Hartmann Hans Dr.

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Biografie:
Hartmann Hans Dr. "Hatschi", * Berlin, + Nanga Parbat-Rakhiot-Flanke auf 6185m, (Eislawine)

Hans Hartmann (+)
„Schnee und Kälte — das sind die Waffen des Nanga, die er gegen uns führt. Früher und schärfer setzt er diese Waffen ein als 1932 und 1934 — und er führt sie nach einem uns unbekannten Gesetz. Wir wollen diesen Kampf freudig annehmen! Denn uns gilt der Kampf mehr als ein leichter Sieg. Und den Berg werden wir am meisten lieben, um den wir am härtesten gekämpft!" — So schrieb Hans Hartmann am 11. Juni 1937 im Lager IV am Nanga Parbat in sein Tagebuch. Wenige Tage darauf wurde das Lager von der verhängnisvollen Lawine getroffen, die sieben Bergsteiger und neun Träger unter ihren Massen begrub.
Wer „Hatschi", wie er stets genannt wurde, kannte, mußte ihn achten und lieben, denn es ging von seiner reichen Persönlichkeit und seinem offenherzigen Wesen eine eigene Kraft aus, die jeden, der ihm im Leben begegnete, anregte und bereicherte. Die Quelle dieser Kraft war der reife Ernst und das tiefe Verantwortungsbewußtsein, mit dem er sich mit den Dingen des Lebens rückhaltlos auseinandersetzte, und die Aufrichtigkeit, mit der er sich für das, was er als richtig erkannt hatte, mit seiner ganzen Kraft einsetzte. In gefährlichen Situationen war seine überlegene, zielbewußte Ruhe erlösend und nie versagte seine großherzige Hilfsbereitschaft. Auf schwerer Bergfahrt oder am Biwakfeuer im Kreise der Kameraden, im Flugzeug oder bei der Arbeit im Laboratorium, überall teilte sich der unbändige, reine Frohsinn seiner urwüchsigen Kraft anderen mit.
In Berlin, wo er am 22. Juni 1908 geboren wurde, verlebte er auch im Elternhause eine frohe Jugendzeit. Am liebsten bastelte er in der Werkstatt, die ihm sein Vater eingerichtet hatte oder übte beim Geräteturnen seine erstaunliche Körperkraft und Gewandtheit, die sich später in den Bergen bewährte. Um ihn fand sich schon während seiner Schulzeit ein großer Kreis von Freunden, die nicht allein durch seine ausgelassenen Streiche angezogen wurden, sondern auch durch seine tiefe und ernste Lebensauffassung.
Im Herbst 1927 kam Hans Hartmann nach München, nachdem er in Berlin bereits drei Semester Medizin studiert hatte. Seine Freizeit wurde ganz den Bergen gewidmet und bald wurde er in den Freundeskreis des A. A.V. M. aufgenommen. Seine frische Kämpfernatur und seine hervorragende körperliche Eignung ließen Ihn bald die schwersten Fels- und Eisturen anpacken und zwingen. Im Frühjahr 1929 bestieg er mit Karlo Wie n und anderen Freunden unter winterlichen Verhältnissen den Piz Bernina über den Biancograt.
Mit Mühe entkam die Mannschaft einem Sturm, der sie am Grat überraschte. Hans Hartmann trug schwere Erfrierungen an den Füßen davon. Unablässig rieb ihm der Freund Karlo in der folgenden Nacht die Füße, um sie wiederzubeleben. Aber vergebens, in München mußten beiderseits Vor- und Mittelfuß operativ entfernt werden. Ein langes Krankenlager und bitterer Verzicht schienen ihm beschieden zu sein. Manchen hätte eine derartige körperliche Behinderung auf immer den Bergen ferngehalten. In Hans Hartmann aber bäumte sich unbeugsame Willenskraft auf und überwand jede Schwäche.
Ein Jahr später bereits führte er wieder Felsfahrten in den Grödner Dolomiten und mancher von uns erinnert sich an das denkwürdige Pfingstgebrenzel auf dem Sella-Joch, wo er am Abend den Kameraden, die an der Fünffingerspitze biwakieren mußten, auf seiner Trompete ein Abendlied spielte. Unter seinen zahlreichen Fahrten im Sommer 1930 ist besonders die Begehung der Badile-Nordkante bemerkenswert. Am liebsten aber waren ihm die ein¬samen Berge der Samnaungruppe und in dieser Zeit gelang ihm die erste vollständige Überschreitung des Samnaunhauptkammes im Alleingang.
