Mayr Julius

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Biografie:
geboren in Rotthalmünster (Deutschland)
gestorben Brannenburg (Deutschland)

Dr. Julius Mayr zum 80. Geburtstag.
Von Heinrich Heß, Wien.
Am 7. Januar 1935 begeht eines der treuesten und verdienstvollsten Mitglieder unseres Vereines die Feier des 80. Wiegenfestes; einer der schon sehr wenig werdenden Männer, die dem D.u.Ö.A.-V. von dessen ersten Jugendjahren an treu und unverbrüchlich angehören, die ihm allzeit freudig und hingebungsvoll ihre besten Kräfte gewidmet und damit dazu beigetragen haben, die Grundlage für seine erfolgreiche Entwicklung und für sein machtvolles Aufblühen zu schaffen.
Es möge mir gestattet sein, dem vielverdienten Mann bei dieser Gelegenheit einige Worte anerkennenden Gedenkens zu weihen.
Julius Mayr wurde am 7. Januar 1855 zu Notthalmünster in Niederbayern geboren. Er besuchte in seiner Vaterstadt die Volksschule; kam danach an das Gymnasium im Benediktinerstift Metten und erwarb am Ludwigsgymnasium in München 1873 das Absolutorium, wo er dann auch das Medizinstudium begann, zu dessen Vervollkommnung er vielfache Reisen nach Wien, Prag und Berlin unternahm. Nach seiner Promovierung ließ ,er sich in Rosenheim als Arzt nieder und widmete sich hauptsächlich der Chirurgie und der Geburtshilfe. Er war aber auch vielfach medizinisch-literarisch tätig. Welches Vertrauen ihm seine Fachkreise entgegenbrachten, geht daraus hervor, daß sie ihn als Vertreter in die Ärztekammer entsandten sowie daß er als Bezirksarzt nach Bogen in Niederbayern berufen wurde. Nach einer schweren Erkrankung übersiedelte er 1901 nach Brannenburg-Tegerndorf in sein eigenes Haus, wo er mit seiner ihm 1880 angetrauten Gattin in glücklichster, harmonischer Ehe weiter in etwas eingeschränkter Weise seinem ärztlichen Beruf lebte. Ein freundliches Geschick hat es gefügt, daß Julius Mayr und seine gleichgesinnte Lebensweggefährtin 1930 noch das seltene Fest der Goldhochzeit begehen konnten. Leider ward ihm schon ein Jahr später die schwere Heimsuchung auferlegt, die treue Gattin durch den Tod zu verlieren.
Rotthalmünster, Dr. Julius Mayrs Geburtsort, besitzt den Reichtum eines wundervollen, die Höhen vom Traunstein bis über den Chiemgau umfassenden Alpenblickes. Diese dem mit lebhaftem Sinn für die Natur ausgestatteten Jungen täglich gebotene herrliche Schau hat sicher mächtig dazu beigetragen, die in ihm schlummernde, von seinem naturfrohen Vater ererbte Liebe für die Bergwelt zu lebhafter Entfaltung zu wecken, und der gleichfalls für die Schönheit der Alpen begeisterte Vater hat die Neigung des Sohnes sorgsam gepflegt und verständnisvoll gefördert. So konnte es gar nicht anders kommen, als daß der Junge, dem ein tiefes Naturempfinden als goldene Gabe auf seinen Lebensweg mitgegeben war, ein begeisterter und ein unerschütterlich treuer Freund der Berge wurde und zugleich deren feinsinniger Beobachter. Aber auch ein begnadeter Schilderer und Preiser der Alpenschönheit ist er geworden, der durch seine zahlreichen, tiefempfundenen, durch ihre anheimelnde und zugleich gehaltvolle Sprache ebenso wie durch die ihnen zugrunde liegende meisterhafte Naturbeobachtung ausgezeichneten Landschaftsschilderungen und Wanderberichte unzähligen Gleichgesinnten viele genußreiche Stunden geschenkt sowie sich damit eine reiche Zahl dankbarer Verehrer gesichert hat.
