Schuster Ludwig

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Biografie:
Ludwig Schuster

Während die Felswände der Südalpen vom Geschützdonner widerhallen, während kampfbegeisterte, todesmutige Scharen in Fels und Eis Tag und Nacht den wortbrüchigen Feind von seinen Angriffen auf die Berge, die ihnen und uns allen ins Herz gewachsen sind, abwehren, wurde ein alpiner Vorkämpfer der Jungen, die jetzt da drunten Leib und Leben opfern, im Schatten dunkler Fichten im Waldfriedhof zu München still zu Grabe getragen: Justizrat und k. Advokat Ludwig Schuster. L. Schuster ist am 13. August einer schleichenden Krankheit erlegen. Mit ihm ist wieder einer von jenen dahingegangen, die die Grundmauern' unseres Vereins errichteten und Jahrzehnte hindurch begeistert mithalfen, den Bau zu vollenden und zu seiner heutigen Größe auszugestalten.
Geboren am 20. November 1843 in Donsdorf in Württemberg, widmete er sich in München dem Studium der Rechtspflege. Und als der junge Rechtsbeflissene zum ersten Male von Münchens Fluren aus die schimmernde Kette der Alpen erschaute, da erschloß sich sein Herz für immer der hehren Bergeswelt; bald allein, bald in treuer Gefährten Begleitung zog er gar oft hinaus, die freien Bergeshöhen zu ersteigen. Ein natürlicher Ausfluß seiner Begeisterung war es, daß er nicht fehlte, als am 9. Mai 1869 35 gleichgesinnte Männer zusammentraten und die S. München, als erste Sektion des Deutschen Alpenvereins, gründeten. In reger Weise beteiligte er sich am Vereinsleben der Sektion, was auch äußerlich seinen Ausdruck fand: von 1872—1878 versah er das Amt des Schriftführers und als im Jahre 1878 Justizrat K. Arnold die Leitung der Sektion niederlegte, berief ihn das Vertrauen der Mitglieder zum ersten Vorsitzenden der Sektion.
Im Jahre 1877 war indes München wieder Vorort des Vereines geworden und neben seinen Obliegenheiten im Sektionsausschuß nahm es Schuster auf sich, als erster Schriftführer des damaligen Münchner Zentralausschusses von 1877 bis 1879 sich mit gleicher Hingabe den Interessen des Gesamtvereins zu widmen.
Im Schoße der S. München brachen leider im Jahre 1882 sachliche Meinungsverschiedenheiten mit einem Teil der Mitglieder aus, die sich immer mehr zuspitzten und zu einer bedauerlichen Spaltung in der Sektion zu führen drohten. In der Geschichte der Sektion muß es Schuster hoch angerechnet werden, dass er in dem hin und her wogenden Kampfe es nicht auf eine Kraftprobe für sich und den Ausschuß ankommen ließ, sondern im Jahre 1884 seine fachliche Überzeugung dem ungeschmälerten Fortbestand der Sektion zum Opfer brachte und mit dem gesamten Ausschuß von der Sektionsleitung zurücktrat. Aber trotzdem blieb er mit Herz und Seele der alpinen Sache treu und folgte noch im gleichen Jahre dem Rufe, sich wiederum in den Dienst des Gesamtvereins als erster Schriftführer des dritten Münchner Zentralausschusscs (1886—1888) zu stellen. Während der Amtsdauer des Wiener Zentralausschusses wurde er, der vielverdiente, über eine ungewöhnliche Einsicht in die Bedürfnisse des Hüttenbaues und genaueste Kenntnis des weiten Arbeitsbereiches unseres Vereines verfügende treffliche „Weg- und Hüttenbaureferent" dreier vorheriger Münchner Zentralausschüsse, in den nun als ständigen Beirat bestellten „Weg- und Hüttenbau-Ausschuß" berufen, dem er als Vorsitzender von 1890—1893 und von 1895—1897 vorstand. In den Jahren 1898—1900 war der Unermüdliche wieder als Beisitzer des Zentralausschusses München tätig. Nur eine wohlverdiente äußere Anerkennung dieser rastlosen Tätigkeit im Interesse des Vereins war es, daß ihn die Generalversammlung Leipzig 1906 zum zweiten Präsidenten des Vereins an die Seite unseres Ende vorigen Jahres dahingegangenen Otto von Pfister berief. So ward es ihm, der in jungen Jahren zu den Gründern des Vereins gehört hatte, beschieden, 38 Jahre später dem Verein eine neue, stärkere Grundlage in der Gestalt anderer Satzungen zu geben. Was er aber in den vorangegangenen Jahrzehnten sonst für den Verein geleistet hat, das läßt sich aus den voraufgeführten trockenen Angaben nicht ermessen.