Auf der Deutschen Himalaja-Expedition 1931 zum Kangchendzönga sollte sich zeigen, daß Hans Hartmann einer der würdigsten war für die großen Aufgaben des Himalaja. Trotz der Unruhe der Vorbereitungen vollendete er kurz vor der Ausreise nach Indien sein medizinisches Staatsexamen in München. Seite an Seite mit seinem Freund Karlo Wien stand er im September 1931 an dem höchsten erreichten Punkt am Nordostsporn der Kantsch in 7700 m. „Ja Karlo, wen haben die Berge wohl je so zusammengeschmiedet wie uns beide?" schrieb er über das Erlebnis dieser Tage in sein Tagebuch. Das Kantschtagebuch, das Karl Wien herausgab, ist uns ein würdiges Denkmal einer Freundschaft, die 1937 am Nanga Parbat ihre Erfüllung fand.
Auf dieser Expedition führte er trotz der großen technischen Schwierigkeiten höhenphysiologische Untersuchungen durch, deren Ergebnisse über die Fähigkeiten des menschlichen Organismus, sich an die Lebensbedingungen in großen Höhen anzupassen, neue grund-
legende Erkenntnis brachten. Mit seiner Arbeit „Experimentell-physiologische Untersuchungen auf der Deutschen Himalaja-Expedition 1931" wurde er in Würzburg mit Auszeichnung zum Doktor promoviert. Nun folgten Jahre intensivster wissenschaftlicher Arbeit, die ihn mit den bedeutendsten Forschern seines Faches in Verbindung brachten, mit denen er trotz seiner Jugend in regem Gedankenaustausch stand. 1934 wurde er an das Luftfahrtmedizinische Forschungsinstitut des Reichsluftfahrtministeriums berufen.
In dem noch jungen Wissenschaftszweig der Luftfahrtmedizin fand Hans Hartmann, der inzwischen den Führerschein für Flug-zeug und für Freiballonfahrten erworben hatte, ein Arbeitsgebiet, das seiner Wesensart besonders entsprach. Er war wie nur wenige geeignet, zwischen der exakten .wissenschaftlichen Forschung im Laboratorium und der praktischen Erkenntnis im Flugzeug oder im Hochgebirge die Brücke zu schlagen. Harte Selbstkritik und große Bescheidenheit der Darstellung der eigenen Leistung gepaart mit klarer Sachlichkeit und unermüdlicher Gründlichkeit waren für die Arbeiten Hans Hartmanns bezeichnend. Kurz vor seiner Ausreise zum Nanga Parbat hatte er seine Habilitationsschrift fertiggestellt. Im Januar 1937 war er Regierungsrat geworden.
In diesen Jahren der Arbeit war es ihm nur in kurzen Urlaubs-tagen vergönnt, in seine geliebten Berge zu ziehen. Noch einmal war er allein über die kühne Firnschneide des Biancogrates auf die Bernina gestiegen. Immer wieder zog es ihn zu den Bergen, die ihm so schweres Leid und doch das höchste Erleben des Kampfes und der Freundschaft gebracht hatten.
So blieb er sich selbst und seiner großen Sehnsucht treu, als er dem Ruf Karlo Wiens zum Nanga Parbat folgte. Wohl am schwersten von allen war ihm die Entscheidung gefallen mitzugehen, denn er ließ seine Frau und zwei Kinder in der Heimat zurück. Doch wissen wir aus seinen Briefen und Tagebuchblättern am Berg, wie unendlich glücklich er war, daß er so entschieden hatte. Und als wir von den beiden Freunden und ihren Kameraden an ihrer letzten Ruhestatt in der Eisflanke des Nanga Parbat Abschied nahmen, schienen sich die Worte zu erfüllen, die Hatschi am Kantsch in sein Tagebuch geschrieben hatte: „Und wie ich meine Füße nur zaghaft und langsam abwärts setzen kann, so findet auch mein Herz nur mühsam zurück zu den Menschen. Allzu gerne ließ ich es droben — Ob es wohl dort seine Heimat hat."
