Noll-Hasenclever Eleonore

(Bearbeiten)

Biografie:
Noll-Hasenclever Elenore,* Duisburg,Remscheid, später Frankfurt, Lausanne
+ Weißhorn,Biesgletscher (Schneebrett)
Eleonore Nol-Hasenclever galt zu ihrer Zeit alpenweit als eine der erfolgreichsten Bergsteigerin und war die bekannteste Alpinistin im deutschsprachigen Raum und hat sich als erste Bergsteigerin international einen Namen gemacht. Vor allem in den Schweizer Westalpen unternahm sie abenteuerliche Touren und hielt darüber Vorträge in den männerdominierten Sektion. Das war eine Sensation.
Eleonore bestieg über einhunderfünfzig 4000er, davon einundzwanzig mit Alexander Burgener. Sie bewegte sich auch auf dem gesellschaftlichen Parkett ebenso gewandt wie im alpinen Gelände. Selbstsicher, liebenswürdig und gesprächig beherrschte sie auch in gewohnter Weise die Gesellschaft. Die Begeisterung für die Berge wurde der in Duisburg geborenen und in Frankfurt aufgewachsenen Tochter aus gut situiertem Hause nicht in die Wiege gelegt. Als Schülerin lebte sie in einem Mädchenpensionat in Lausanne und war fasziniert von der schweizer Bergwelt. Mit dem Bergführer Alexer Burgener entwickelte sich eine herzlich,freundschaftliche Beziehung. 1899 stand "Gamsli" Eleonore auf dem Matterhorn,ihrem ersten Viertausender. Sie verbrachte jeden Sommer mehrere Wochen in den Schweizer Alpen und im Montblancgebiet, ließ sich vom berühmten Bergführer Alexander Burgener ausbilden und wurde eine ausgezeichnete,selbstständige Bergsteigerin. Unbekümmert setzte sie sich über gesellschaftliche Konventionen hinweg
und setzte auch nach ihrer Heirat ihr freies Bergsteigerleben fort. Für sie waren Knickerbocker im Gelände bereits eine Selbstverständlichkeit und ließ sich in keine Schublade stecken. Auch nach der Heirat,anders wie ihre Kolleginnen,unternahm sie noch allein spektakuläre Bergtouren. Sie veröffentlichte Berichte und hielt Vorträge über ihre vielen Unternehmungen.
Neben Burgener war Eleonore oft mit Richard Weizenböck aus Graz und anderen Bergkameraden unterwegs. Zunächst zu ihrer Mitgliedschaft im Österreichischen Alpenclub trat sie 1912 in den Deutschen und Österreischen Alpenverein ein. Sie war auch in den Ostalpen und den Dolomiten aktiv,kehrte aber immer wieder in die Westalpen zurück,um dort die hohen Gipfel zu besteigen. Das Weißhorn wurde ihr schließlich zum Verhängnis. Mit einem Schneebret wurde sie in der Ostwand in die Tiefe gerissen. Sie war nicht nur Bergsteigerin, sondern war in erster Linie Ehefrau und Mutter für ihr Töchterlein.
Quelle: Gerd Schauer, Isny im Allgäu

1899 Beg.Matterhorn-Hörnligrat,III,4478m, (Walliser Alpen)
1906 Best.Dent Blanche,4357m, (Walliser Alpen)
1907 Best.Dom,4545m, (Walliser Alpen)
1907 Best.Monte Rosa-Dufourspitze,4634m, (Walliser Alpen)
1907 Beg.Portjengrat-Südgrat,3654m, (Walliser Alpen)
1907 Best.Weißmies,4023m, (Walliser Alpen)
1907 Best.Fletschhorn,3996m, (Walliser Alpen)
1907 Beg.Egginer Horn "Egginergrat",3367m, (Walliser Alpen)
1907 1.Überschr.Ulrichshorn,3925m,-Balfrinhorn,3783m, (Walliser Alpen)
1908 Beg.Bietschhorn-Westgrat,3934m, (Berner Alpen)
1909 Best.Aiguille des Grand Charmoz,3444m, (Montblancgebiet)
