayerische Hochgebirge begleiten. Diese Fahrt legte den Grund zu seiner unauslöschlichen Liebe zur Alpenwelt, die mit den Jahren noch wuchs und Ganghofers Streben und Schaffen Ziel und Wege wies.
Wie tief ihn der Anblick des Hochlandes damals bewegte, das klingt deutlich aus seinen späteren Worten: „Ich sah die Berge, als mein Fuß zum ersten Male ihre steinernen Hallen betrat, im Farbenzauber ihres herbstlichen Feierkleides, im Sammetgrün der steilen Fichtenwälder, in den flammenden Blutwogen der Buchengehege, mit dem echten Goldgezack der Lärchen und Birken, mit den purpurnen Feuerflocken der Vogelbeerstauden, in reinem Weiß der steilen Wände, mit einer ersten silbernen Schneeblüte auf den hohen Gipfeln — und alle diese Schönheit war überglänzt von einer klaren, milden Sonne, umflutet von lachendem Blau, durch das ein rätselsamer Flug von feinen, glitzernden Fäden ging."
Auf der Hochschule in München, wo er sich auf die akademische Laufbahn vorbereitete und mit Feuereifer in literaturgeschichtliche Studien versenkte, lockte ihn von Zeit zu Zeit der Zauber des Hochgebirges in seinen Bann. Mit übermutig heiteren Genossen rüstete er sich zu mancher leichteren Bergfahrt oder zu größeren Talwanderungen. In jenen frohen Tagen trat ihm auch Karl Stieler, der begeisterte bayerische Hochlandssänger, entgegen, mit dem ihn bald ein inniges Freundschaftsband verknüpfte.
Durch den Münchener Schauspieler Neuert wurde der neugebackene Doktor Ganghofer zu einem oberbayerischen Volksstück „Der Herrgottschnitzer von Ammergau" angeregt (1880), das in der Folge wahre Triumphe feierte und eine Zeitlang selbst Anzengrubers klassische Bauerndramen teilweise verdrängte. Ein solch ausnehmend glücklicher Wurf gelang ihm auf dem Gebiete des volkstümlichen Dramas künftig nicht wieder, obwohl seine Gebirgsstücke „Der Prozeßhansl" (1881) und „Der Geigenmacher von Mittenwald" (1884) auch zahlreiche Wiederholungen erlebten. Noch geringeren äußeren Erfolg errangen seine künstlerisch ausgereiften dramatischen Bilder aus dem Hochland „Der heilige Rat" und „Tod und Leben". Auch seine hochdeutschen Schauspiele („Die Hochzeit von Valeni", „Meerleuchten", „Der Wille zum Leben" u. a.) vermochten sich zum tiefen Leid des Autors nicht dauernd auf dem Spielplan zu behaupten.
Der Lyriker Ganghofer war bis vor kurzem nur einem kleinen Kreise bekannt, und doch entquellen ihm — besonders zum Lobe der Natur und der Berge — warme Empfindungslaute, wie in den Versen:
„Die Flut erklingt, die Bäume rauschen,
Leis' lispelnd regt sich's auf der Flur,
Und die verstummten Vögel lauschen
Dem Schlummerlieds der Natur."
In den Hochlandserzählungen erhebt sich seine wurzelechte Heimatkunst zu einer hinreißenden Kraft und leidenschaftlichen Gefühlstiefe. Zwar durchstreift er das Hochgebirge nicht als kühner Bergsteiger, doch dafür als zielsicherer Weidmann, und seine wohlgetroffenen Jägertypen müssen jedes Herz derer von der grünen Gilde erfreuen, ebenso wie die Alpinisten seine Gedichte aus den Bergen, von seinem Erstlingswerk, der Sammlung „Bergluft" (1883) angefangen, bis zu seinem farbenprächtigen letzten Roman „Der Ochsenkönig" (1914).
Als Journalist in Wien (von 1881—1893) flüchtete er zur Sommerszeit fast regelmäßig in die Alpen seiner Heimat und schöpfte hier die Stoffe zu wirksamen Erzählungen und Romanen. Sein Biograph Chiavacci urteilt: „Die Gestalten seiner Phantasie werden getränkt mit allem Licht- und Farbenzauber seiner geliebten Bergwelt."
Noch mehr befruchtete diese Ganghofers Schaffen, seitdem er sich 1897 im einsamen Gaistal, am Südabhang der Zugspitze, ein Jagdhaus erbaute, das er nach einem seiner Romane „Hubertus" taufte. Ein mehrjähriger Sommeraufenthalt in Berchtesgaden (von 1883 an) zauberte ihm die Bilder der Vergangenheit dieses unvergleichlichen Erdenwinkels vor Augen. In einem neungliedrigen Romanzyklus „Die Watzmannkinder" soll die tausendjährige Kulturentwicklung dieses Ländchens in dichterischer Verklärung erscheinen. Fünf dieser Kultur- und Zeitromane find bereits vollendet, vielleicht das Wertvollste, das uns der Dichter zu schenken vermochte:
„Die Martinsklause", „Der Klosterjäger", „Das Gotteslehen", „Das neue Wesen", „Der Mann im Salz". Doch auch andere seiner Romane stehen diesen ebenbürtig zur Seite, wie „Der laufende Berg", „Das Schweigen im Walde", „Der hohe Schein".
