Gallmann Rudolf
(
Bearbeiten)
Biografie:
RUDOLF GALLMANN (+)
Zum Lawinenunglück im Kühalptal, 29. Dezember 1925.
Wiederum hat ein begeisterter Freund unserer heimatlichen Berge, ein tiefsinniger Verehrer der Natur, unter tragischen Umständen in einer Lawine den Tod gefunden.
Rudolf Gallmann, ein langjähriges Mitglied der Sektion Uto, stieg am 27. Dezember vorigen Jahres mit seiner Gattin und zwei Bergfreunden von Madulein im Engadin zur Raschérhütte auf und traf dort am frühen Nachmittag ein. Man beschloss, daselbst zu übernachten, um am folgenden Tage über die Fuorcla d'Escia zur Keschhütte zu gelangen, ein Gebiet, das besonders Rudolf Gallmann von frühern Besuchen her gut bekannt war.
In der Keschhütte traf die Partie mit einem Bergfreunde, der wie verabredet von Bergün angerückt war, zusammen. Das Thermometer der Keschhütte zeigte ?80 Celsius, und das Barometer war gegen Abend gestiegen. Gegen 9 Uhr lagen die Berge in strahlendem Glanze vor uns, eine wahre Pracht winterlicher, nächtlicher Hochgebirgslandschaft. Alles war bis anhin nach Wunsch verlaufen, und über die Fortsetzung der Fahrt wollte man erst am folgenden Morgen entscheiden.
Die Nacht war kalt. Um 1 Uhr musste der Ofen im Winterraum nochmals geheizt werden. Der Morgen brachte zirka 3 cm neuen Pulverschnee. Die Schneeverhältnisse erschienen somit gute, und als sich gegen 11 Uhr die Nebel lichteten und vor uns die Berge in strahlender Sonne erglänzten, da waren wir überzeugt, ohne Bedenken die Abfahrt ins Val Fontauna und den Aufstieg zum Sertigpass antreten zu können. Nachdem der Eintrag ins Hüttenbuch erledigt worden, stiegen wir lustig und munter in die Bretter und die Abfahrt begann. Voran wie gewohnt unser Freund Rudolf und ihm zur Seite seine Gattin.
Die Wolken zogen sich indessen bald wieder zusammen, und als wir uns zum Anstieg auf den Sertigpass anschickten, fing es vorerst schwach, dann aber immer stärker zu schneien an. Und hinter uns war bereits die erste Lawine wie ein mächtig rauschender Bach ins Tal gefahren. Was tun ? Zurück in die Einsamkeit, wo schon Lawinen fuhren, oder vorwärts gegen Sertig? Wir kannten die Gegend, wir fuhren gegen Sertig.
Nach einem Trunk heissen Kaffees fuhr Freund Rudolf, zur Seite die Gattin, dem Ziele entgegen, hinunter ins Kühalptal. Dann folgten in grossen Abständen seine drei Kameraden. Um ja keine Lawinen anzuschneiden, wurden die steilen Hänge nach Möglichkeit geradehinunter abgefahren.
Und so gewann Rudolf Gallmann mit seiner Frau bereits den Talboden ob dem Grünsee,
und wir alle hatten die gefürchteten Stellen hinter uns. Da der Schnee nass und schwer geworden, setzte sich Frau Gallmann, um den Schnee von den Brettern zu schütteln. Ihr Gatte aber fuhr noch wenige Meter vorwärts, stellte seine Skistücke neben sich, zog die Handschuhe aus und plauderte rückwärtsschauend mit seiner Frau. Er war im sichern Gefühl, jeder Gefahr mit seinen Freunden entronnen zu sein. Aber hoch oben am Kühalphorn lauerte der weisse Tod. Eine mächtige Grundlawine überfiel plötzlich den ahnungslosen Freund und begrub ihn unter ihren kalten, schweren Massen. Frau Gallmann, kurze Zeit vom Rande der Lawine vollständig zugedeckt, konnte sich sofort herausarbeiten. Rudolf Gallmann aber war spurlos verschwunden.
Sofort wurde die Stelle, wo er zuletzt gestanden hatte, markiert, und die Zurück-gebliebenen begannen mit den Skistöcken zu suchen. Als man ihn aber nach kurzer Zeit nicht finden konnte, entschloss man sich, die Davoser Rettungsmannschaft anzurufen. Und so fuhren denn zwei hinunter nach Sertig-Dörfli, wo sie um 3 Uhr 30 abends eintrafen. Frau Gallmann war mit einem Begleiter an der Unfallstelle zurückgeblieben, um weiter nach dem Verunglückten zu suchen.
Um 5 Uhr 30 trafen die ersten zwei Mann von Sertig-Dörfli bei der Unglücksstelle ein, und um 7 Uhr 30 waren auch die ersten Führer der Rettungsmannschaft Davos bei der Lawine angelangt. Die ganze Rettungsaktion war mit sehr anerkennenswerter Raschheit und Gründlichkeit ins Szene gesetzt worden. Ein Ski des Verunglückten wurde bald an der Stelle gefunden, wo man den Vermissten zu finden hoffte. Doch weiter keine Spur. Gegen 10 Uhr abends endlich fand der Führer der Rettungsmannschaft durch Zufall weit unterhalb des gefundenen Skis den Gesuchten. Aber sein Herz hatte aufgehört zu schlagen, alle Wiederbelebungsversuche durch den anwesenden Arzt blieben erfolglos.
Bei strahlendem Monde und sternklarem Himmel fuhr er hinunter ins Tal, stumm und kalt, nach seinem geliebten Sertig, wo er vor kaum vier Jahren mit seiner Frau auf der Hochzeitsreise geweilt hatte.
Rudolf Gallmann war von Aeugst am Albis, geboren den 1. Februar 1892, der jüngste Sohn einfacher Eltern. In frühester Jugend verlor er seinen Vater durch einen Unglücksfall. Aus eigener Kraft arbeitete er sich zu einem tüchtigen, umsichtigen Kaufmann empor, der gewissenhaft und treu während langen Jahren für seine Prinzipale seine ganze Kraft einsetzte.
Vor allem aber war er auch ein liebevoller und fürsorglicher Gatte und Vater. All seine Freunde, die mit ihm hinaufziehen durften, lernten den lieben Menschen schätzen und achten, es war ein Genuss, mit ihm die Erhabenheit unserer Berge geniessen zu dürfen. Das Paradies seiner Feierstunden wurde sein Grab. Eine edle tapfere Menschenseele ist von uns gegangen.
U. K.
Quelle: SAC - Chronik des SAC und kleine Mitteilungen 1926, Seite 33
Geboren am:
01.02.1892
Gestorben am:
25.12.1925