1909 1.Best.Grandes Jorasses-Pointe Croz,4110m, (Montblancgebiet)
1909 Best.Aiguille Verte,4122m, (Montblancgebiet)
1909 Best.Mont Lachat,2023m, (Hochsavoyen)
1909 Überschr.Montblanc,4807m, (Montblancgebiet)
1909 Best.Dom de Rochefort,4015m,über Aiguille de Rochefort,4001m,- Mont Mallet,3989m, (Montblancgebiet)
1909 Überschr.Grande Jorasses-Pointe Whymper,4184m, (Montblancgebiet)
1909 Überschr.Mont Lachat-Aiguille du Goûter,Dôme du Goûter-Montblanc-Mont Maudit, (Montblancgebiet)
1910 Skibest.Mittlerer Bärenkopf,3359m,Vorderer Bärenkopf,3263m, (Hohe Tauern)
1910 Skibest.Breitkopf,3154m, (Hohe Tauern)
1911 Überschr.Aiguille des Grand Charmoz,3444m, (Montblancgebiet)
1911 Best.Grand Grepon,3482m, (Montblancgebiet)
1911 Überschr.Courtes,3856m, (Montblancgebiet)
1911 1.Beg.Aiguille de Bionnassey Westnordwestgrat "Tricot-Grat",II,2250 HM,4052m, (Montblancgebiet)
1911 Überschr.Montblanc über den Tricotgrat - vom Calet des deux Frères über Pointe de Tricot - Aiguille de Tricot - Aiguille de Bionassay-Westnordwestgrat,4052m,- Dom de Goûter-Cabane Vallot, (Montblancgebiet)
1911 Überschr.Petit Dru-Grand Aiguille du Dru,3754m, (Montblancgebiet)
1911 Überschr.Aiguille des Grand Charmoz,3444m, (Montblancgebiet)
1911 Best.Monte Pelmo,3168m, (Dolomiten)
1911 Best.Monte Civetta,3220m, (Dolomiten)
1911 Best.Cima di Zopel,2813m, (Pala,Dolomiten)
1911 Best.Cima di Campido,3001m, (Pala,Dolomiten)
1911 Überschr.Cima di Focobon,3054m, (Pala,Dolomiten)
1911 Best.Dent de Géant,4009m, (Montblancgebiet)
1911 Best.Aiguille du Moine,3412m, (Montblancgebiet)
1911 Best.Aiguille de Blaitière,3522m, (Montblancgebiet)
1911 Best.Tour Ronde,3792m, (Montblancgebiet)
1911 Best.Petit Charmoz,2867m, (Montblancgebiet)
1911 Best.Aiguille de I'M,2844m, (Montblancgebiet)
1912 Best.Crête des Charmoz, (Montblancgebiet)
1913 Beg.Fletschhorn-Nordwestgrat und Überschr.Laguinhorn Nordgrat-Westgrat,3996m, (Walliser Alpen)
1913 Beg.Weißmies-Südostgrat,4023m, (Walliser Alpen)
1913 Best.Portjengrat,3654m, (Walliser Alpen)
1913 Überschr.Allalinhorn Ostgrat-Westgrat,4027m, (Walliser Alpen)
1913 Überschr.Südlenzspitze Nordostgrat -Nordwestgrat und Nadelhorn-Nadelgrat,4327m, (Walliser
1913 Überschreit. Dent Blanche,4357m -Wandfluh - Col d'Hérens, (Walliser Alpen)
1913 Best.Pollux,4092m, (Walliser Alpen)
1913 Best.Monte Rosa über Cresta Rey,4634m, (Walliser Alpen)
1913 1.Beg.Windgällenlücke - Groß Windgällen vom Seewlisee,3187m, (Glarner Alpen)
1914 Best.Dom,4545m, (Walliser Alpen)
1914 Best.Rimpfischhorn,4199m, (Walliser Alpen)
1914 Beg.Weißhorn-Ostgrat,4505m, (Walliser Alpen)
1915 Übersch.Unter.-und Obergabelhorn,4063m mit Abstieg über Wellenkuppe,3911m, (Walliser Alpen)
1915 Best.Rimpfischhorn,4199m, (Walliser Alpen)
1915 Beg.Matterhorn-Hörnligrat,III,4478m, (Walliser Alpen)
1915 Überschr.Riffelhorn,2927m, (Walliser Alpen)
1915 Beg.Zinalrothorn-Triftgrat,4221m, (Walliser Alpen)
1915 Viele Bergfahrten im Gesäuse,Dachsteingruppe,Wetterstein,
1919 Überschreit.Wellenkuppe-Obergabelhorn-Abstieg Arbengrat,4063m, (Walliser Alpen)
1919 Beg.Matterhorn-Zmuttgrat,IV,bis 58°,4478m, (Walliser Alpen)
