Schullern Heinrich von

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Biografie:
geboren in Innsbruck (Österreich)
gestorben in Innsbruck (Österreich)

Zu Heinrich von Schullerns 70. Geburtstag.
Der Dichter und Bergfahrer.
Es war in den neunziger Jahren des vorigen Jahr-Hunderts, als sich im Sang und Klang des Tiroler Landes ein neuer Ton mit emporschwang, der ganz Österreich und, darüber hinaus, weit ins deutsche Land aufhorchen machte. So stolzen, heimatfreudigen Klang hatte man seit Hermann von Gilms Tagen nicht mehr erlauscht. Das waren die Sänger und Sager von "Jung Tirol", die sich an Freiheit, Bergfreude, Sonnen- und Lichtglauben in jubelnde Begeisterung erhoben, daß ihre Lieder und farbenfrohen, naturhaften Schilderungen in allen deutschfühlenden Kerzen lauten Widerhall fanden. Neben Toni Renk, Arthur von Wallpach, Franz Kranewitter, Hermann und Rudolf Greinz und vielen anderen wurde auch Heinrich von Schullern als Mitarbeiter im Musenalmanach "Jung Tirol" genannt.
Er, der in Innsbruck geboren war und auf Wunsch des Vaters Medizin studierte, trat bald mit einem Bändchen von Schilderungen und Gedichten, "Helldunkel" (1892), in die Öffentlichkeit. Wie so vielen anderen Kunstlern ward auch ihm zu seinem Erstlingswerke keine besondere. Aufmunterung von außen zuteil. Weil aber echtes
Künstlertum aus innerem Bedürfnis schafft, so erschien einige Jahre später der als Kulturdokument bewertete Roman "Im Vormärz der Liebe" . (1900). Und plötzlich war unser Dichter berühmt. Mit keckem Griff und heißem Herzen hatte er an ein bisher nur angedeutetes soziales Problem gepackt und vom Evangelium der neuen Liebe gepredigt. Sein "Neues Skizzenbuch" (1901) fand schnell seinen Weg in die Öffentlichkeit, und nun folgte ein neuer Roman "Ärzte" (1902), der die Kritik aufhorchen machte., Er zeigt schonungslos den Konkurrenzkampf und gewissenlose Geschäftstüchtigkeit jener Menschen, die, den innersten Beruf des Arztseins nicht erkennen und der umfassenden Menschenliebe entbehren. Tief in die Probleme der gläubigen Seele griff sein Roman "Katholiken" (1904) und zeigt vom tiefen Miterleben der Schicksale jener dichterisch kraftvoll gezeichneten Gestalten. Es folgt das Bändchen "Streiflichter" (1908) und "Berggenossen" (1912). Packend, meisterhaft geschildert, sind oft ganz einfache Begebenheiten des täglichen Lebens, aber sie zeigen die dichterische Kraft des Verfassers, der überall die Goldbarren der Poesie glänzen sieht.
Der große Wurf gelingt Schullern jedoch in seinem Roman "Jung Osterreich" (1910). Im Helden des Romans ist wohl der Schreiber selbst zu erkennen. Er geht seinen Weg durch jugendlichen Überschwang, aufbäumenden wilden Trotz gegen Zwang und Willkür bis zur Läuterung. In Spannung folgt der Leser, wie aus Irrgang und Seelennot Begeisterung und Glaube an ein freies deutsches Osterreich emporwächst. Es ist ein Prachtvoll geschriebenes Kulturbild des damaligen Österreichs, und selten hat ein Buch so widersprechende Kritiken erfahren. Leider ist es vergriffen und eine ungekürzte Neuauflage im Ungewissen. Der Arzt und Kinderfreund läßt den für Eltern und Erzieher bemerkenswerten Roman „Vom Blühen und Verderben" (1912) entstehen.
Nun kommt die Wende in des Dichters Innenleben. Die Heimat hat ihn an sich genommen. Es folgen ein Band „Gedichte" (1912), Erzählungen "Im Garten des Glaubens" (1918) und wieder Gedichte „In der Bergheimat" und weiter eine Auswahl fein empfundener Erzählungen „Zwischen Welt und Bergesstille". In all diesen Werken sprudelt der goldklare Quell urkräftigster Heimatverbundenheit. Ein Bändchen
Erzählungen "Aus Südtirols Vergangenheit" leitet den Dichter zum Hort geschichtlicher Fundgruben Tirols. Der große historische Roman "Kleinod Tirol" (1927) erscheint und ihm folgt "Boccaccio auf Schloß Tirol" (1932). Ein Novellenbändchen "Die Welt der Träume" (1933) erscheint und die vom Heimweh diktierten Tagebuchblätter aus Polen und Rußland, wo er Kriegslärm, Kampf und Not im Lazarett kennenlernt, "Erinnerungen eines Feldarztes" (1934).
Aber auch in der Dramatik erwarb sich der Dichter vollste Anerkennung. Seine Einakter „Genußmenschen", "Satisfaktion", "Die Perlenschnur" und die "Sinfonie" wurden mit großem Erfolg auf den Bühnen von Wien, München, Mainz, Salzburg usw.
aufgeführt, doch leider nie im Spielplan erhalten, obwohl sie weder inhaltlich noch bühnentechnisch veraltet sind.
Nun rüsteten des Dichters Vaterstadt, Land und Staat, um den Dichter, "unseren Schullern", für sein reiches Schaffen im Heimatdienst gebührend zu ehren. Er ist unter seinen tirolischen Kollegen der einzige, der auf dem Parkett, im bürgerlichen Milieu, auf der Schutzhütte, im dörflichen Beisammenleben gleich daheim ist, so wie im Militärdienst.
Wehmütig berührt uns sein Ausspruch: "Der Abschied von meinem literarischen Schaffen wird mir nicht schwer. Die Welt baut an neuen Idealen, wohl aber sehr schwer wird mir der Abschied von den Bergen, von den großen, einsamen Höhen, die nur der Kraft der Jugend gehören."
In einer pessimistischen Anwandlung entstand schon vor Jahren das schwermütige Lied:

