Suess Eduard

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Biografie:
Eduard Sueß (+)
Am 26. April hat in Wien ein großer Gelehrter, dessen Name in allen wissenschaftlichen Kreisen der Welt rümlichst bekannt ist, Professor Dr. Eduard Sueß, im hohen Alter von 83 Jahren die Augen für immer geschlossen. Mit seinem Heimgang hat nicht nur die Wissenschaft einen unersetzbaren Verlust erlitten, sondern auch unser Alpenverein verlor mit Eduard Sueß eines seiner hervorragendsten Mitglieder und zugleich den letzten von den eigentlichen Mitgründern. Prof. Sueß war es, der gemeinsam mit Paul Grohmann, Edmund v. Mojsisovics und Guido v. Sommaruga, ferner mit Dr. Anton v. Ruthner und Achilles Melingo im Jahre 1862 den „österreichischen Alpenverein" gründete, der dann mit dem sieben Jahre später ins Leben gerufenen „Deutschen Alpenverein" zum „Deutschen und österreichischen Alpenverein" vereinigt wurde.
Unvergessen wird es allen Teilnehmern an der Feier des fünfzigjährigen Bestandes der „Sektion Austria" unseres Vereins (am 11. Dezember 1912) bleiben, wie damals der greise Gelehrte persönlich erschien und mit ungebrochener Kraft und tiefer Empfindung die in Nr. 24 der „Mitteilungen" 1912 veröffentlichte Ansprache hielt, in der er mit der ihm eigenen, alle Weitschweifigkeit vermeidenden, scharf gesammelten Weise schlicht und einfach die Geschichte der Gründung des österreichischen Alpenvereins erzählte, darauf hinwies, wie alle die Hunderte, die damals in jugendlicher Begeisterung sich der neuen Vereinigung anschlössen, bis auf wenige dahingegangen seien, wie er dann im Namen der Überlebenden jenen Männern dankte, die durch ein halbes Jahrhundert das Schiff mit Klugheit und Ausdauer durch alle Fährlichkeiten gesteuert haben, und mit den erhebenden Worten schloß: „Und noch eine Empfindung drängt zum Ausdruck: Das wäre ein Gruß an die Alpen. Die glühenden Gipfel des frischen Morgens, am Mittag die scharfe Grenze zwischen dem dunkelblauen Firmament und dem blendenden Firn, beim Abstieg noch der Duft des Krummholzes, dabei das gesteigerte Bewußtsein eigener Leistungsfähigkeit, das ist eine Summe von Erinnerungen, die erwärmend durch die Jahrzehnte heraufdringt und selbst dem hohen Alter zuweilen noch einen Augenblick schenkt, in dem das Herz sich füllt." Die Teilnahme an jener denkwürdigen Feier war das letzte Erscheinen des berühmten Gelehrten im Alpenverein; heute, nach kaum anderthalb Jahren, stehen wir tief ergriffen am Grabe dieses Mannes, dessen reger Geist in seiner Wissenschaft Größtes geschaffen und der zugleich auch auf so manchem Gebiete öffentlichen, der Allgemeinheit gewidmeten Wirkens erfolgreich tätig mitgearbeitet hat.
Eduard Sueß wurde als Sohn österreichischer Eltern am 20. August 1831 in London geboren und hatte, ohne,Gymnasialvorbildung, in Wien und Prag studiert. Er hatte besonders Mineralogie und Geologie betrieben und kam 1852 als Assistent an das „Wiener Hofmineralienkabinett". Seiner rastlosen Energie gelang es, sich die Universitätsprofessur zu erringen. 1857 wurde er Extraordinarius und 1867 Ordinarius für Geologie an der Wiener Universität, der er bis zum Jahre 1901 angehörte. In dieser Zeit hat Sueß sowohl als ein von seinen Hörern hochverehrter Lehrer segensreich gewirkt, wie auch jene Arbeiten veröffentlicht, die seinen Namen für alle Zeiten mit der Entwicklung der modernen Geologie ruhmreich verknüpft erscheinen lassen und besonders die tektonische Geologie auf neue Grundlagen gestellt haben. Es ist hier nicht der Ort, die wissenschaftliche Bedeutung des großen Gelehrten im einzelnen zu beleuchten; doch sei darauf hingewiesen, daß seine in der „Entstehung der Alpen" niedergelegte Lehre vom Bau des Felsgerüstes der Erde bahnbrechend geworden und noch heute beherrschend ist; und daß das Erscheinen seines berühmten Hauptwerkes: „Das Antlitz der Erde", das das gesamte Wissen auf dem Gebiete der tektonischen Geologie in meisterhafter, klarster Weise zusammenfaßt, von seinen Fachgenossen durchweg als ein epochemachendes Ereignis gefeiert worden ist. Eduard Sueß, der stets jederlei Titel oder Ordensauszeichnung abgelehnt hatte, ist die höchste in Österreich erreichbare wissenschaftliche Ehrung zuteil geworden, die Ernennung zum „Präsidenten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften" und unter seiner Führung hat diese oberste wissenschaftliche Körperschaft Österreichs eine besonders glänzende Entwicklung erfahren.
Und neben dieser bewundernswert reichen wissenschaftlichen Tätigkeit hat dieser ungewöhnliche Mann auch noch Zeit gefunden, als erfolgreicher Parlamentarier zu wirken und durch mehr als ein Jahrzehnt im Gemeinderate der Stadt Wien dem allgemeinen Wohl zu dienen. Hätte Sueß keine anderen Verdienste, so würde allein die seiner Anregung und unermüdlichen Ausdauer zu verdankende Wiener Hochquellenleitung, die der Millionenstadt das köstliche Naß der Hochregion des Wiener Schneeberggebietes zuführt, seinem Namen unvergänglichen Ruhm sichern. Aber sein Wirken war ein so umfassendes, daß in der Tat die ganze gebildete Welt den Verlust dieser überragenden Persönlichkeit mitempfinden muß, nicht zuletzt der D. u. ö. Alpenverein, an dessen Gründung Eduard Sueß sich eifrig beteiligt hat.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1914, Nr. 9, Seite 125-126


Geboren am:
20.08.1831
Gestorben am:
26.04.1914