Wer die Geschichte unseres Vereins kennt, weiß auch, in welchem Maße sich die Arbeitslast der Vereinsverwaltung gesteigert hat und was für eine Bürde die Männer jeweils auf sich nahmen, die sich ihr widmeten. Was unser Verein auf dem Gebiete des Führerwesens, des Weg- und Hüttenbaues, der Kartographie, vieler anderer wissenschaftlichen Unternehmungen, alpinen Veröffentlichungen usw. geleistet hat, ist mit der Geschichte des Bergsteigens unlösbar verknüpft; an all diesen Aufgaben hat L. Schuster rastlos, aber still und nach außen möglichst im Hintergrunde bleibend, mitgearbeitet. Es würde hier viel zu weit führen, seine Anteilnahme ins einzelne zu zergliedern, und es würde auch einem hervorstechenden Charakterzug Schusters, seiner Bescheidenheit, widersprechen. Mit dieser Bescheidenheit paarte sich eine seltene Lauterkeit des Charakters. Gewissenhaftigkeit und Gediegenheit kennzeichneten seine Geschäftsführung in alpinen Angelegenheiten wie auch in juridischen.
Daß er als Anwalt und Rechtsberater von seinen zahlreichen Klienten hochgeschätzt und mehr als Freund, denn als Vertreter betrachtet wurde, war die natürliche Folge seines Wesens. Sein „Sich nie vordrängen wollen“ brachte es auch mit sich, daß von seinen zahlreichen Bergfahrten nicht viel gesprochen wurde. Literarisch sich zu betätigen war er viel zu bescheiden; wir finden seinen Namen in der Erschließungsgeschichte der Ostalpen mehrfach erwähnt. (Erste Ersteigung der Parseierspitze vom Lechtal aus, 16. September 1875; erste Ersteigung der Suldenspitze über den Nordostgrat mit Pfaff, 20. September 1876; Glockturm vom Langtauferertal aus, 13. September 1887; Hohes Licht in Verbindung mit Mädelegabel u. a.) Mit Recht dürfen wir ihn zur „alten Garde" zählen, die in zäher, unermüdlicher Arbeit uns Gipfel um Gipfel der Alpen erschlossen hat und die Wege für den breiten Strom von Menschenkindern, die nun alljährlich auf sonniger Bergeshöhe Erholung und Genuß finden, gebahnt und geebnet hat.
Seine letzten Lebensjahre waren durch Krankheit getrübt, aber die Sonne, deren Aufgang er auf so manchem Gipfel nach guter alter Sitte andächtig erwartet hatte, leuchtete ihm an seinem Lebensabend in ungeahnter Schöne. Sein geliebter Alpenverein hat sich nicht bloß zum mächtigen alpinen Verein entwickelt, er ist auch zu einem nationalen Bollwerk gegen welsche Tücke geworden!
Auf Tod und Leben wird gekämpft und herrlich
Wird mancher Paß durch blutige Entscheidung". *)
Viele Wege und Hütten, die der Verein gebaut, dienen
nun nicht dem friedlichen Bergwanderer, sondern schützen die hehrsten Zinnen vor welscher Begehrlichkeit und von den glänzenden Heldentaten, die da vollführt werden, sind nicht wenige auf die Schulung unserer Bergsteiger und Führer im friedlichen Wettbewerb zurückzuführen.
Wer so wie Ludwig Schuster an seinem Lebensabend saqen darf: Ich habe mitgeholfen und mitgearbeitet an diesem großen, herrlichen Werk, dem wird die Erde leicht sein, daß Andenken wird heilig gehalten werden, so lange die Berge dem Menschenherzen heilig sind!
K. Müller.
*) Wilhelm Tell, IV, 2.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1915, Seite 162-163


Geboren am:
20.11.1843
Gestorben am:
13.08.1915