Fiechtl Hans

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Biografie:
Bergführer Hanns Fiechtl (+)
Der unzweifelhaft erfolgreichste Bergführer der letzten alpinen Entwicklungsgeschichte, Hanns Fiechtl, ist am 1. August d. J. im Kaisergebirge tödlich verunglückt. Ursache seines Absturzes war vermutlich ein plötzlicher Schwächeanfall an einer an sich nicht besonders schwierigen Kletterstelle, deren Bezwingung seiner außerordentlichen Kletterkunst sonst gewiß ein Leichtes gewesen wäre.
Die alpine Tätigkeit Fiechtls hat sich über die ganzen Ostalpen erstreckt. Er war einer jener ganz seltenen Führer, die nicht um des Lohnes willen in die Berge gingen, sondern aus reinem alpinem Interesse. Nicht nur unser bester Bergführer ist mit ihm dahingegangen, sondern auch einer unserer besten Alpinisten überhaupt. Viele seiner Erstbesteigungen führte er mit gleichwertigen Alpinisten als treuer Bergkamerad aus und ließ diese Zeit ungenützt, die ihm als Führer gewinnbringend gewesen wäre. In Gemeinschaft mit dem Unterzeichneten gelang ihm eine Reihe erfolgreicher Besteigungen in den Dolomiten, darunter die Bezwingung der gewaltigen Nordwand des Einserkofels auf einem neuen, großartigen Wege, der auch heute noch zu den schwierigsten alpinen Unternehmungen in den Ostalpen zählt. Seine glanzvollste Leistung im Fels war aber die mit Otto Herzog durchgeführte erste Besteigung der Südwand der Schüsselkarspitze im Wettersteingebirge, wo die letzten Grenzen alpinen Könnens erreicht worden sind. Bemerkenswert sind seine Bergfahrten in den Zillertaler Alpen, so z. B. verschiedene neue Anstiege auf die Zsigmondyspitze und die 1. Ersteigung der Nordwand der Seekarlspitze im Rofan. Es wären noch zahllose Ersteigungen im Kaiser, Karwendel, in den Dolomiten und vielen anderen Gebieten zu nennen, um ein erschöpfendes Bild von der alpinen Leistung Fiechtls zu gewinnen. Im ganzen genommen, können wir sagen, daß ein so reiches Bergsteigerleben seinen Abschluß gefunden hat, wie es nur ganz wenigen, den Durchschnitt weit überragenden alpinen Bahnbrechern beschieden war.
Adolf Deye
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1925, Seite 211

Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1925, Folge , Seite 175

Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1935, Seite 275 ff

Hans Fiechtl
(*1883, + 1.8.1925
Geburtsort Münster (Tirol); 1903 autorisiert. Standquartier: Berliner Hütte. Auf die Zsigmondyspitze eröffnete er fünf neue Routen, darunter eine durch die Nordostwand mit Hans Hotter. Die beiden wiederholten 1910 die damals schwierig¬ste Kaiserroute, die Totenkirchl-Piazwand. Im gleichen Jahr Olperer-Nordostwand. Im Rofan mit Hans Dülfer Guffert-Südkante und Hochiß-Nordwand und mit E. Schmid das berüchtigte »Y« in der See-karlspitze-Nordwand. 1911 im Kaiser Versuch mit Georg Sixt Fleischbank-Ostwand, 1912 mit Hans Dülfer Predigtstuhl-Hauptgipfel-Westwand und Lärcheck-Ostwand. In der Totenkirchl-Westwand: Fiechtlkamin. 1913 mit Otto Herzog Spitzenleistung im Wettersteingebirge: Schüsselkarspitze-Südwand. Er schmiedete die Grundform des ersten brauchbaren Hakens (Fiechtlhaken). Im Ersten Weltkrieg Malaria. Nach 1923 Standquartier: Stripsenjoch. Hier Kletterkurse. Neutouren: Fleischbank-Nordwestwand, Onkel-Fickel-Riß, Totenkirchl-Nordwandsockel und 1923 Fiechtl-Weinberger-Route durch die Westwand des Predigtstuhl-Nordgipfels. Absturz am 1. 8. 1925 an seiner Route am Totenkirchlsockel. Franz Nieberl sagte über Fiechtl: »Er war ein sportlicher Kletterer höchster Vollendung, dazu ein Bergsteiger im besten Sinne des Wortes, der bestimmt viel mehr darauf ausging, mit gleichgesinnten Kameraden Bergfahrten zu unternehmen, als Führerlohn einzuheimsen. Ein Prachtkerl!«
Quelle: Der Bergsteiger 1982, Heft 8, Seite 35

