Jirout Karl

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Biografie:
Karl Jirout
*4. September 1889 — (+) 5. November 1966
Nach einem jahrelangen, sich stets verschlechternden Leiden wurde Karl Jirout im 77. Lebensjahr aus unserer Mitte gerissen. Vom Kleinhirn ausgehend, war sein Gehvermögen immer mehr behindert, und schließlich hat dann auch das Herz versagt.
Als einer seiner vielen Freunde, der besonders viel mit ihm in die Berge ging und dabei seinen gediegenen Charakter kennenlernen konnte, will ich versuchen, das Leben Jirouts auch jenen vor Augen zu führen, die ihn wohl gekannt haben, aber seine Persönlichkeit nicht näher ergründen konnten.
Aus einer gediegenen, kinderreichen, aber wahrlich nicht mit äußeren Glücksgütern gesegneten Familie stammend, war seine Jugend entsprechend karg. Sein ganzes Beginnen gestaltete sich sehr schwer, denn er mußte sich all das erst mühsam für das Leben erarbeiten, was anderen leichter gemacht war, sei es bezüglich Schule, Berufsvorbereitung und beruflicher Entfaltung sowie der späteren Hausstandsgründung. Mit einer unerhörten Zähigkeit arbeitete sich unser Freund, immer im gleichen Unternehmen, nach und nach empor und wirkte schließlich als Einkaufsleiter der Wiener Niederlassung des Welt-konzerns der Osram-Glühlampenindustrie.
Als Wiener begann Jirout seine bergsteigerische Tätigkeit in den Felsen der näheren und weiteren Hausberge und hatte seinen Freundeskreis in einem der damaligen kleineren Bergsteigerklubs. Er war bald Felsgeher strengerer Richtung geworden und führte — damals noch ohne freien Samstag — unter Verwendung vieler Nachtfahrten über das jeweilige Wochenende alle damals neuen, klassischen Fahrten der weiteren Wiener Felsbereiche durch. Nach und nach kam er in die übrigen Gebiete der Ostalpen und fand später im Freundeskreis der nunmehrigen Alpenvereinssektion Reichenstein ganz beson-deren Gefallen an den Dolomiten. Alle nennenswerten und schwierigen Kletterfahrten konnte er dort ausführen, und es war naheliegend, daß Jirout vor Ausbruch des ersten Weltkrieges seinen Militärdienst in Südtirol bei der bergsteigerischen Elite der Kaiser-schützen abgeleistet hat. Im folgenden Krieg war er dann von Beginn an stets im Fronteinsatz, zuerst in Galizien, später am Isonzo und zum Ende an der Piave.
Nach dem ersten Kriege heiratete Jirout, und eine freundlich sorgende und verständnisvolle Frau war ihm, wenn auch nicht als Bergsteiger, ein lieber Gefährte. Er kam zum ÖAK, und in der damaligen Zeit fand ich den Weg zu ihm. Viele lange Jahre hindurch waren wir dann Seilgefährten. Schöne Idealwege konnten wir gehen, wobei wir uns in den Ost- und Westalpen vielfach auf Besonderheiten im Fels und Eis verlegten. Jirout war mir dabei in all den vielen, nicht immer leichten Situationen ein besonders wertvoller Freund. Er zeigte sich auch sonst als ein ehrlicher, immer selbstloser und stets gut gesinnter, aufrechter Charakter. Die Jungen fanden Jirout äußerst aufgeschlossen, verständnisvoll und einfühlend.
In den dreißiger Jahren konnte Jirout in den Kaukasus kommen. Im zweiten Welt¬krieg war er nicht davor bewahrt, beim Volkssturm nochmals Wehrdienst leisten zu müssen. Nach Kriegsende begann dann für ihn beruflich eine äußerst schwierige Zeit, weil der große Osram-Betrieb niedergeführt war und nach vielen Widerwärtigkeiten, die sich aus der Besonderheit der Eigentumsverhältnisse ergeben hatten, erst in jahrelanger, harter Arbeit wiederaufgebaut werden mußte. Tag für Tag leistete Jirout bis in die Nächte hinein in unendlicher Schaffenskraft seinen redlichen Anteil hiezu. Den Bergen so immer mehr entzogen, arg abgerackert und weit über das pensionspflichtige Alter hinaus, trat er dann, wohl öffentlich geehrt und ausgezeichnet, aber beruflich doch nicht so belohnt, wie er es verdient hätte, nach 50jähriger Dienstzeit in den Ruhestand. Aber damit war ihm nicht die Ruhe beschieden, es begann vielmehr schlagartig sein heim-tückisches Leiden, das er, immer mehr und mehr zurückgezogen, unter großen Schmerzen geduldig ertrug.
Ich habe versucht, ein Bild zu skizzieren vom Menschen, Charakter und Bergsteiger Karl Jirout. Jeder von uns, die wir fast ein Leben lang mit ihm beisammen waren und geteilt haben nicht nur all die vielen, herrlichen Bergerlebnisse, sondern auch ein reich¬lich Maß von Ungemach des Lebens, wir alle haben ihn so nochmals ganz klar vor Augen. Unser Freund hat dabei in jeder einzelnen Phase voll bestanden. Immer und immer wieder war er unser aufrechter, edler und ehrlicher Karl Jirout, dessen Bild wir weiter in uns wachhalten wollen.
Hans Püchler
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1967, September/Oktober, Folge 1355, Seite 117-118


Geboren am:
04.09.1889
Gestorben am:
05.11.1966

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