Schon im Alter von sechs Jahren konnte der von seinem alljährlich die Kur in Badgastein gebrauchenden Vater dahin mitgenommene künftige Alpinist zum erstenmal die Hochgebirgswelt betreten. Und in den Gasteiner Bergen war es auch, wo später der vierzehnjährige Gymnasiast den ersten höheren Alpengipfel, und zwar den 2464 m hohen Gamskarkogel, ersteigen durfte. Von da ab ist Julius Mayr ein eifriger Bergwanderer geworden und er ist den Alpen bis zum heutigen Tag unwandelbar treu geblieben. Auf zahllosen, während vieler Jahrzehnte eifrig ausgeführten Streifzügen hat er alle nennenswerten Berggruppen der Ostalpen durchwandert sowie eine, lange Reihe ihrer ragenden Höhen erklommen und sich damit eine ebenso umfassende wie gründliche Kenntnis der deutschen Alpen angeeignet. Doch auch andere Länder hat der eifrige Naturfreund aufgesucht, so vor allem Österreich und Ungarn sowie besonders das sonnige Italien, wo er mit Vorliebe abseits der großen Heerstraßen wanderte und unter anderem 1898 den Gran Sasso d'Italia bestieg. Seine ganze, volle Liebe war aber und blieb den Alpen geweiht. In diesen suchte und fand er immer wieder neue Erbauung und Erhebung. Doch nie ist er ein einseitiger Gipfelstürmer gewesen, nie bevorzugte er ausschließlich die Hochregionen, sondern immer fesselten ihn in gleicher Weise auch die bescheideneren, intimen Schönheiten der mittleren Höhen, ja vor allem die Voralpen mit ihren Almen, Wäldern, Fluren und Seen. Sein feingestimmtes Naturempfinden schöpfte gerade aus ihnen lauteres Gold, und die Berge der bayrischen Voralpen haben in Julius Mayr nicht nur einen begeisterten, verständnisvollen Verehrer gefunden, sondern auch einen unvergleichlichen Künder ihrer vielartigen Reize, dessen Landschaftsschilderungen darum vorbildlich sind und eine besondere Note zeigen, weil sie tiefgründigem, feinsinnigem Naturempfinden entsprungen und durchleuchtet sind von dem Weitblick, den sich der schöngeistige, kunstliebende Mann durch seine umfangreiche literarische Tätigkeit, durch seine Pflege der schönen Literatur, vor allem aber durch sein gründliches Vertiefen in die Schöpfungen unseres größten Dichters, Altmeisters Goethe, das ihm zum Lieblingsstudium geworden ist, angeeignet hat. Insgesamt hat Julius Mayr 52 Vorträge gehalten und den Mitgliedern des Alpenvereins 61 Aufsätze geschenkt, 5 davon in der „Zeitschrift" und 56 in den „Mitteilungen". Eine Auslese von 27 der schönsten und fesselndsten Landschaftsschilderungen sind in einem Band „Auf stillen Pfaden" erschienen, sie bilden eine Zierde des alpinen Schrifttums und einen Schatz für gewiegte Kenner.
Dem D.u.Ö.A.-V. gehört Julius Mayr seit 1873 an. In jenem Jahre trat er der Sektion München bei. Deren Vorstand war v. Bezold und in dem damals noch kleinen Kreis der Sektionsmitglieder waren Männer wie Theodor Trautwein, Max Krieger, Babenstuber, Böcklein und andere Altmeister der Bergsteigerwelt des neuen Mitgliedes Umgang, und an ihrer Seite erlebte das junge Sektionsmitglied die bewegte Zeit der ersten, machtvollen Entwicklung unseres Vereins mit. Er hörte in der Sektion München noch Ludwig Steub und Karl Stiel er Vorträge halten, und ihm und seinen Hochschulgenossen gab bei einem Waldausflug Franz Kobell seine "Mankei-Jagd" in unerreichbarer oberbayrischer Mundart zum besten. 1875 lernte Mayr .in der Valepp den gleichfalls noch jungen Karl Arnold, den nachmaligen, jahrzehntelangen, hochverdienten Vorstand der Sektion Hannover, kennen, und aus der flüchtigen Begegnung erwuchs eine treue Freundschaft, die volle 53 Jahre, bis zu Arnolds Tod, währte.
Als Julius Mayr sich 1880 in Rosenheim niederließ, trat er der dortigen AV.-Sektion bei und beteiligte sich bald eifrig am Sektionsleben durch Vorträge usw. Seine Wanderungen führten ihn nunmehr vorwiegend in die Berge des nahen Inntals und des Chiemgaues, die ihn allmählich ganz gefangen nahmen und seine besonderen Lieblinge wurden. 1883 ward er als Vüchereileiter in den Sektionsvorstand gewählt.
