Nordwand - "Seidlkamin"

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Routen Details:
Winterbegehung der Jungfernkarkopf-Nordwand.
Am 9. und 10, 2. 1957 gelang Georg Maier (Ulm) und Karl Simon (Garmisch-Partenkirchen) die erste Winterbegehung der Nordwand des Jungfernkarkopfes, Sie ragt im Hinterreintal in unmittelbarer Nachbarschaft der Hochwanner-Nordwand auf, und ihre Durchsteigung zählt zu den großzügigsten Wettersteintouren.
Quelle: DAV Mitteilungen 1957, Heft 2, Seite 39-40

Neue Winterfahrten im Wetterstein
Jungfernkarkopf-Nordwand
Schon oft führte mich mein Bergsteigerweg in winterliche Wände voll Schnee und Eis, bei Regen und Hagel, Kälte und Sturm. Und oft bin ich auch schon durch das winterliche Reintal gewandert, doch nie war mir das Glück so zur Seite wie bei der ersten winterlichen Durchsteigung der Jungfernkarkopf-Nordwand.
Seit Stunden war ein Föhneinbruch im Wetterstein zu befürchten. Die Nordwand des Jungfernkarkopfes stand zwar auf unserem Wunschzettel, aber des Wetters wegen wollten wir zunächst abwarten. Meistens, wenn ich ins Reintal gehe, wähle ich den ?Hohen Weg", vorbei an der Partnachalm und am Reintaler Hof. Die Wanderung über die freien Wiesen bietet mir mehr als durch die Düsternis der Klamm. Wenn dann die großen Nordwände des Wettersteinkammes auftauchen, die bekannten Gipfel im Hintergrund, wenn zur Rechten die Schneepyramide der Alpspitze herunterleuchtet und die Sonne lacht, dann darf man wohl voll Optimismus an das Gewünschte denken.
So auch an diesem Tag. Dunkel standen die Fichten an den Hängen und Gewölk zog von Westen nach Osten. Und warm war es, als ob es zur ersten Sommerfahrt ginge. Weit hinein ins Tal zieht der Weg an der brausenden Partnach entlang. Die alte Blockhütte grüßt inmitten des Waldes, und an der Blauen Gumpe gönnen wir uns eine Rast. Die hohe Wand schaut ziemlich schneefrei aus, birgt aber bestimmt manche Überraschung. Schließlich ist es schon ein kleines Problem, den Bach zu überschreiten. Hartgefroren ist das große Geröllfeld hinauf zum Einstieg in die Wand, die bereits 1909 durchklettert wurde. Sie zählt zu den mächtigsten und eindrucksvollsten des Wettersteins und etwa 1100 Höhenmeter trennen uns vom Gipfel des Jungfernkarkopfes. Wir wollen versuchen, möglichst in der Fallinie durchzukommen. Wildromantisch ist die eisgepanzerte Schlucht und die anschließende Wandstufe bringt erste Schwierigkeiten. Ein vereistes Band leitet uns nach Osten, dann geht es in direkter Linie aufwärts. Wind kommt auf, aber trotzdem ist es nicht kalt. Und dann sind wir mitten im winterlichen Gelände, und es schaut gar nicht nach kommendem Frühjahr aus. Aber schließlich waren wir ja ausgezogen, um mit ähnlichen Verhältnissen zu rechnen! Der junge Freund ist zum erstenmal in einer größeren winterlichen Wand. Die kommenden Seillängen verlangen vorsichtiges Gehen über wasserüberronnene und eisglasierte Wandstellen. Die folgende Schlucht ist wieder angefüllt mit Schnee und Eis. Kalt ist es hier und einem Tanze gleich kommt das Gehen über die folgenden Steilplatten. Auf einem Schneeband rasten wir kurz und schauen hinüber zu den besonnten Südwänden von Gaif und Blassen. Eine Scharte ist unser nächstes Ziel, dann kommen wir in große Ausbuchtungen mit hartgefrorenen Schneemassen. Stark vereiste Platten wechseln mit verwittertem Gestein. Ein schwieriger Riß bringt uns auf ein großes Band. Drohend zeigt sich uns der Weiterweg. Ein stark vereister Kamin und ein Riß verlangen größte Vorsicht und halten lange auf. Die Umgehung einer brüchigen gelben Wand und der folgenden Türme bringt uns große Schwierigkeiten, dann ist ein kleiner Grat erreicht. Von hier aus können wir gut den Weiterweg betrachten. Die Überkletterung der nächsten Türme erweist sich als unmöglich, die Umgehung benötigt viel kostbare Zeit. Allmählich kommt die Nacht und es wird kälter, In einer Scharte finden wir einen windgeschützten Biwakplatz, bald summt der Kocher, und ist nur noch die schützende Hülle des Zdarskysackes über uns. Lang dauert die Nacht. In der Frühe weckt uns die Kälte.
Während ich mir das folgende schwierige Wandstück betrachte, braut Hans eine Schale Ovomaltine. Es schmeckt wunderbar. Dann kann der Kamin, das schwierigste Wandstück, angegangen werden. Er ist vollkommen vereist und hält uns 21/2 Stunden auf. Die nächsten Seillängen bringen viel Schnee. Über vereiste Platten erreichen wir den Gipfel des Jungfernkarkopfes.
Ein Händedruck! Großartig ist die Landschaft. Greifbar nahe die Nordabstürze des Hochwanners, sonnenbestrahlt die Um-rahmung des Zugspitzplatts, im Osten die verschneiten Gipfel ums Oberreintal. Stark bewölkt ist der Himmel und es sieht aus, als wolle es jede Minute zu schneien beginnen. Dann bricht aber doch wieder die Sonne durch und spornt uns an, möglichst bald den Teufelsgrat zu gewinnen. Ein gewagter und beschwerlicher Weg über Eisplatten und Schnee! Mühselig ist das stundenlange Stapfen über die Hochwanner, die Umgehung des Kleinwanners, bis wir endlich am Gatterl stehen. In einem Versteck hat Freund H. N. die Skier abgestellt, und so gibt es zum Schluß eine Abfahrt mit ziemlich wackeligen Knien hinunter nach Ehrwald.
(1. Winterbegehung am 9. und 10. Februar 1957 durch Georg Maier und Hans Simon. Kletterzeit 13 Stunden.)
Quelle: DAV Mitteilungen 1957, Heft 5, Seite 88-89

Jungfernkarkopf-Nordwand:
Erste Winterbegehung durch G. Meier und Gefährten.
Quelle: Der Bergsteiger 1939, Heft 1, Seite 29

Datum erste Besteigung:
1909
Erste(r) Winter-Besteiger(in):
10.02.1957
Gipfel:
Jungfernkarkopf
Erste(r) Besteiger(in):
Gürtler C.
Seidl A.
Erste(r) Winter-Besteiger(in)
Maier Georg
Simon Karl