Rocholl Hermann

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Biografie:
Oberregierungsrat Hermann Rocholl
Hoch an Jahren und doch viel früher, als wir es für möglich gehalten hätten, ist uns Oberregierungsrat Hermann Rocholl entrissen worden.
Wer ihn noch vor kurzer Zeit in unserer Mitte gesehen, voll ungebeugter Rüstigkeit und jugendlichen Frohsinns trotz des Schnees des Alters, der sein frisches schönes Greisenantlitz krönte, dem wird es unfaßbar dünken, dass dieser unser Nestor, der seit ihrer Begründung durch 30 Jahre (1884 - 1913) an der Spitze der S. Magdeburg stand und während dieser Zeit fast an allen unseren Hauptversammlungen teilnahm, nun so unvermittelt den letzten Abschied von uns genommen hat.
In diesem ernsten Moment drängt es uns, rückblickend dem dahingeschiedenen lieben Genossen einige Worte des Gedenkens zu weihen.
Ein Sprößling der urdeutschen roten Erde, ist er inmitten der weihevoll ernsten Natur der norddeutschen Tiefebene zum Manne erwachsen und hat hier unbewußt die Sehnsucht nach den Herrlichkeiten unserer Alpenwelt in sich aufgenommen, denen er späterhin seine Liebe so unbegrenzt weihen sollte. Erst als ein Mann im Zenith des Lebens, 45 Jahre alt, fand er den Weg zu den Bergen Tirols, das er vorher nur einmal flüchtig besucht hatte; von da an aber war er dem Alpinismus voll und ganz ergeben bis zum letzten Atemzugs *) Wer ihm damals in seiner Sommerfrische nahe gekommen, etwa in der Zeit der Gründung der S. Magdeburg (1883), der konnte mit Staunen wahrnehmen, wie der elastisch sehnige, trotz seiner hohen Fünfziger jugendliche Mann, fast stets von seiner wunderschönen, vom anmutsvollen Reize deutscher Jungfräulichkeit umflossenen Tochter begleitet, Tag für Tag rastlos alle Gipfel und Höhenzüge, die seinen Sommersitz umgaben, bestieg und durchwanderte und alle Freuden und Beschwerden des Bergfahrers mit dankbarem Gemüt und inniger Begeisterung durchkostete. Wie es dem Geiste seiner Epoche entsprach, war er kein „technischer" Alpinist im modernen Sinn, wenn er auch vor schwierigen Türen nicht zurückschreckte, er war ein unermüdlicher, naturfroher Bergwanderer, dessen Liebe zu den Alpen auch der schwere, im Jahre 1890 durch einen Bergsturz im Eggental erlittene Unfall, der ihn sechs Monate in Bozen ans Krankenlager fesselte und ihm drei Finger der rechten Hand raubte, keinen Eintrag zu tun vermochte. Ja seine Alpenbegeisterung ging so weit, dass er noch 1913 Grüße eines Österreichers von der Ostsee mit der fast rügenden Bemerkung quittierte, er bewundere immer wieder, dass der deutsche Norden auf jemand solche Anziehungskraft ausübe, während nach seinen und seiner engeren Landsleute Begriffen doch der deutsche und österreichische Süden weit schöner sei.
Was Oberregierungsrat Rocholl für den Alpenverein bedeutete, brachte der Hauptausschuß in einem Schreiben zum beredten Ausdrucke, das er ihm anläßlich seines Rücktrittes von der Stelle eines ersten Vorsitzenden gewidmet hat, in dem er ihn zu den alpinen Erfolgen der von ihm gegründeten S. Magdeburg beglückwünschte, sowie ihm den Dank des Gesamtvereins, für den er stets eine der treuesten und festesten Stützen war, zum Ausdruck brachte.
Als Mensch war er der Typus niedersächsischer Art im schönsten Sinne des Wortes. Unerschütterliche wuchtige Kraft, ernstes Pflichtgefühl und eine mimosenhafte Zartheit des Empfindens, wie sie nach der landläufigen Meinung dem Westfalen eigentlich fremd sein sollte, vereinten sich in ihm zu einer Harmonie vollkommensten deutschen Menschentums.