1886 fand die erste Hauptversammlung des Gesamtvereins zu Rosenheim statt. Gelegentlich eines im Anschluß an die Hauptversammlung zu Bozen veranstalteten Ausfluges nach Kastelruth am Schlern regte Julius Mayr die Errichtung einer Gedenktafel für Oswald v. Wolkenstein in der Ruine Hauenstein an und er sicherte die Durchführung durch eine sofort vorgenommene Geldsammlung, die ansehnlichen Erfolg hatte. 1887 wurde er einstimmig zum Vorstand der Sektion Rosenheim gewählt. In dieser Eigenschaft veranlaßte er 1888 die Stiftung einer Gedenktafel für Ludwig Steub, den Erschließer des „Tatzel-Wurms", und er verfaßte auch deren Inschrift.
Als Vorstand der S. Rosenheim beteiligte er sich auch regelmäßig an den Tagungen des „Salzburgisch-Chiemgauischen Sektionenverbandes". Bei einer diesen Beratungen trat er für die Wahl der S. Salzburg als Vereinsvorort mit Prof. Dr. Ed. Richter als Vorsitzenden ein. Dieser Vorschlag wurde freudig aufgenommen und alsbald verwirklicht. Gelegentlich der Meraner Hauptversammlung 1892 griff Julius Mayr wiederholt eifrig in die Verhandlungen ein und gab mehrfach wertvolle Anregungen. 1894 wurde er in den „Weg- und Hüttenbau-Ausschuß" berufen, dem er durch fünf Jahre angehörte.
Im Jahre 1894 wurde die bedeutendste Schöpfung der S. Rosenheim, das auf Anregung und unter der Leitung Dr. Julius Mayrs erbaute Brünsteinhaus, feierlich eröffnet. Als im Jahre 1897 der nunmehrige Jubilar von Rosenheim nach Bogen übersiedelte, ehrte ihn die S. Rosenheim für seine reichen Verdienste durch die Ernennung zum Ehrenmitglied. Und dieser Ehrung folgte anläßlich der 60jährigen Vereinsmitgliedschaft die Ernennung zum Ehrenvorstand.
Kurz vor seiner Übersiedlung nach Bogen hatte er noch den Verlauf des heutigen Gipfelweges auf den Brünstein erkundet und festgelegt. Den Weg benannte dann die Sektion ihm zu Ehren „Julius-Mayr-Weg".
Auch in der Ferne bewahrte Julius Mayr seiner S. Rosenheim Treue und warme Anteilnahme, und als er 1901 sich für dauernd in Brannenburg bei Rosenheim niedergelassen hatte, berief ihn die Sektion abermals als Vorstand an ihre Spitze. In den fünf Jahren dieser seiner zweiten Vorstandschaft Pflegte er eifrig das Vortragswesen und die Geselligkeit in der Sektion. 1913 erfolgte seine Berufung in den Hauptausschuß, und zwar als Referent für die damals noch ganz junge Alpenvereins-Bücherei, und in dieser Eigenschaft hatte er unter anderem die Aufgabe, den König und die Königin von Bayern bei Gelegenheit ihrer Büchereibesichtigungen mit Ansprachen zu begrüßen.
Er gehörte dem Hauptausschuß durch sieben Jahre, und zwar gerade in der Zeit des Weltkrieges, an.
So ist denn unser Jubilar während mehrerer Jahrzehnte eng mit unserem Alpenverein verflochten gewesen; die Reihe seiner Verdienste um ihn sowie um seine Sektion ist eine lange und ehrenvolle. Wenn ich hier noch anfüge, daß Julius Mayr insgesamt 285 Gipfelbesteigungen und Jochübergänge ausgeführt hat, und auch auf die an anderer Stelle dieser Zeilen gebrachte Aufzählung seiner Schilderungen und Wanderberichte verweise, glaube ich ein freilich nur flüchtiges Bild des inhaltsreichen Lebens Julius Mayrs als Vereinsmitglied und Bergsteiger gezeichnet zu haben.