Ulrich Luft
Quelle: Jahresbericht des Akademischen Alpenvereins München 1936/37, Seite 3-5

Viele schwierige Fels-,Eis-und Winterfahrten im Montblancgebiet,Berner Alpen u.Bergell
1927 1.Beg.Campanile Alto-Westkante,IV+,600 HM,2937m, (Brenta)
1928 Beg.Schüsselkarspitze-Südwand "Spindler-Führe",V+/A0,2538m, (Wetterstein)
1929 Winterbeg.Piz Bianco-Biancograt,3998m, (Bernina)
1930 1.Umrundung (Alleinbeg.) Samnauntal, (Silvretta)
1930 Skibest.Piz Palü,3901m, (Bernina)
1930 Skibest.Monte della Disgrazia,3678m, (Bergell)
1930 Best.Totenkirchl,2193m, (Wilder Kaiser)
1931 Teiln.Zweite Deutsche Himalaya-Expedition zum Kangchendzönga (Best.bis "Sporngipfel",7700m), (Pakistan)
Beg.Fleischbank-Christaturm-Südostwand "Dülferriss",VI-,250 HM,2187m, (Wilder Kaiser)
Best.Piz Gallo,2774m, (Bergell)
Best.Scioranadel,3205m, (Bergell)
Beg.Piz Badile Nordkante,V-,800 HM,3308m, (Bergell)
Gerd Schauer, Isny im Allgäu

Hans Hartmann (+)
„Schnee und Kälte — das sind die Waffen des Nanga, die er gegen uns führt. Früher und schärfer setzt er diese Waffen ein als 1932 und 1934 — und er führt sie nach einem uns unbekannten Gesetz. Wir wollen diesen Kampf freudig annehmen! Denn uns gilt der Kampf mehr als ein leichter Sieg. Und den Berg werden wir am meisten lieben, um den wir am härtesten gekämpft!" — So schrieb Hans Hartmann am 11. Juni 1937 im Lager IV am Nanga Parbat in sein Tagebuch. Wenige Tage darauf wurde das Lager von der verhängnisvollen Lawine getroffen, die sieben Bergsteiger und neun Träger unter ihren Massen begrub.
Wer „Hatschi", wie er stets genannt wurde, kannte, mußte ihn achten und lieben, denn es ging von seiner reichen Persönlichkeit und seinem offenherzigen Wesen eine eigene Kraft aus, die jeden, der ihm im Leben begegnete, anregte und bereicherte. Die Quelle dieser Kraft war der reife Ernst und das tiefe Verantwortungsbewußtsein, mit dem er sich mit den Dingen des Lebens rückhaltlos auseinandersetzte, und die Aufrichtigkeit, mit der er sich für das, was er als richtig erkannt hatte, mit seiner ganzen Kraft einsetzte. In gefährlichen Situationen war seine überlegene, zielbewußte Ruhe erlösend und nie versagte seine großherzige Hilfsbereitschaft. Auf schwerer Bergfahrt oder am Biwakfeuer im Kreise der Kameraden, im Flugzeug oder bei der Arbeit im Laboratorium, überall teilte sich der unbändige, reine Frohsinn seiner urwüchsigen Kraft anderen mit.
In Berlin, wo er am 22. Juni 1908 geboren wurde, verlebte er auch im Elternhause eine frohe Jugendzeit. Am liebsten bastelte er in der Werkstatt, die ihm sein Vater eingerichtet hatte oder übte beim Geräteturnen seine erstaunliche Körperkraft und Gewandtheit, die sich später in den Bergen bewährte. Um ihn fand sich schon während seiner Schulzeit ein großer Kreis von Freunden, die nicht allein durch seine ausgelassenen Streiche angezogen wurden, sondern auch durch seine tiefe und ernste Lebensauffassung.
Im Herbst 1927 kam Hans Hartmann nach München, nachdem er in Berlin bereits drei Semester Medizin studiert hatte. Seine Freizeit wurde ganz den Bergen gewidmet und bald wurde er in den Freundeskreis des A. A.V. M. aufgenommen. Seine frische Kämpfernatur und seine hervorragende körperliche Eignung ließen Ihn bald die schwersten Fels- und Eisturen anpacken und zwingen. Im Frühjahr 1929 bestieg er mit Karlo Wien und anderen Freunden unter winterlichen Verhältnissen den Piz Bernina über den Biancograt.
Mit Mühe entkam die Mannschaft einem Sturm, der sie am Grat überraschte. Hans Hartmann trug schwere Erfrierungen an den Füßen davon. Unablässig rieb ihm der Freund Karlo in der folgenden Nacht die Füße, um sie wiederzubeleben. Aber vergebens, in München mußten beiderseits Vor- und Mittelfuß operativ entfernt werden. Ein langes Krankenlager und bitterer Verzicht schienen ihm beschieden zu sein. Manchen hätte eine derartige körperliche Behinderung auf immer den Bergen ferngehalten. In Hans Hartmann aber bäumte sich unbeugsame Willenskraft auf und überwand jede Schwäche.