1919 Überschr.Monte Rosa Dufourspitze,4634m und Grenzgipfel,4631m und Abstieg über Ostwand zur Marinellihütte-Nordend Ostwand,4612m,-Bétempshütte, (Walliser Alpen)
1919 Überschr.Täschhorn,4491m - Dom,4505m,- Südlenzspitze,4294m, - Nadelhorn,4327m, (Walliser Alpen)
1919 Überschr.Zinalrothorn mit Abstieg Westgrat,4221m, (Walliser Alpen)
1920 Überschr.Tête de Valpelline,3798m, (Walliser Alpen)
1920 Überschr.Dent d'Herens über Ostgrat,4171m, (Walliser Alpen)
1920 Überschr.Gran Paradiso,4061m, (Grajische Alpen)
1921 Beg.Matterhorn-Hörnligrat,III,4478m, (Walliser Alpen)
1921 Beg.Riffelhorn-Südwand,2928m, (Walliser Alpen)
1921 Überschr.Dent d'Herens vom Col des Murailles-Abstieg Südwestgrat,4171m, (Walliser Alpen)
1921 Best.Jungfrau,4158m, (Berner Alpen)
1922 Besteigungen in den Zillertaler Alpen
1922 Best.Monte Rosa-Nordend,4612m, (Walliser Alpen)
1922 Überschr.Täschhorn-Mischabelgrat und Abstieg über Südwestgrat "Teufelsgrat",4491m, (Walliser Alpen)
1923 Beg. Aiguille Argentiere-Ostwand,3902m, (Montblancgebiet)
1923 Best.Aiguille de Triolet,3870m, (Montblancgebiet)
1923 Best.Mont Dolent,3823m, (Montblancgebiet)
1923 1.Gratüberschreit.Matterhorn Zmuttgrat,IV,bis 58°,4478m - Astieg Italienergrat - Col du Lion - Pointe Maguignaz - Pointe Carrel - Pointe Blanche zum Dent d’Hérens über Ostgrat,4171m, -Abstieg Westgrat,4171m, (Walliser Alpen)
1924 Skibest.Strahlhorn,4190m, (Walliser Alpen)
1924 Skibest.Albhubel-Mellichenhorn,4206m, (Walliser Alpen)
1924 Skibest.Allalinhorn,4027m, (Walliser Alpen)
1924 Skibest.Cima di Jazzi,3803m, (Walliser Alpen)
1924 1.Beg.Breithorn Westgipfel-Nordwand,4165m, (Walliser Alpen)
1925 Best.Mettelhorn,3406m, (Walliser Alpen)
1925 Überschreitung Lyskamm,4527m, (Walliser Alpen)
1925 Überschreitung Breithorn,4165m, (Walliser Alpen)
1925 Beg.Riffelhorn-Gletschercouloir,2927m, (Walliser Alpen)
1925 Best.Lyskamm,4527m, (Walliser Alpen)
1925 Best.Bishorn,4153m, (Walliser Alpen)
1925 Beg.Matterhorn-Hörnligrat,III,4478m, (Walliser Alpen)
1925 Überschr.Balfrinhorn,3802m, (Walliser Alpen)
1925 Beg.Alphubel-Westgrat,4206m, (Walliser Alpen)
1925 Beg.Rochefort-Grat,4015m, (Montblancgebiet)
1925 Best.Grandes Jorasses-Pointe Walker,4208m, (Montblancgebiet)
Quelle: Gerhard Schauer, Isny im Allgäu

War mit Gefährten wie Hans Pfann und Willo Welzenbach die erfolgreichste Alpinistin ihrer Zeit (Monte-Rosa Ostwand, Überschreitung Matterhorn - Dent d'Herens, Dent Blanche, Dom, Weißhorn). Vom "Gamsli" (Name stammt vom Führer Alexander Burgener aus Saas Fee) erzählt man sich, daß Bergführer im Wallis 1913 ihr Seil zerschnitten, weil sie mit einer anderen Frau auf die Berge der Weißmiesgruppe steigen wollte.

Eleonore Noll geborene Hasenclever (+)
Am 18. August 1925 erfolgte am Zermatter Weißhorn unweit des Punktes 3365 m des Ostgrates eine Lawinenkatastrophe. Durch sie verunglückte die weit über Deutschlands und Österreichs Grenzen bekannte beste und erfolgreichste deutsche Bergsteigerin, Frau Eleonore Noll, geb. Hasenclever, aus Frankfurt a. M. tödlich. Ihr Begleiter Dr. Pfann aus München erlitt einen Bruch des linken Oberschenkels, während der dritte Teilnehmer Professor Trier aus München fast unverletzt davon kam.