Der hochragende rüstige Greis, der sich als 80jähriger von blühenden jungen Kindern umgeben sah, der 84jährig noch frohgemut von Gossensaß zur Magdeburger Hütte emporstieg, der noch bis ans Ende in voller geistiger und seelischer Frische an den großen Ereignissen dieses Schicksalsjahres lebhaftesten Anteil nahm, er mutete uns an wie einer jener mit ewiger Jugend begabten Wikinger, von denen uns die Sage meldet.
Von seiner ernsten Pflichterfüllung als Staatsbürger und Familienvater zeugen die mit mancher Ehrung belohnten Leistungen des musterhaften preußischen Beamten in all seiner mannigfachen verantwortungsvollen Verwendung durch volle 47 Jahre, zeugt die Liebe und Verehrung aller seiner nahen und entfernten Verwandten und nicht am wenigsten die Artung seiner Kinder.
Mit diesem Ernste kontrastierte, ihn harmonisch ergänzend, in wohltuender Weise die anmutige Heiterkeit seines Wesens, die Zartheit seines Empfindens, sein feines Naturgefühl, feine vergeistigte Lebensfreude, die jeden bezauberten, dem es vergönnt war, ihm näher zu treten.
So gemahnt er uns in angemessenem Abstand an jene großen Greise, die vor anderthalb Menschenaltern in eherner Zeit das Reich geschmiedet haben, das sich eben jetzt einer Welt neidischer Feinde in heiligem Kampfe zu erwehren hat. Dem wehmütigen Wunsche, dem er, der mit Stolz einem jungen Sohn und einem Enkel seinen Segen mit ins Feld gegeben, in den letzten Briefen Ausdruck lieh, es möge ihm vergönnt sein, den Sieg unserer gerechten Sache zu erleben, ist Erfüllung nicht zuteil geworden. Die felsenfeste Zuversicht und das unerschütterliche Vertrauen auf den endlichen glücklichen Ausgang aber, die er schon an der Schwelle des Grabes immer wieder bezeugte, wollen wir als ein ahnungsvolles Vermächtnis bewahren, dem die Bestätigung nicht ausbleiben kann.
Das walte Gott!
Dr. Hans v. Dobner.
Dem Gedächtnis Hermann Rocholls sind auch die nachfolgenden Worte des Schriftführers der S. Magdeburg gewidmet:
Am 21. Dezember schied von uns unser Ehrenvorsitzender, Herr Oberregierungsrat Hermann Rocholl.
„Den Alpen, die er als Jüngling vor 65 Jahren zum ersten Male durchwandert hat, ist er treu geblieben sein Leben hindurch bis in die Tage des hohen Alters. Die Liebe zu den Bergen trieb ihn, mit gleich begeisterten Freunden die hiesige Sektion des D. u. Ö. Alpenvereins zu begründen, die er über ein Menschenalter als Vorsitzender mit nie erlahmendem Eifer, mit klug sorgender Umsicht geleitet hat. Unsere Magdeburger Hütte ist sein Werk, und Berg und See im stillen Pflerscher Tale tragen für alle Zeiten seinen Namen, der in Dankbarkeit immer unter uns geehrt wird."
Mit diesen Zeilen hat unsere Sektion das Hinscheiden ihres verehrten Gründers und langjährigen Vorfitzenden in der „Magdeburgischen Zeitung" kundgetan. In diesen Blättern aber seien noch einige Dankesworte dem Gedächtnis des Mannes geweiht, dessen Name wie der weniger anderer bekannt war in weiten Kreisen unseres Alpenvereins. Hermann Rocholl ist nicht mehr. Ein gütiges Geschick hatte ihm einen langen, schönen Lebensabend geschenkt, ihn mit seltener Frische des Geistes und körperlicher Rüstigkeit gesegnet. Aufrecht stand er da, wie eine Eiche westfälischen Landes, dem er entstammte. Noch durfte er mit klarem Auge die zornmütige Erhebung Deutschlands schauen, für dessen Einigung er als junger Mann zweimal, vor 64 und 48 Jahren, gekämpft. Und erst in allerletzter Zeit glitten Schatten über die Seele dieses heiteren Mannes. Als sein jugendlicher Sohn von der Schulbank weg in den Kampf zog für die heilige Sache unserer geeinten Völker, sprach der Vater ahnend beim Abschied: „Ich werde ihn wohl nicht wiedersehen." In den Weihnachtstagen schloss der für unseren Verein nimmermüde Arbeiter, nach vollendetem 87. Jahre, die Augen.