Es erübrigt noch, des verehrten Achtzigers auch mit einigen Worten als Wandergenossen und Gesellschafters zu gedenken. Julius Mayr ist eine tiefgründige, für alles Schöne und Edle begeisterte Natur, und er ist auch von heiterer Wesensart. Als anregenden Gesellschafter schätzen ihn alle, die der Freude teilhaft wurden, seinen Umgang zu genießen. Heiterkeit und ein Hauch von Poesie durchwehen auch das traute, gastliche Doktorhaus zu Brannenburg. Immer waren es wertvolle Menschen, die seinen Freundeskreis bildeten. Aus ihrer Runde sei besonders der große Künstler Wilhelm Leibl genannt, den langjährige, warme Freundschaft mit Julius Mayr verband und mit dem er gemeinsam eifrig dem edlen Weidwerk in den Bergen oblag. Die anerkannt beste Biographie des berühmten Malers, seines unvergeßlichen Freundes, auf der alles Nachträgliche über den Künstler beruht, hat in echter Freundestreue Julius Mayr verfaßt.
Aber auch aus seinem Verwachsensein mit unserem Alpenverein erwuchsen dem nun Achtzigjährigen zahlreiche, bewährte Freundschaftsbeziehungen, und wen einmal das Freundschaftsband mit ihm einte, der blieb dem gediegenen und heiteren Mann auch dauernd verbunden. Denn Julius Mayr, dessen Gastfreundschaft mit Recht viel gerühmt wird, ist auch ein wertvoller Gesellschafter, der es stets verstand, in froher Runde die Unterhaltung auf gehaltvoller Höhe zu halten und beim Glase Wein manch heiteres Wort zu finden. Selbst ein trefflicher Kenner und Würdiger des edlen Traubensaftes und nie bloßer Trinker, sondern immer ein maßhaltender, verständnisvoller Genießer, ist er ein hochschätzbarer Genosse jedes fröhlichen Kreises. In diesem Zusammenhang sei auch einer seiner reizvollsten Studien Erwähnung getan, in der er in seiner inhaltsreichen, fesselnden Sprache stimmungsvolle Bilder von einer größeren Reihe von „Stiftskellern" zusammengetragen hat.
Als Wandergefährte ist er stets von unübertrefflichem Wert gewesen. Nie verließ ihn sein sonniger Humor und immer konnten seine Genossen an dem Reichtum teilnehmen, den der tiefschürfende Naturbeobachter aus Berg und Tal, aus Wald und Au unerschöpflich zu heben und mit manchem Ausspruch großer Männer, vor allem des Geistesheroen Goethe, zu würzen versteht. Und alle diese goldenen Vorzüge hat er sich ungemindert bis heute bewahrt. Mögen ihm noch recht viele Jahre frohen Genießens und behaglicher Ruhe und damit seinen zahlreichen Freunden und den Verehrern seiner Muse die Möglichkeit geschenkt werden, sich noch lange des hochgeschätzten Mannes und noch vieler Perlen aus Julius Mayrs Feder erfreuen zu können.
Quelle: Mitteilungen des Deutschen Alpenvereins 1935, Seite 3-4

Dr. Julius Mayr (+)
Am 8. Mai 1935 ist dieser Allgetreue unseres Vereins in Brannenburg sanft verschieden. Er hat leider seinen 80. Geburtstag nur um vier Monate überlebt, zu dessen Feier wir in Nr. 1 des heurigen Jahrganges der „Mitteilungen" eine von seinem Freunde Heinrich Heß verfaßte ausführliche Würdigung veröffentlicht haben. Tort ist warm und herzlich alles Rühmenswerte über das liebenswürdige Wesen, über die Verdienste und den Lebenslauf Julius Mayrs festgehalten worden. Da von der S. Rosenheim, deren Ehrenvorstand Dr. Julius Mayr war, trotz Aufforderung kein Nachruf eingelangt ist, sei auf diese Würdigung hingewiesen und gleichzeitig unserer Trauer Ausdruck gegeben, daß wir diesen tieffühlenden Freund der Alpen und Heimatdichter, den kerndeutschen Mann und prächtigen Menschen, der stets ein Stolz und eine Zier des D. u. Ö. A.-V. war und sein wird, nicht mehr leiblich unter uns haben.
Unvergeßlich wird er aber im treuen Gedächtnis seiner vielen Freunde geliebt und lebendig bleiben.
H. V.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1935, Seite 176


Geboren am:
07.01.1855
Gestorben am:
08.05.1935

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