Hans Fiechtl
Ein sportlicher Kletterer höchster Vollendung
Geb. 13. April 1884 in Schwendau/Zillertal
gest. 1. August 1925 durch Absturz am Totenkirchl
Viel Lob für einen Mann aus dem Zillertal, den das Bergsteigen zur Lebensaufgabe, zum Beruf wurde gab es 1927 vom Kufsteiner Franz Nieberl der ihn als „einen Prachtkerl“, einen „Bergsteiger im besten Sinne des Wortes“ beschrieb. Er schmiedete den ersten brauchbaren Mauerhaken aus einem Stück Eisen, ohne den geschweißten Ring, den so genannten Fiechtlhaken. Dieser Haken war damals der Schlüssel zu so mancher schwierigen Wand. Er war Seilkamerad von Hans Dülfer und Otto Herzog und somit im sechsten Schwierigkeitsgrad unterwegs. Eine alpinistische Berühmtheit also? Wenn man seine alpinen Leistungen betrachtet zweifellos, ja! Er war einer jener ganz seltenen Führer, die nicht um des Lohnes willen in die Berge gingen, sondern aus reinem alpinem Interesse. Dabei ist so manchem Chronisten nicht einmal die Überprüfung seiner Geburtsdaten wichtig, denn man hat ihn schon in Münster das Licht der Welt erblicken lassen. In Wirklichkeit kam er jedoch in Schwendau im Zillertal als Sohn der ………. auf die Welt.
Äußerlich war sein Talent nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Seine gedrungene Statur, der blaue, verschossene Leinenjanker, die speckige Kaiserjägermütze schief überm Ohr, sein rotbrauner Haarschopf und die geliebte Pfeife waren seine Erkennungsmerkmale. Diese nahm er zum Gruß kaum aus dem Mundwinkel, vor allem dann nicht, wenn er vor seinem Schachbrett saß. Er liebte Wein und Frohsinn, war ein unbekümmerter Draufgänger, aber auch ein eiserner Kamerad. Natürlich durfte auch das „Kraftwasserl“ im Schapsflascherl nicht fehlen.
Seine bergsteigerische Laufbahn begann in seinem geliebten Zillertal. Bereits mit siebzehn Jahren meldete er sich bei der Sektion Berlin als Träger. Er erhielt darauf hin im Jahre 1901 ein Ausweisbuch als „behördlich legitimierter Träger“. Im Laufe der Jahre entwickelte sich aus dem Träger und Führeraspiranten einer der schneidigsten Kletterer und Ostalpenführer der im Jahre 1903 er als Führer beglaubigt wurde.
Im Jahre 1908 war die Totenkirchl-Westwand im Wilden Kaiser groß im Gespräch. Rudolf Schietzold ein junger Sachse und Bergführer hatte sich im Herbst 1907 abgeseilt und kategorisch erklärt, ein Aufstieg sei absolut unmöglich. Diese Aussage reizte die „Felsentiger“ aus nah und fern. Der Lehrmeister von Schitzold, Tita Piaz wollte diese Aussage nicht glauben und reiste im Herbst 1908 mit seinem Bergführerkollegen Schrofenegger auf dem Motorrad aus den Dolomiten nach Kufstein. Er gewann noch Josef Klammer als Begleiter, obwohl dieser gegen die „moderne Stiftelei“ war, für dieses Unternehmen. Am 13. Oktober gelang ihnen die Begehung dieser Wand und der Schlüsselstelle, dem sog. „Piazwand’l“ mittels Piaztechnik. Die Tour erregte in Kletterkreisen großes Aufsehen.