Dem Fernerstehenden geben tote Zahlen ein lebendiges Zeugnis von der großen Arbeit, die er für den D. u. Ö. Alpenverein geleistet. Im Jahre 1869 wurde Rocholl an die königliche Regierung zu Magdeburg versetzt, und hier in der Elbestadt rief er die Sektion ins Leben, deren Vorsitzender er 30 Jahre hindurch geblieben. In dieser langen Zeit nahm er — mit Ausnahme von zweien — an allen Hauptversammlungen des D. u. Ö. Alpenvereins teil. Bis Ende 1913 leitete er persönlich fast alle Sitzungen unserer Sektion, an Zahl 300, und nur einmal war er für längere Zeit von uns ferngehalten, als die Folgen eines durch Steinschlag erlittenen schweren alpinen Unfalles ihn zu Bozen an das Krankenlager fesselten. Schmerzlich war ihm der Abschied aus dem lieb gewordenen Amte. Aber noch in diesem letzten Jahre besuchte er die Versammlungen der Sektion, die ihm durch Ernennung zum Ehrenvorsitzenden den Ausdruck ihrer Dankbarkeit dargebracht, und spendete im kleinen Kreise des Vorstandes guten Rat aus seiner reichen Erfahrung. Er war getreu bis zum Tode.
Und wenn wir künftig, in Zeiten des Friedens, wieder einmal in die geliebten Alpen hinausziehen und zu unserer stillen Hütte am Feuersteinferner hinaufwandern dann wollen wir vor ein Bild treten, das an der Wand des gastlichen Zimmers hängt. Aus engem Nahmen schaut uns das kraftvolle Antlitz eines Greises entgegen, mit lebensvollen Augen unter buschigen Brauen, mit schneeweißem Haar und Bart. Und mit Alpenblumen wollen wir das Bildnis Hermann Rocholls schmücken.
Blondeau, 1. Schriftführer der S. Magdeburg.

Aus dem Lebensgang des Verblichenen wollen wir noch in Kürze einige Hauptsachen hier beifügen: Hermann Rocholl wurde am 1. Juli 1827 zu Marhofen geboren; nachdem er das Gymnasium zu Dortmund besucht hatte, betätigte er seine juristischen Studien auf den Universitäten zu Halle a. S. und Berlin, legte seine Prüfungen zu Münster und Berlin ab und war zuerst in Steinfurt, ab 1854 als Richter in Graudenz tätig. 1855 trat er zur politischen Verwaltung über und war bei den Zentralbehörden (Evang. Oberkirchenrat, Handelsministerium und Finanzministerium) bis 1869 in Berlin beschäftigt. Im Jahre 1866 war Rocholl, der bereits 1851 den Rang eines Leutnants errungen hatte, zum stellvertretenden Großen Generalstab kommandiert. 1869 kam er zur königl. Regierung in Magdeburg, zunächst als Justitiar der Finanzabteilung, dann bei der Elbstrom-Baudirektion und königl. Oberpostdirektion. 1886 wurde er zum Oberregierungsrat und Leiter der Finanzabteilung ernannt. 1895 trat er in den wohlverdienten Ruhestand.
Seine erste Alpenreise hat Rocholl im Jahre 1849 ausgeführt, bereits 1872 hat er den Ortler bestiegen. Der Verblichene war dreimal verehelicht. Seine erste Frau, geborene Cousbruch, starb 1871; im Jahre 1873 heiratete er Antonio Vitzthum v. Erkstadt, die 1889 starb; 1896 vermählte er sich mit Anna Schnall).

*) 1912 weilte er noch kurze Zeit in den Alpen, allerdings ohne Bergtouren zu unternehmen.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1915, Seite 2-3


Geboren am:
01.07.1827
Gestorben am:
21.12.1914