Professor Trier berichtet in Übereinstimmung mit Dr. Pfann folgendes:
„Am 17. August stiegen Herr Pfann, Frau Noll, ich und ein Träger mit Decken von Randa auf zum Biwak in den Felsen der Guggifluh, etwa 3200 m hoch. Unterhalb der Freiwänge (Brunnegghorn) verbrachten wir die Nacht, in der Frühe schickten wir den Träger wieder zu Tal und verließen um 6 Uhr den Platz, kletterten die Felsen noch vollends hinauf und erreichten 7 Uhr 30 den Biesgletscher. 8 Uhr bis 8 Uhr 45 Biesjoch, 11 Uhr 40 bis 11 Uhr 59 Bieshorn.
Die ursprüngliche Absicht, anschließend daran den Weißhorn-Nordgrat zu machen und auf dem normalen Wege zur Weißhornhütte abzusteigen, ließen wir schon am Biesjoch fallen, erstens wegen drohendem Wetterumschlages, dann wegen zu später Zeit.
Am Biesjoch waren wir wieder 1 Uhr 30 bis 2 Uhr 35. Wir querten nun den Biesgletscher in Richtung auf den vom Weißhorn, Punkt 3781, nach Nordosten sich absenkenden Gratast, überschritten ihn auf Höhe 3300, stiegen die Schutterrasse hinab auf den südlichen Arm des Biesgletschers, der östlich von Punkt 3781 sich absenkt, und hatten nun noch einen steilen Schneehang zu ersteigen, der uns vom Schalliberggletscher trennte. Der Kamm dieses Schneehanges liegt in Richtung 3781—3365 m. Pfann ging voran, Frau Noll in der Mitte, ich am Schluß. Schnee naß und schwer. Nach einem Drittel des Weges löste ich Pfann im Vortritt ab. Ich ging die noch fehlenden 100 m hinauf, Mitte Frau Noll, Pfann am Schluß. Zuerst senkrecht. Dann rief mir Pfann zu, schräg nach links hinaus zu queren, um nicht so hoch ansteigen zu müssen. Ich kam bis ungefähr 15 - 20 m unterhalb des Kammes, als ich plötzlich über mir (10 m) den Hang reißen sah. Die Schneebrettbrücke war sehr klein, nur 20 - 30 cm. Trotzdem gelang es mir nicht, Stand zu halten. Ich war mit den Füßen im guten unteren Schnee, Pickel ebenfalls tief drinnen. Aber der Untergrund war bis zum Eis erweicht und die schwere Schneemasse schob mir die Füße und den Pickel heraus. Ich glitt abwärts, zuerst versuchend mit dem Pickel wieder zu bremsen. Umsonst. Das Schneeschild überschob sich sofort, warf sich auf meine Brust und warf mich kopfüber abwärts. Es gelang mir im Fall wieder aufzukommen, Kopf und Arme im Schneebrei wieder frei zu bekommen und oben zu bleiben. Ich bekam mehrmals Risse durchs Seil und fiel schließlich bei vollem Bewußtsein bolzengerade, Kopf oben, 15 m tief in eine etwa 15 m breite Spalte, blieb dort bis zum Bauch mit den Beinen im Lawinenschnee stehen und sah sofort über mir den Schneerest herniederprasseln. Es trat bald Ruhe ein. Als ich mich nach kurzer Zeit freimachte, stellte ich fest, daß das Seil zu Frau Noll in den den Spalt ausfüllenden Lawinenschnee lief. Frau Noll mußte verschüttet sein, während das Seil Noll-Pfann senkrecht aus der Spalte 15 m hoch wie eine Saite gespannt in die Höhe ging zu einer Spaltenbrücke, auf welcher Pfann lag. Ich rief ihn an und erhielt sofort Antwort. Pfann klagte über ungeheure Schmerzen. Er hatte den Oberschenkel gebrochen. Ich bat ihn, mir seinen Pickel herunterzuwerfen, den meinen entriß es mir beim Sturz in die Spalte und ich konnte mich nicht auf's Pickelsuchen verlegen. Pfann erklärte, vor Schmerzen keine Bewegung machen zu können und seinen Pickel, der etwa 1 m von ihm lag, nicht erreichen zu können. Daher machte ich mich sofort daran, mit den Händen dem Seil zu Frau Noll hin nachzugraben, hatte auch bald einen Fuß von ihr erreicht und zog daran. Sie zuckte noch mit dem Fuße, aber ich konnte sie nicht herausziehen. Daher scharrte ich wie ein Maulwurf, was ich nur konnte mit den Händen weiter, kam schließlich bis zum Leibgurt, aber es ging so nicht weiter, es ließen meine Kräfte nach und meine Hände erstarrten Da die Lebenszeichen der Fr. Noll seit geraumer Zeit aufgehört hatten, schnitt ich das Seil Noll-Trier ab, lief die Spalte entlang im