Ein Jahr später bereits führte er wieder Felsfahrten in den Grödner Dolomiten und mancher von uns erinnert sich an das denkwürdige Pfingstgebrenzel auf dem Sella-Joch, wo er am Abend den Kameraden, die an der Fünffingerspitze biwakieren mußten, auf seiner Trompete ein Abendlied spielte. Unter seinen zahlreichen Fahrten im Sommer 1930 ist besonders die Begehung der Badile-Nordkante bemerkenswert. Am liebsten aber waren ihm die ein¬samen Berge der Samnaungruppe und in dieser Zeit gelang ihm die erste vollständige Überschreitung des Samnaunhauptkammes im Alleingang.
Auf der Deutschen Himalaja-Expedition 1931 zum Kangchendzönga sollte sich zeigen, daß Hans Hartmann einer der würdigsten war für die großen Aufgaben des Himalaja. Trotz der Unruhe der Vorbereitungen vollendete er kurz vor der Ausreise nach Indien sein medizinisches Staatsexamen in München. Seite an Seite mit seinem Freund Karlo Wien stand er im September 1931 an dem höchsten erreichten Punkt am Nordostsporn der Kantsch in 7700 m. „Ja Karlo, wen haben die Berge wohl je so zusammengeschmiedet wie uns beide?" schrieb er über das Erlebnis dieser Tage in sein Tagebuch. Das Kantschtagebuch, das Karl Wien herausgab, ist uns ein würdiges Denkmal einer Freundschaft, die 1937 am Nanga Parbat ihre Erfüllung fand.
Auf dieser Expedition führte er trotz der großen technischen Schwierigkeiten höhenphysiologische Untersuchungen durch, deren Ergebnisse über die Fähigkeiten des menschlichen Organismus, sich an die Lebensbedingungen in großen Höhen anzupassen, neue grund-
legende Erkenntnis brachten. Mit seiner Arbeit „Experimentell-physiologische Untersuchungen auf der Deutschen Himalaja-Expedition 1931" wurde er in Würzburg mit Auszeichnung zum Doktor promoviert. Nun folgten Jahre intensivster wissenschaftlicher Arbeit, die ihn mit den bedeutendsten Forschern seines Faches in Verbindung brachten, mit denen er trotz seiner Jugend in regem Gedankenaustausch stand. 1934 wurde er an das Luftfahrtmedizinische Forschungsinstitut des Reichsluftfahrtministeriums berufen.
In dem noch jungen Wissenschaftszweig der Luftfahrtmedizin fand Hans Hartmann, der inzwischen den Führerschein für Flug-zeug und für Freiballonfahrten erworben hatte, ein Arbeitsgebiet, das seiner Wesensart besonders entsprach. Er war wie nur wenige geeignet, zwischen der exakten .wissenschaftlichen Forschung im Laboratorium und der praktischen Erkenntnis im Flugzeug oder im Hochgebirge die Brücke zu schlagen. Harte Selbstkritik und große Bescheidenheit der Darstellung der eigenen Leistung gepaart mit klarer Sachlichkeit und unermüdlicher Gründlichkeit waren für die Arbeiten Hans Hartmanns bezeichnend. Kurz vor seiner Ausreise zum Nanga Parbat hatte er seine Habilitationsschrift fertiggestellt. Im Januar 1937 war er Regierungsrat geworden.
In diesen Jahren der Arbeit war es ihm nur in kurzen Urlaubs-tagen vergönnt, in seine geliebten Berge zu ziehen. Noch einmal war er allein über die kühne Firnschneide des Biancogrates auf die Bernina gestiegen. Immer wieder zog es ihn zu den Bergen, die ihm so schweres Leid und doch das höchste Erleben des Kampfes und der Freundschaft gebracht hatten.
So blieb er sich selbst und seiner großen Sehnsucht treu, als er dem Ruf Karlo Wiens zum Nanga Parbat folgte. Wohl am schwersten von allen war ihm die Entscheidung gefallen mitzugehen, denn er ließ seine Frau und zwei Kinder in der Heimat zurück. Doch wissen wir aus seinen Briefen und Tagebuchblättern am Berg, wie unendlich glücklich er war, daß er so entschieden hatte. Und als wir von den beiden Freunden und ihren Kameraden an ihrer letzten Ruhestatt in der Eisflanke des Nanga Parbat Abschied nahmen, schienen sich die Worte zu erfüllen, die Hatschi am Kantsch in sein Tagebuch geschrieben hatte: „Und wie ich meine Füße nur zaghaft und langsam abwärts setzen kann, so findet auch mein Herz nur mühsam zurück zu den Menschen. Allzu gerne ließ ich es droben — Ob es wohl dort seine Heimat hat."
Ulrich Luft
Quelle: Jahresbericht des Akademischen Alpenvereins München 1936/37, Seite 3-5




Geboren am:
22.06.1908
Gestorben am:
14.06.1937