Nordwestwand - "Draschführe"

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Routen Details:
Schrammacher (3416m) (Erste Erst. über die Nordwestwand).
Am 25. September 1895 gelang mir die Bezwingung der Nordwestwand des Schrammachers, die bis dorthin von Seiten der Führer sowohl, wie auch von manchen mir bekannten Hochtouristen für unersteiglich und sehr steingefährlich gehalten wurde. Ich kann letzterer Meinung durchaus nicht beipflichten, jedoch bietet der Anstieg eine der grossartigsten Fels- und Eistouren, die ich kenne. Als Begleiter hatte ich einen gewissen Johann Lechner aus Mayerhofen mitgenommen, der sich freiwillig zum Mitgehen erbot, weil er Führer werden will; ich bemerke jedoch, dass ich vorausstieg und dass das Seil nur an den zwei allerschwierigsten Stellen zur Anwendung kam. Die Anstiegsroute wurde von mir mit rothen Leinenstreifen markirt, und will ich versuchen, sie in Folgendem zu skizzieren: Geraer-Hütte ab 5 Uhr 15min früh, Alpeinerferner 6 Uhr 7min. Der Gletscher wurde ungefähr bei Cote 2499 der Alpenvereinskarte betreten. Einstieg in die Felsen 6 Uhr 30 min, welcher ungefähr bei Ziffer 2 der Cote 2500 der Alpenvereinskarte erfolgte. Nun schief von rechts nach links aufwärts zu einem breiten horizontalen Bande, welches nach links (östlich) in die Wand verläuft, 7 Uhr 30min. Das Band, welches vereist war, wird ca. 40 Meter nach links verfolgt. Dann gerade aufwärts zu einem schmalen horizontalen Bande, auf demselben wieder nach links (östlich) ca. 5 Meter, hierauf durch einen 15 Meter hohen Riss gerade empor. Über plattige Schrofen etwas links ansteigend, erreichten wir einen kleinen, exponierten Eishang, welcher etwas Stufenarbeit erforderte. Nun teils ge¬rade, teils schief links empor bis zu einem ca. 6 Meter hohen senkrechten Riss, welcher uns in ein flaches Couloir brachte, dessen Grund total vereist war. Rast von 9 Uhr - 9 Uhr 10 min. Das Couloir zieht in schwach ausgeprägter westlicher Richtung in die Wand empor. Bevor sich das Couloir in die Wand verliert, wird dasselbe von einem horizontalen, fast die ganze Wand durchlaufenden Felsbande durchquert. Wir verfolgten zunächst das Band nach links (östlich), um dann einen Riss gerade auf¬wärts zu versuchen, mussten jedoch nach sehr schwieriger Kletterei umkehren und waren um 11 Uhr wieder bei unserem Ausgangspunkte im Couloir angelangt. Nun verfolgten wir das Band nach rechts (westlich). Dasselbe wurde allmählich sehr schmal, war vereist, mit pulverigem Neuschnee bedeckt und ist an einer Stelle ganz unterbrochen. Um die Fortsetzung zu erreichen, mussten wir über einen sehr steilen exponierten Eishang schief nach abwärts steigen. Das Band endigt in einem handbreiten Ge¬simse, welches überhängend über einer mehrere hundert Meter hohen Wand abbricht. Den einzigen Aus¬weg bildete eine über dieses Gesimse sich erhebende glatte Platte. Hier vertauschte ich die Steigeisen und Schuhe mit den Kletterschuhen, was auch nicht so leicht ging. Die Platte, welche weder eigent¬liche Tritte noch Griffe bot, sondern nur einige weit auseinanderliegende Rauheiten aufwies, verlor sich ohne irgendwelchen Übergang in einen Eishang. Ich musste nun in sehr prekärer Stellung den Pickel aufseilen und schlug dann vorsichtig, um die Eislage nicht herabzuschlagen, schief nach rechts aufwärts Stufen, welche mich in ein Couloir brachten. Hier Rast 1 Uhr 20 min - 1 Uhr 30 min. Dann über steile Eishänge, heikle Traversen, vereiste Kamine und Wandstufen immer sehr schwierig und gefährlich aufwärts. Ich erreichte den Westgrat um 4 Uhr 10 min, mein Begleiter 20 Min. später. Hier Errichtung eines hohen Steinmannes und Rast bis 5 Uhr 20 min. Gipfel 5 Uhr 30 min. 8 Uhr 20 min.
Dr. Fritz Drasch
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1895, Seite 294

Datum erste Besteigung:
25.09.1895
Gipfel:
Schrammacher
application/pdf ÖAZ 1896 - 451+452.pdf
Erste(r) Besteiger(in):
Drasch Fritz
Lechner Johann