Dier Raimund

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Biografie:
Raimund Dier
Das Gedenken an Raimund Dier, diesen gütigen Menschen, der am 26. Juli vergangenen Jahres als hoher Achtziger von uns geschieden ist, wird immer mit der Erinnerung an seinen so jäh und früh verstorbenen Bruder Josef Dier verbunden sein. Raimund und Josef Dier waren in den frühen neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Mitglieder in den Österreichischen Alpenklub gekommen, zu einer Zeit, da gerade die junge Bergsteigergeneration in unserem Klub ihren Aufstieg nahm und ein bedeutender Zuwachs an Mitgliedern erfolgte. Es war die Zeit des Aufstrebens der Mitglieder hochalpiner Richtung. Darunter befanden sich neben den Brüdern Dier eine Reihe unserer Prominenten, wie Dr. Heinrich Pfannl und eine große Zahl, die an dem sogenannten „langen Tisch" bei den Doirnerstagzusammenkünften den Saal füllten.
Die Brüder Dier führten immer gemeinsam ihre Bergfahrten im Hochschwabgebiet, im Gesäuse, im Dachsteingebiet — darunter auch nach damaligen Begriffen schwierige Kletterfahrten — durch und gehörten auch zu den ersten alpinen Skifahrern.
In diesem Zusammenhang kam ich mit den Brüdern Dier in innige Beziehungen. Insbesondere war es das Schiprogramm, das uns besonders interessierte. Nachdem gerade zu unserer größten Freude der erste Schnee gefallen war, vereinbarten wir für den 29. November 1896 eine gemeinsame Schifahrt auf das Stuhleck. Nach einem vergnügten Abend am 28. November nächtigten wir gemeinsam in Mürzzuschlag, um am nächsten Morgen den Aufstieg zu beginnen. Der Schnee war weich und daher etwas mühsam zu befahren, aber wir stiegen trotzdem in verhältnismäßig kurzer Zeit bis zum Hauptkamm empor. Dort vereinbarten wir, daß die Brüder Dier noch bis zum Stuhleckgipfel aufsteigen sollten, während ich langsam und vorsichtig allein die Abfahrt nach Mürzzuschlag antrat. Und da erfüllte sich die traurige Tatsache, daß durch den schlechten, teils abgewehten Schnee sowie durch den eingetretenen Nebel die Fahrt sich ungünstig gestaltete. Josef Dier aber, der voraus war, entschloß sich unverständlicherweise zu einer Abfahrt in entgegengesetzter Richtung, als geplant war, und entschwand unweit des Gipfels den Blicken seines Bruders. Als wir anderen und sein Bruder Raimund am Abend heimfuhren, fehlte Josef Dier. Unter der Annahme, er sei irgendwo anders eingestiegen, fuhr unsere Schigesellschaft mit Raimund Dier nach Wien. Da Josef Dier auch hier nicht aufschien, vermuteten wir sofort, daß irgendein Mißgeschick ihn ereilt haben müsse. Nachdem die am nächsten Tag ausgesendete Hilfsexpedition erfolglos blieb, entschloß sich eine Reihe unserer Klubmitglieder, darunter neben Dr. Pfannl auch meine Person, zu einer Suchaktion in das Stuhleckgebiet zu fahren. Dort haben wir den nach einer schneidigen Abfahrt gestürzten Josef Dier aufgefunden, der infolge Bewußtlosigkeit den Tod durch Erfrieren erlitten hatte.
Das war das Schicksal des so innig verbundenen Brüderpaares Dier, das dazu führte, daß Raimund sein Bergsteigen späterhin nicht mehr in dem Sinne erfüllte, wie es von beiden Brüdern begonnen worden war. Raimund Dier ist aber trotzdem bis zu seinem Lebensabend ein treues Mitglied des Klubs geblieben, was er durch Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen bewiesen hat. Nachdem Raimund Dier seinen Wohnsitz in Wien vor Jahrzehnten verlassen hatte und bei einem großen Unternehmen in St. Pölten in verantwortungsvoller Stellung tätig war, verlor auch ich bis auf die wenigen Klubabende, an denen wir uns trafen, die Verbindung mit ihm.
Die alpinen Fahrten und Klettertouren zu Lebzeiten seines Bruders waren für die damalige Zeit sehr beachtlich. Es wurden im Hochschwabgebiet die Hochschwab-Südwand, im Gesäuse die Planspitz-Nordwand, der Kleine und der Große Buchstein, der Ödstein, im Dachsteingebiet der Torstein, der Eiskarlspitz und viele andere Gipfel bestiegen.
Der Tod Raimund Diers raffte somit einen der letzten Träger der alten Tradition der damals entstandenen jungen Bergsteiger- und Schifahrergilde der neunziger Jahre, von denen heute nur mehr wenige übrig geblieben sind, hinweg.
Alfred Radio-Radiis
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1957, Folge 1292, Seite 83-84


Gestorben am:
26.07.1956

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