Lawinenschnee bis unter Pfann, der mir nun seinen Pickel zuwarf. Sofort wieder zurück zur Frau Noll, mit dem Pickel weiter bohrend und mit den Händen den nassen Schnee auswerfend, kam ich endlich nach einer halben Stunde zum Gesicht und zur Brust von Frau Noll. Ich konnte den Schnee, der schwer und naß war, nur immer mit den Händen herauswerfen. Frau Noll lag mit dem Kopf nach unten etwa nur 1 1/2 m tief aber so eingeklemmt, daß ich sie nicht herausziehen konnte. Ein Fuß ganz oben, der andere noch tief im Schnee. Ihre Gesichtsfarbe war bereits leichengelb, der Mund ganz voll Schnee. Ich reinigte ihr den Mund, machte ihren
einen Arm frei und bemühte mich, durch Heben und Drücken auf die Brust wieder Leben zu erwecken. Alle meine Mühe war aber umsonst. Obwohl der ganze Körper bis auf den einen Fuß in der von mir gegrabenen Höhle freilag, konnte ich ihn nicht herausbringen. (Der Rucksack war noch im Schnee verklemmt, wie sich später herausstellte.) Nach 10 Minuten mußte ich einsehen, daß Frau Noll nicht mehr zu erwecken war. Ich rief dies Pfann zu. Das Seil zu Pfann schnitt ich auch durch, sicherte die Leiche der Frau Noll am 15 m Seilstück und ihren Pickel, den ich seitlich im Lawinenschnee der Spalte fand und ging zu Pfann hinauf. Diesen zog ich von der Spaltenbrücke, auf der er lag und die sich einsturzbereit über mir wölbte, weg zum Rand, und hinterließ ihm meine ganze Wäsche und Eßvorräte. Ich mußte Hilfe holen, (Fr. Noll konnte ich nicht mehr helfen) den ganzen steilen Schneehang, den wir herabgefallen waren, wieder hinauf, teils Stufen schlagend, teils die drohenden oben noch hängenden Schneebrettreste vermeidend, den Kamm erreichen.
Der Absturz erfolgte um 4 Uhr 15 (meine Uhr blieb stehen). Um 6 Uhr verließ ich Pfann und Fr. Noll. Den Schalliberggletscherarm nördlich der Weißhornhütte stieg ich unter ständiger Gefahr in Spalten einzubrechen ab, fiel auch trotz aller Vorsicht in die Randkluft, konnte mich aber wieder herausschnellen und erreichte dann um 8 Uhr abends die Weißhornhütte. Eine Partie von 2 Herren und 2 Führern schlief dort bereits. Ich trug sofort den Führern auf, nach Randa abzusteigen. Selbst konnte ich es nicht mehr, denn ich hatte eine Brustquetschung erlitten und konnte nur unter großen Schmerzen atmen. Um halb 9 Uhr etwa verließ der Führer Perren die Hütte und eilte mit einem von mir auf einen Zettel geschriebenen Bericht, der an das Hotel Mont Cervin in Zermatt gerichtet war, nach Randa. Wetter schlecht, Regen und Graupeln durcheinander."
Hermann Trier.
Bereits kurz, nach 10 Uhr traf die Unglücksnachricht in Zermatt ein. Der Besitzer der Seilerschen Gasthöfe, Dr. Seiler, stellte sich sofort in den Dienst der Rettungsexpedition, ließ die erforderlichen Gegenstände herbeitragen und zwei Wagen anspannen. Auf diesen fuhren der Leiter der Expedition, Herr Versluys, ein alter Tourenfreund der Fr. Noll, mit seinen zwei Führern, ferner Dr. W. Martin als Arzt, Dr. Borchers, Matschunas und Rüsch (die beiden Letzteren waren gerade von einer Besteigung der Dent d' Herens, 4180 m, zurückgekehrt), um 11 Uhr nachts nach Randa.
Der Führer Perren hatte sofort nach seinem Eintreffen in Randa (1445 m) auch die dortige Rettungsstelle alarmiert und sogleich waren mehrere Randaer Führer zur Weißhornhütte (2859 m) aufgebrochen. Andere folgten. Ebenso die Kolonne aus Zermatt, die gegen 1 Uhr nachts aus Randa abmarschierte. Voran lief Versluys in einem 600 m Stundentempo. Die Nacht war völlig dunkel (Neumond), der Pfad, der anfangs durch Wald führt, ist schlecht. Um halb 5 Uhr früh konnte die erste Hilfskolonne von der Weißhorn-Hütte abmarschieren und traf um halb 6 Uhr bei Punkt 3365 nahe der Unfallstelle ein. Andere folgten, sodaß neben den Touristen 14 Führer und Träger anwesend waren, während drei weitere Führer später einen Schlitten, Beinschienen usw. zur Hütte trugen.