Letzte Bergfahrt.

Mein Bangen, wenn ich zum letztenmal
Dort droben, in der Urwelt, wandern mag
Und meines treuen Pickels Stahl
Das letztem«! mir Stufen schlag.
Verhüll, Geschick, mir solcher Einsicht Tag,
Bewahr mich gnädig vor des Scheidens Qual,
Wenn ich den Pickel und mein Sehnen trag
Ins Firnenreich zum letztenmal.

Es ist noch weit bis dahin: Noch klirren ihm Pickel und Nagelschuh. Hat doch der Fünfundsechzigjährige noch in Begleitung eines Führers das Zuckerhütl in den Stubaiern „gemacht", und der Achtundsechzigjährige hat im Firnenharsch der Parseyerspitze noch seine Stufen geschlagen. Noch lebt seine warme Menschenliebe, noch lauscht er den Offenbarungen der Natur im Tier und in der Blume. Noch lebt die kindliche Märchensehnsucht, und innige Poesie begleitet den Dichter auch heute noch auf jedem Weg in die Höhe.
Mit Begeisterung erzählt er von seinen Bergfahrten, die er aus seinem Kinder-Ferienglück in Oberitalien in die Brescianer Alpen unternommen hat. Wie er als 17jähriger Jüngling, nur mit einem Hüterbuben als Begleitung, durchs Val Camonica auf den Adamello stieg.
Zuletzt allein, abenteuerfreudig, denn der jugendliche Wanderer wurde auf den Almen vor Bären, Wölfen und Räubern gewarnt. Damals gab es noch keine markierten Wege, keine Schutzhütten, keine ausgebildeten Bergführer in diesen Winkeln. Die Gletscherwelt Tirols bezwang sein Fuß fast durchwegs. Er kennt alle Joch-Übergänge, alle Wege und Schutzhütten. Machte seine Alpenfahrten in den Gletschern und kletterte im Kalkgebirge und in den Dolomiten. Preist die abendliche Stimmung und Gemütlichkeit in der Schutzhütte, den nächtlichen Sternenhimmel über dem Biwaklager. In der Bergfreiheit sang er seine schönsten Lieder, dort holte er Kraft und Schall. Dort oben nur scheint ihm das Leben wert. Er vergleicht sich selbst mit dem alten Kirschbaum auf seinem Sommersitz in Natters bei Innsbruck:

Wir beide.
Vor meinem Fenster blüht ein alter Kirschenbaum
Wie jedes Jahr.
Ihm darf der Frühling nicht vorübergehn.
Er will ja auch im Schmucke stehn
Und wieder schau'n im Jugendtraum
Wie's einstens war.
So träum' auch ich im Frühling meinen Jugendtraum
Trotz Alters Last.
Und meine Seele geht im Vlütenkleide.
Wir freuen uns und achten beide
Des scharfgeschliff'nen Beiles kaum
In all dem Glast.
Und so, will's Gott, noch manches Jahr!

Alice Czelechowski.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1935, Seite 114

Quelle: Berge und Heimat 1952, Seite 148

Dr. Heinrich von Schullern - Eintritt ins 90. Lebensjahr - 70 Jahre Alpenvereinsmitglied.
Dr. H. V. Schullern, Generalstabsarzt i. R., tritt am 17. April dieses Jahres in sein 90. Lebensjahr ein. Schon dies wäre wahrlich Anlaß genug, des Nestors der Tiroler Dichter zu gedenken. Unsere herzlichen Glückwünsche gelten aber nicht nur dem Dichter zahlreicher Novellen, Romane usw., etwa der berühmten Roman-Trilogie, die unter dem Titel "Das Land im Gebirge" 1950 wieder erschienen ist, sie gelten auch dem Bergfreund und Alpendichter und nicht zuletzt einem der ältesten Mitglieder des Alpenvereins. H. v. Schullern ist nämlich am
15. 7. 1884 schon der Alpenvereinssektion Innsbruck beigetreten, d. h. er feiert heuer im Juli das seltene Jubiläum 70jähriger Mitgliedschaft. Schon bei seinem 85. Geburtstag, am 17. 4. 1949, hat die Universität Innsbruck dem verdienten Jubilar die Ehrenmitgliedschaft der Alma mater Oenipontana verliehen. V. Schullern
war immer ein leidenschaftlicher Bergsteiger, und das fand auch seinen Niederschlag in den Dichtungen. Von den Veröffentlichungen, die damit verbunden sind, seien vor allem genannt: ?Berggenossen und andere Erzählungen", denen die Ehre zuteil wurde, 1914 als Nr. 5650 in Reclams Universal-Bibliothek aufgenommen zu werden, wo bereits 1920 das 100 000. Stück erschien! 1924 erschienen in Innsbruck neue Gedichte unter dem Titel ?In der Bergheimat", 1926 ein Auswahlband ?Zwischen Welt und Bergstille". Nach dem zweiten Weltkrieg erfuhr die erwähnte Roman-Trilogie aus der Geschichte Tirols eine Neuauflage in den drei Bänden "Boccaccio auf Schloß Tirol" (ein Margarete-Maultsch-Roman), ?Der Herzog mit der leeren Tasche" und ?Kleinod Tirol". Dies alles ist nur eine kleine Auswahl aus dem umfangreichen Schaffen des Dichters (vgl. ?Berge und Heimat", 1952,
Seite 148).
wfg.
Quelle: Der Bergsteiger Heft 06 März 1954, Seite 65


Geboren am:
17.04.1865
Gestorben am:
1955