Eine Vielzahl von Neutouren
Auch Fiechtl blieb diese Neuigkeit nicht verborgen. Mit seinem Landsmann, dem Träger Hans Hotter, suchte er den Kaiser auf. Auch Franz Stöger wollte bei der zweiten Begehung unbedingt dabei sein. Am 17. September 1910 schafften sie es und Fiechtl meinte lakonisch „Kolossal schwer und niemanden zu empfehlen“. Mit dieser Tour und weiteren schwierigen in seinen Heimatbergen im Zillertal wurde sein Name in Kletterkreisen mit Achtung erwähnt. So zählen die folgenden Touren unter anderem zu den Marksteinen seiner Laufbahn:
Kleiner Mörchner Nordwand mit Frau Schäckel;
Ingent-Ochsner – erste Gratüberschreitung mit H. Stieve;
Olperer Nordostwand mit H. Pauksch und Hotter;
Wörner Nordostwand mit Frl. E. Moßdorf;
Erster Sellaturm Südwestwandriß – mit O. Katzer;
Vajolet Hauptturm Südkamin mit H. Stieve;
Einserkofel Nordwand auf neuem Wege mit Adolf Deye;
Zsigmondyspitze-Südostgrat mit Hotter, Westsüdwestgrat mit dem Führer Michael Kröll (7. Juli 1911), Nordostwand – direkt aus der Floite mit Hotter (1910) und Ostnordostgrat mit Hotter (1911).
Sein Urteil über die letztere Tour im Jahre seines Todes abgegeben, lautete: „Die Nordostwand des Feldkopfes ist heute noch die schwerste aller mir bekannten Wände und erfordert bei schnellem Klettern 10 Stunden.“ Eine Wiederholung wagte 1923 Lisl Rhomberg nach intensivem Training im Jahre 1923 mit dem Erstbegeher Fiechtl. Lisl Rhomberg nannte Fiechtl „den besten Führer“. So kam es nicht von ungefähr, dass sie mit ihm in der Fleischbank Ostwand eine neue Variante eröffnete, einen Riß, der zum Ende des ersten Quergangs hinaufzieht. Sie nannte ihn „Fiechtlriߓ, er „Rhombergriߓ.
Ein weitere weibliche Größe der damaligen Zeit war Milana Jank, ein Kletterstar der zwanziger Jahre und erste Frau in der Dülfer-Westwand des Totenkirchls. Sie betrachtete Fiechtl mit den Augen einer Frau: „Am Totenkirchl war das Revier des Bergführer Fiechtl. Er war eine Art Übermensch der berge. Das Kirchl war gleichsam sein Eigentum. Er hatte, ein schwacher Vierziger, alle 53 Anstiegsrouten mindestens dreimal bewältigt, viele davon sogar selbst entdeckt. Kein Zweifel, Fiechtl wirkte kaum weniger unhemlich als das Kirchl. Er war nicht verheiratet und hatte keinen Anhang. Sein Vorleben war dunkel. Man sagt ihm nach, dass er ein Gymnasium besucht habe. Jedenfalss sprach er ganz leidlich italienisch und englisch. Ein paar Wintermonate pflegte er unsichtbar zu sein. Dann war er auf Reisen. Diese Reisen sollen sich bis Amerika und bis zum Orient erstreckt haben. Er redete nie darüber.“
Beim zweiten schwierigen Floitenaufstieg war Hotter sein Begleiter. Fiechtl war der Führende und erzählte: „Wir waren in der senkrechten, völlig glatten Wand aus Glimmerschiefer und wären fast nimmer herausgekommen. Hotter weinte wie ein kleines Kind, aber ich hab doch wieder weitergefunden.“ Die zweite Begehung dieser Wand erfolgte erst 19 Jahre später durch Peter Aschenbrenner.
1911 lernte Fiechtl auf der Strips Hans Dülfer kennen. Als merkwürdiger Zufall mutet es an dass Dülfer dem bergfremden Anfänger die ersten Schritte im Fels wies. Von jener ersten Verbindung her blieb eine dauernde Verbindung bestehen. Nach gemeinsamer Durchkletterung des Botzongkamins am Predigtstuhl führten sie miteinander folgende Neutouren durch: Guffert-Südkante und Hochiß-Nordwand im Rofan, Sonnjoch-Nordwand im Karwendel (23.Oktober 1911), Lärcheck-Ostwand und Predigtstuhl Hauptgipfel-Westwand im Jahre 1912 im Kaiser sowie den Fiechtlkamin im Jahre 1913 am Totenkirchl.
Nach den Gerüchten um zahlreiche gescheiterte Versuche an der Südwand der Schüsselkarspitze beteiligte sich Fiechtl im Herbst 1913 an der Durchkletterung. Der berühmte Otto Herzog war sein Seilgefährte und er berichtet über Fiechtl folgendes: „Fiechtl geht nun voraus. Sein Antlitz ist finster und trotzig. Mir wäre es viel wohler wenn ich an Fiechtls Stelle wäre. Plötzlich fliegt er lautlos und pendelt am Seil in die Falllinie hinüber. Seil, Karabiner und Mauerhaken halten. Frech und ohne Erholungspause geht Fiechtl die Stelle nochmals an. Mit gleichem Resultat: Sturz! Ein dritter Versuch endet ebenso.“ Kurze Zeit später an der Pendelstelle: „Der ehrgeizige Fiechtl wünscht den Vortritt. Einen Mauerhaken zwischen den Zähnen, trat er die Luftreise an, und nach einigen Versuchen glückte es ihm, sich links drüben zu verkrallen und bei einem Blümchen einen Haken einzutreiben. Die schwierige Kletterei und das Akrobatenstück haben viel Zeit gekostet und mussten mit einem Biwak bezahlt werden.“ Namhafte Größen wie Dülfer, Preuß und Piaz scheiterten an dieser Plattenflucht.
1923 wechselte Fiechtl seinen Standort und übersiedelte von der Berliner Hütte auf Stripsenjochhaus. Hier hielt er als Meister der Haken- und Seiltechnik auch Kletterkurse ab. Trotz seiner bereits ergrauten Schläfen versuchte er mit der weiterstürmenden Jugend mithalten. Er erwarb sich damit den Eindruck der Unverwüstlichkeit. Nur schade, dass er infolge schwerer, im Krieg erlittener Malariaerkrankung den Alkohol, zunächst als Heilmittel und dann auch zum gewöhnlichen Genuss schätzen lernte. Am Berg huldigte er auch diesem Gift, ohne aber jemals Unverantwortliches damit heraufzubeschwören, im Tal liebte er es in hohem Maße. Dies war wohl seine einzige Schattenseite.