Dank der warmen Nacht wurde Pfann verhältnismäßig wohl aufgefunden. Bei Frau Noll konnte der Arzt nur noch den Tod durch Erstickung feststellen. Ihre Leiche wurde in einen Sack gehüllt, über den etwa 55 – 60° steilen Firnhang hinaufgezogen und von 5 Führern zur Weißhornhütte gebracht. Pfann bekam zur Linderung feiner Schmerzen eine starke Morphiumeinspritzung.
Sein gebrochenes linkes Bein wurde mit Hilfe von zwei Brettern und Wickelgamaschen geschient, dann wurde er auf eine Tragbahre gebunden und so von 6 Führern, denen zwei zum Stufentreten vorausgingen, den steilen Firnhang hinaufgetragen, über den das Schneebrett abgegangen war; eine ganz außerordentliche Leistung besonders hervorgetan haben sich dabei die Führer Joseph Maria Julen und Gottfried Perren. Auch der alte Truffer, der mit seiner Rettungskolonne seinerzeit den schwerverletzten Erler am Schalligrat geborgen hatte, war wieder zur Stelle.
An dem Unglückshang waren noch alte Spuren zu sehen, die von einer Partie herrührten, welche dort vor etwa zwei Wochen mit dem Führer Ferdinand Imboden gegangen war. Das Schneebrett war nicht von einer glatten Fläche abgerutscht, sondern teils war diese tief ausgehöhlt, teils waren nur wenige Zentimeter der Schneeauflage abgegangen. Die Unterlage war so wenig hart, daß die Rettungsmannschaften fast ausschließlich mit Stufentreten auskamen.
Mit größter Vorsicht wurde Pfann zur Weißhornhütte hinabgetragen, wo er bald nach 9 Uhr vormittags ankam, und dort erwärmt und gelabt. Die sterbliche Hülle der Frau Noll wurde von hier auf einem Schlitten hinabgefahren. Sie traf um 2 Uhr in Randau ein, Pfann um 3 Uhr nachmittags. Dabei wurde das Empfinden der Expeditionsteilnehmer von der gaffenden, ausfragenden und photographierenden Menge der schaulustigen Sommerfrischler recht peinlich berührt. Pfann wurde mit dem Zuge 4 Uhr 20 von Dr. med. Martin nach Brig (Wallis) ins Krankenhaus gebracht und befindet sich jetzt dort auf dem Wege der Besserung. Frau Noll wurde in einen Sarg gebettet und abends mit Fuhrwerk nach Zermatt gebracht.
Der telegraphisch aus Frankfurt herbeigerufene Gatte der Verblichenen ordnete ihre Beisetzung in ihrer Bergheimat Zermatt an, was auch allen anwesenden Bergsteigern und Einheimischen aus dem Herzen gesprochen war.
Am Freitag, den 21. August vorm. 9 Uhr versammelten sich die Leidtragenden in der englischen Kapelle, die der englische Pfarrer bereitwillig zur Verfügung gestellt hatte. Das Gotteshaus war bis auf den letzten Stehplatz gefüllt. Unter einem Hügel von Blumen verschwand der Sarg. Das gerade anwesende Hauptausschußmitglied Dr. Borchers hatte einen großen Kranz aus Edelweiß niedergelegt mit einer Schleife mit der vom Kunstmaler Harald Kaufmann in aller Eile aufgemalten Inschrift „Der D. u. Oe. A. V. seiner größten Bergsteigerin". Der Kranz des Ö.A.K. trug die Inschrift „Unserer besten Kameradin der Ö.A.K., der des A.A.V.V. „Der A.A.V.B. der besten deutschen Bergsteigerin". Ferner hatten die Sektion Frankfurt des D. u. Oe. A. V., der Frankfurter Schiklub, Dr. Seiler und viele andere Freunde der Verstorbenen Kränze niedergelegt.
Der unverletzte Kamerad der letzten Bergfahrt, Prof. Trier, widmete der Verstorbenen Worte des Abschieds.