Neidische Nörgelsucht hat über den „Familienblattautor" Ganghofer wiederholt die Nase gerümpft. Selbstredend soll nicht verschwiegen werden, daß seine Hochlandsgeschichten nicht alle gleichwertig sind. Die spielende Leichtigkeit des Schaffens verleitete ihn dazu, zwei und drei und mehr dichterische Pläne gleichzeitig auszuführen und manche seiner Musenkinder vor der letzten künstlerischen Reise zu entsenden. Die Fabel der Handlung ist zwar immer spannend, doch nicht immer frei von psychologischen Unmöglichkeiten. Seine Gestalten sind keine Salonbauern, sondern wirkliche Gebirgler. Allein er übertüncht dort und da ihre Rauheit und mildert nach Kräften ihre Roheit. Der gutherzige Dichter, der vor ein paar Jahren in dem „Lebenslauf eines Optimisten" ein unvergleichlich schönes Selbstbildnis entwarf, will eben von den Menschen nicht schlechter denken, „als es schlimmsten Falls nötig ist". Darum sagt er von sich: „Von den tausend Menschen, die ich schilderte, Hab' ich die einen so geschildert, wie sie sind, die andern aber so, wie sie sein könnten, wenn sie nur wollten."
Auch waltet in einzelnen Geschichten wohl etwas Gefühlsüberschwang vor. Treffend bemerkt einmal einer seiner Kritiker: „Für den seelischen Schmerz des Bauern greift der Dichter entschieden einige Tasten zu hoch."
Doch diese kleinen Mängel verblassen gegenüber den leuchtenden Vorzügen seines großartigen Erzählertalents, das Sitte, Sage und Brauch der Hochlandsbewohner geschickt in den Gang der Handlung verwebt und sich auch in die dämmergraue Vorzeit versenkt. Auf streng historischen Forschungen bauen sich die Romane der Berchtesgadener Serie auf, und bei aller Freiheit der dichterischen Gestaltung verletzt der Verfasser nie und nirgends die geschichtliche Wahrheit.
In der „Fackeljungfrau" und in anderen Geschichten erweckt Ganghofer längst verschollene Bergsagen zu neuem Leben. Häufig aber zeichnet er die blühende Gegenwart, das objektiv Gesehene, als einen Beitrag zum Verständnis des Volkes und aller absonderlichen Züge seines Lebensgesichtes. Alle Geschehnisse sind von jenem sonnigen Humor durchflutet, der selbst noch unter Tränen zu lächeln vermag.
Was uns aber an allen seinen Berggeschichten besonders anheimelt, das ist die kraftvolle, plastische Art, mit der Ganghofer sowohl die träumerische Schönheit wie die furchtbare Wildheit der Hochlandsnatur zu schildern versteht. Unwillkürlich fühlt man, daß die heiße Liebe zu den Bergen ihm dabei die Feder führt. In dem „Zug zur Sonne und zur Freude" erblickt er das Glück. Daher war seine Leier stets auf den Ton froher Lebenslust gestimmt.
Da brach der gegenwärtige Krieg aus. Von seinem Landsitz im Gaistal eilte der Dichter zurück nach München, wo er seit Jahren in den Wintermonaten weilt. In nahezu hundert von vaterländischen Liedern (gesammelt in zwei Bändchen unter dem Titel „Eiserne Zither") spiegeln sich die großen Zeitereignisse. Dabei steht ihm der bittere Sarkasmus auf unsere Feinde und ihr tückisches Ränkespiel ebenso zu Gebote, wie der erhebende Preisgesang, auf die glorreichen Waffentaten der beiden verbündeten Mächte und auf ihre ruhmgekrönten Heerführer.
Vergeblich hatte er sich einst bei Beginn des deutsch-französischen Krieges 1870 als Freiwilliger gemeldet; das 15 jährige Studentlein wurde überall zurückgewiesen. Wieder
möchte er nun die Waffen ergreifen; doch nun ist er zu alt. Seinem gepreßten Herzen entringt sich der Klageruf:
„Gott! Übe Gnade jetzt an mir!
Verjünge meine Glieder!
Ich altgewordener Poet
Bin Anwert, Last und Plunder."
Und dennoch erfüllte er in diesem „heiligen Kriege" seine Pflicht als vaterländisch gesinnter Mann, nicht allein durch seine flammenden Kriegslieder, sondern auch durch seine stimmungsvollen Berichte über seine Reifen an die West- und Ostfront, ein begeistertes Hohelied auf deutsche Tüchtigkeit und deutsche Siegeszuversicht, das in taufenden und abertausenden von Herzen freudigen Widerhall weckte. Kaiser Wilhelm II. ehrte Ganghofer durch Verleihung des Eisernen Kreuzes. Zahlreiche Kundgebungen bewiesen dem Dichter neuerdings, daß er zu den Lieblingen unseres Volkes zählt.
Dem rüstigen Sechziger, dem unentwegten Freund und Lobredner der Berge, aber rufen wir zu: Vorwärts! Aufwärts!
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1915, Seite 160-162


Geboren am:
07.07.1855