Stein Robert

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Biografie:
Robert Stein
*30. Juni 1899 — (+) 27. Juli 1970
Gänzlich unerwartet erlag unser langjähriges Mitglied Dr. Robert Stein am 27. Juli einem Herzinfarkt. Sich in guter Verfassung fühlend, befand er sich in seinem Wagen und in Begleitung seiner stets treusorgenden Gattin auf einer Fahrt in den Dolomiten. In Agordo klagte er plötzlich über große Schmerzen und verlangte nach einem Arzt. Eine sofortige Einlieferung in das dortige Spital brachte aber keine Hilfe mehr.
Dr. Stein war öffentlicher Gesellschafter der weithin bekannten Manz'schen Verlags-und Universitäts-Buchhandlung sowie der gleichnamigen Druckerei, Ehrenbürger der Alma Mater Rudolphina und Träger des Großen Ehrenzeichens für die Verdienste um die Republik Österreich. Im ersten Weltkrieg leistete er Frontdienst in einer Gebirgsbatterie. Anläßlich seines Todes war von beruflich-fachlicher Seite eine kurze Pressenotiz mit dem aussagenden Titel „Ein Leben für das Buch" überschrieben, womit seine wirksame berufliche Tätigkeit bestens gekennzeichnet war. Gar viele Trauernde gaben ihm das letzte Geleit auf dem Döblinger Friedhof, darunter auch seine Freunde vom ÖAK. Wir nahmen Abschied von einem Menschen, wohl wissend und fühlend, daß eine große, außerordentliche Persönlichkeit von uns gegangen ist.
Dr. Stein hat schon frühzeitig — von der Mittelschule her — mit gleichaltrigen Kameraden zu den Bergen gefunden; auch bald mit strengen Klettereien begonnen. Neben seiner hingebenden Sorge um Familie und Beruf nahm ihn die Liebe zu den Bergen zur Gänze in Anspruch. Klubkameraden wie Roman Szalay, mit dem er unter anderem in der Türlspitzsüdwand ein sehr böses Abenteuer erlebte, wobei das Seil seine Schuldigkeit getan; dann Erich Tressler, Georg Klappholz, vor allem aber Franz Herbert Müller, waren die Gefährten dieser Zeit. Letzterer war wohl sein allertreuester Freund in und außerhalb der Bergwelt für das ganze Leben hindurch. Bewegt lauschte ich nicht selten den schönen Worten, mit welchen der Verewigte dieses so schöne Freundesverhältnis betonte. Eine sehr herzliche Partnerschaft verband ihn auch mit dem Münchner Heinz Mollier, dem er vor etlichen Jahren den Nachruf schrieb, als dieser bei Bivio den Lawinentod fand. Über diesen sonnigen Menschen kam Dr. Stein auch in engen Kontakt mit der Münchner Bergsteiger-Elite der dreißiger Jahre, die wir älteren Klubangehörigen aus den Nanga-Parbat-Katastrophen in leidvoller Erinnerung haben.
Wir beide traten Ende der zwanziger Jahre im Gesäuse auf uns zu, als jeder für sich allein nach einem Partner Ausschau hielt. Gemeinsam zogen wir fortan, zuweilen zeitlich unterbrochen, winters wie sommers durch die Ostalpen bis zur Bernina, woselbst uns trotz Schlechtwetters vom Palü bis zum Roseg schöne Fahrten in den Schoß fielen. Ein paar Jahre vor Ausbruch des zweiten Krieges ging er nach Zermatt — ich konnte ihn leider nicht begleiten —, wo er mit Walter Marin und Dr. Hermann Schneck eine Reihe schöner Viertausender erstieg.
Sein größtes Bergglück hat er jedoch zweifellos in der Partnerschaft seiner Frau Maria erlebt, die seine unermüdliche Weggefährtin bis zu seiner allerletzten Fahrt geblieben war. Immer zu jedem Opfer bereit, welches ein zuweilen recht mühevoller Berggang ihr abverlangte, räumte sie jedes Steinchen aus dem Wege, das dem Manne Unbehagen bereiten konnte. Die stete Umstellung von des Berufes Last und Sorge auf den Berg fiel dem Doktor nicht immer leicht. Oft von recht empfindlichen Hinterhauptschmerzen gequält, war er richtig indisponiert und mußte sich das Letzte abverlangen, um sein gestecktes Ziel zu erreichen.
Schon frühzeitig übertrug sich die gemeinsame Elternliebe zur Bergwelt auf Tochter und Sohn, und besonders letzterer hat sich recht bald zu beachtenswerten Leistungen entwickelt, wenn auch des Vaters Herz bei verspäteter Heimkehr stärker klopfte.
Oft und gerne lud der Tote seine Freunde und deren Angehörige in sein kultiviertes Heim. Und wie es bei einem Manne „vom Buch her" gar nicht anders sein konnte, immer lagen Neuerscheinungen von Bergbüchern und Zeitschriften griffbereit zur Stelle. Er war auch ein leidenschaftlicher Photograph, und unaufgefordert erfreuten sich seine Gäste an der Fülle heimgebrachter Farbbilder. Er liebte die Musik, vor allem Beethoven, und erlesene Schallplatten verschönten noch obendrein die so heimeligen Abende.
Dr. Stein war von einer tiefen Gläubigkeit durchdrungen und machte kein Hehl aus seiner Frömmigkeit. Hätte man ihn nicht ohnehin seiner hervorragenden Eigenschaften wegen geschätzt, hier mußte man Achtung bezeugen. Er machte es sich seit langem zur Regel, auf seinen sonntäglichen Fahrten irgendwo die Messe zu besuchen, frühmorgens, spätabends, auch zu gelegentlichen Bergandachten. Beim Klubtreffen 1953 in Admont, nach Besichtigung der berühmten Bibliothek und bei dem Gottesdienst in der Stiftskirche, war ich zutiefst beeindruckt, wie sehr er zu seinem Herrgott stand.
Für mich blieb er ganz einfach der Doktor, wie ich ihn dauernd duzte! Ein Mensch voll gütiger Eigenschaften, aber auch ein Herr, wenn es nötig war, sich Gehör zu verschaffen.
Ganz zuletzt verlief unser beider Wanderleben in völliger Harmonie. Jedem verschrieb sein Hausarzt Mäßigung im Bergsteigen, keinerlei falscher Ehrgeiz, keine Überanstrengung mehr. Wohl aber weiterhin Bewegung sowie viel Sauerstoff, lautete die Therapie! Wir haben sie, so glaube ich zumindest, getreulich eingehalten. Regelmäßig trug uns sein Volvo hinaus in den entferntesten Wienerwald, hin zu den Vorbergen. Unterwegs hielten wir an, legten nach der Karte das Ziel fest, wohin es eben gehen sollte. Es war staunenswert, mit wieviel Geschick er die Wegführung festlegte, so daß wir zumeist nach vier bis sechs Wanderstunden wieder beim Wagen landeten.
Auch das ist nun vorbei, und die Erinnerung wird mithelfen müssen, den Verlust dieser frohen Wanderschaften leichter zu ertragen. Dennoch, lieber Doktor, ich werde Dich sehr vermissen!
Gogi
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1970, November/Dezember, Folge 1364, Seite 174-175


Geboren am:
30.06.1899
Gestorben am:
27.07.1970

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