Unser H.A.-Mitglied Dr. Borchers widmete ihr folgenden Nachruf: „Als junges Mädchen von 16 Jahren ging sie zum erstenmal in die Berge und hatte schon früh als Eleonore Hasenclever in der alpinen Welt sich einen Namen errungen. Der Altmeister der Bergführer, Alexander Burgener, war ihr Lehrmeister, und es ist ein besonders tragisches Geschick, daß sie bei dem weißen Tod durch die Lawine zum Opfer gefallen sind. Als sie 10 Jahre lang in Alexander Burgeners Lehre gewesen war, da erklärte er sie für alpin mündig, und nun war sie in der Tat eine Bergsteigerin von ganz außergewöhnlichen Leistungen und Erfolgen. Mehr als 150 mal weilte sie auf Gipfeln über 4000 m, und von den 75 Viertausendern, die wir in den Alpen zählen, hat sie 65 erklommen. An Ausdauer, Schnelligkeit, Entschlußkraft, alpinem Können und Verständnis war sie den besten Berggängern gleich. Sie war ohne Zweifel die beste und bedeutendste deutsche Bergsteigerin, ja, die beste Bergsteigerin in der ganzen Welt.
Aber nicht nur die Hochachtung vor ihrem Können war das, was uns mit ihr verband, sondern auch ihre herzliche Kameradschaft. Wo sie auch in den Alpen weilte, sei es in Zermatt, sei es in Chamonix oder an anderen Orten, stets sammelte sich um sie ein Kreis frischer froher deutscher Bergsteiger und sie sorgte sich um jeden wie eine Mutter, wenn er in Bergnot war oder es zu sein schien. Ebenso herzlich war sie auch mit den Einwohnern der Alpentäler und vor allem mit denen Zermatts verbunden. Groß und Klein, Alt und Jung, jeder kannte sie, jeder schätzte und liebte sie. Und die Liebe der Einwohner dieses Zermatter Tales hat sich jetzt mit aller Eindringlichkeit wieder gezeigt, nicht mit Worten, sondern mit stiller, pflichterfüllender Tat, indem die Führer von Randa und Zermatt in so außerordentlich schneller Weise ihre sterbliche Hülle und ihren verletzten Kameraden geborgen haben. Ebenso rechnet es sich die Führerschaft zur Ehre an, ihren Sarg aus der Kapelle zum Friedhof tragen zu dürfen.
Und noch eins. Frau Noll war nicht nur Bergsteigerin allein, die darob etwa andere Pflichten vernachlässigt hätte. Sie war in erster Linie Gattin und Mutter, voller Liebe und Pflichten für ihren Gatten und ihr Töchterlein. Kurz, wir sehen in ihr eine Idealgestalt von Frau und Bergsteigerin zugleich.
Nun ist sie nicht mehr. Gottes unerforschlicher Ratschluß hat sie von uns gerissen. Sie ist mutig und tapfer gefallen, wie der gute Soldat im Kriege. Auch sie ist auf dem Felde der Ehre geblieben. Wir müssen jetzt von ihr Abschied nehmen, aber wir werden sie, so oft wir nach Zermatt kommen in jenem Winkel Zermatts suchen, und wenn wir auf die Berge steigen, wird sie bei uns sein.
Sie wird uns stets unvergeßlich bleiben. Sie wird nun hier ruhen, wo ihre wahre Heimat ist. und ihr Grab wird für uns Bergsteiger ein Wallfahrtsort werden. Möge ihr die Erde leicht werden, die sie deckt. Die ewigen Berge halten ihr die Totenwache."
Noch ein ergreifendes Geigenspiel und ein Gebet des Pfarrers. Dann wurde der Sarg zum Friedhof getragen und in das Grab gesenkt neben den vielen, meist am Matterhorn gebliebenen Bergsteigern. Der Gesangverein von Zermatt sang ihr ein letztes Lied, der protestantische Pfarrer und der englische Reverend sprachen ein Gebet, dann fielen die Erdschollen auf den Sarg und weinend über das tragische Geschick dieser großen Frau und ihrer Hinterbliebenen verließ die Trauergemeinde den Friedhof.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1925, Seite 210-211

Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1925, Seite 181 f

Eleonore Noll-Hasenclever
Ein Gedenkblatt zu ihrem 25. Todestag
Vor 25 Jahren, am 18. August 1925, kamen Frau Noll, Hans Pfann und Hermann Trier nahe dem üblichen Weißhorn-Weg beim Abstieg vom Bieshorn unter ein Schneebrett. Pfann blieb schwer verletzt in einer Spalte liegen, Trier konnte sich selbst herausarbeiten, Frau Noll mußte als Leiche geborgen werden. Auf dem Zermatter Friedhof liegt Deutschlands beste Bergsteigerin. Das war Eleonore Hasenclever aus Frankfurt am Main, geboren am 4. August 1880 in Duisburg, seit 1914 verheiratet mit Johannes Noll. Es gibt viele Frauen, die kühnere Kletterfahrten unternommen haben als das „Gamsli“, wie Alexander Burgener sie genannt hatte, eine Paula Wiesinger, Mira Marko-Debelakova, Loulou Boulaz, Nini Pietrasanta und wie sie alle heißen mögen, sind schwierigere Wege gegangen. Die bergsteigerische Gesamtleistung Frau Nolls rechtfertigt jedoch den Ehrentitel der „besten deutschen Bergsteigerin“, den ihr Philipp Borchers in seiner Abschiedsrede gab. Sie war keine Kletterin, aber eine Westalpengeherin von mindestens in Deutschland unerreichtem Format.