Der verhängnisvolle Totenkirchl Nordwandsockel
Im Oktober 1923 gelang Fiechtl die Lösung seiner letzten Problemwand am Rofan, das Y, eine Rißreihe in der Nordwand der Seekarlspitze. Sein Seilgefährte dabei war Ernst Schmid aus Brixlegg. Die begangene Route war ein Musterbeispiel moderner Sportkletterei. Im selben Jahr gelang ihm gemeinsam mit dem 24-jährigen Kufsteiner Franz Weinberger, die schmale Westwand des Predigtstuhl-Nordgipfels. Dieser kühne Aufstieg zählte lange zu den kühnsten Klettereien im Kaiser und war von den damaligen Kaiserkletterern heiß umkämpft. Weinberger führte über acht Stunden lang an Rissen und Überhängen bis zum Gipfel. Die „Fiechtl-Weinberger“ stand hoch im Kurs. Ein Jahr später (1924) durchkletterte er den Totenkirchl-Nordwandsockel, bei dessen Wiederholung er im Sommer 1925 tödlich abstürzte. An einem verregneten Vormittag war er mit seinem Gast, Dr. Alfred Kretz aus Heidelberg, vom Totenkirchl zurückgekehrt. Nach Wetterbesserung stiegen die beiden zum Nordwandsockel gegen den Wildanger ab. Als die größeren Schwierigkeiten schon hinter sich hatten passierte es. Kretz berichtet: Fiechtl war etwa fünf Meter über mir, als er plötzlich auf Schrofen ausglitt. Ich selbst habe den Moment des Ausgleitens nicht beobachtet, doch wurde vom Stripsenjoch aus wahrgenommen, dass er mit beiden Füßen ausrutschte. Fast senkrecht stehend, das Gesicht mir zugewandt, fiel er lautlos, schon mit großer Wucht, an mir vorbei an der mauerglatten Wand in die Tiefe. Leider hielt das Seil der Wucht des hohen freien Falls nicht stand und riss. Ich sah noch wie Fiechtl über das Geröll rollte und regungslos liegen blieb. Als begeisterter Bergsteiger starb er den einzigen, für ihn in Frage kommenden Tod. Nach Aussage des Zeugen seiner letzten Fahrt muss ihn ein jäher Schlaganfall inmitten seiner Lebensfreude dahingerafft haben. Ein zweifellos erfolgreicher Bergführer der alpinen Entwicklungsgeschichte war tot.
Am 6. August 1925 wurde er im Heimatfriedhof von Münster beigesetzt. Viele der damaligen Kletterelite gaben ihm das letzte Geleit. Der Aschenbrenner Peter und der Ploner Franz aus Kufstein, der Rossi Roland aus Innsbruck und der Sager-Lugg aus München. Nieberl regete zu einer Sammlung für ein Denkmal an.
Doch sein Denkmal setzte er sich selbst mit dem Fiechtlhaken, der „Fiechtl-Herzog“ an der Schüsselkarspitze und der „Fiechtl-Weinberger“ am Predigstuhl.
Oberhuber Klaus


Geboren am:
13.04.1884
Gestorben am:
01.08.1925
application/pdf Hans_Fiechtl_-_BST_1986-9.pdf

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