Ihr „Bergvater“ und Lehrer war Alexander Burgener, der große Saaser Bergführer, dessen der „Bergkamerad“ in Heft 42 gedachte. Mit ihm führte sie von 1899 bis 1909 eine Reihe großer Bergfahrten in den Walliser Alpen und Montblanc-Gruppe durch, darunter die Besteigung von 21 Viertausendern. Zu verschiedenen Touren nahm Burgener sie als zweiten Führer mit, ein Beweis seines großen Vertrauens ich ihre Fähigkeiten. Nach Burgeners Lawinentod am Bergli ging Frau Noll gelegentlich mit seinem Sohn Heinrich, meist aber führerlos und vielfach selbst als Führende, so führte sie 1911 ihren späteren Gatten über die Grandes Charmoz, 1913 eine junge Schweizerin auf die berge des Saastales. Vor dem ersten Weltkrieg war Dr. Richard Weitzenböck häufig ihr Gefährte; mit ihm beging sie u.a. den Dome de Rochefort über die Aiguille de Rochefort mit anschließender Besteigung des Mont Mallet sowie die Pointe Whymper der GrandesJorasses über die Südwestwand und den Westgrat und den Montblanc über den Tricotgrat der Aiguille de Bionnassay. Neben diesen Erstbegehungen gelangen ihr großzügige Fahrten auch nach Kriegsende: 1919 der Abstieg durch die Monte-Rosa-Ostwand von der Dufourspitze zur Marinellihütte und anschließender Wiederaufstieg zum Nordend, eine hervorragende, bis dahin unerreichte Leistung, ferner 1922 eine Besteigung des Täschhorns über den Mischabelgrat mit Abstieg über den Teufelsgrat, 1923 mit Pfann und Welzenbach die erstmals in voller Ausdehnung ausgeführte Überschreitung Matterhorn – Dent d’Herens (Zmuttgrat – Col du Lion – Pointe Maquignaz – Pointe Carrel – Pointe Blanche – Dent d’Herens – Col de Valpelline) und 1924 mit Pfann, Welzenbach und Allwein die Begehung der Nordwand des Zermatter Breithorn-Westgipfels. Mehrfache Besteigungen eingerechnet, stand Frau Noll über einhundertfünfzigmal auf dem Gipfel eines Viertausenders. Dazu kommen große hochalpine Skifahrten in den Westalpen und in den sonst von ihr ziemlich vernachlässigten Ostalpen. Nur während des Krieges unternahm sie Kletterfahrten in den Ennstalern, in der Dachstein-Gruppe und im Wetterstein. Eine Erstbegehung in den Urner Alpen war die Große Windgälle vom Seewli-See aus (1913). Zu ihren Gefährten gehören außer den bereits genannten Bergsteigern noch Männer wie Dyhrenfurth, Reuschel. O.E. Meyer, Nieberl, Eduard Mayer, Dr. W. Martin und Hübel.
Das Bild von Frau Noll wäre unvollständig, wenn ihre menschlichen Eigenschaften unerwähnt blieben. Ihre Großzügigkeit im Verein mit den reichlichen Mitteln, über die sie verfügen konnte, ermöglichte manchen Bergsteigern erst den Besuch der Westalpen. Sie war eine zuverlässige Bergkameradin, aber auch eine vorbildliche Frau und Mutter. In ihren gewandt geschriebenen Aufsätzen und als vielbegehrte Vortragsrednerin kündete Eleonore Noll-Hasenclever von der Schönheit und Macht der Berge, die sie vor 25 Jahren zu sich nahmen.
Dr. Graßler
Quelle: Der Bergkamerad 1950 26. August, Heft 47, Seite 767-768

Quelle: Mitteilungen des DAV 1976, Seite 238 f und 246



Geboren am:
04.08.1880
Gestorben am:
18.08.1925