Lämmermann Fritz

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Biografie:
Fritz Lämmermann.
Fritz Lämmermann wurde am 5. Februar 1875 zu Nürnberg dem Bäckermeister Johann Lämmermann als viertes von fünf Kindern geboren. Nach dem Besuche der Volksschule, der Kreisrealschule und der Industrieschule in Nürnberg be¬zog er im Winter-Semester 1893/94 die Technische Hochschule in München zum Studium des Maschinenbaues. Nach erfolgreicher Ablegung der Vorprüfung am Ende des Sommer-Semesters 1895 leistete Lämmermann ab 1. Oktober desselben Jahres als Einjährig-Freiwilliger im 14. bayer. Infanterie-Regiment zu Nürnberg seiner Militärpflicht Genüge, nach deren Ablauf er sein Studium in München vollendete und am Ende des Sommer-Semesters 1898 mit dem Diplom-Examen abschloß.
Seine erste Anstellung in der Praxis fand er noch im gleichen Jahre in unmittelbarer Nähe seiner Vaterstadt als Konstrukteur bei der Eisengießerei und Maschinenfabrik Joh. Wilh. Späth in Dutzendteich, die er aber schon im Juli 1899 wieder verließ, um zur Eisenbahn -Werkstätten-Inspektion in Köln-Nippes, gleichfalls als Konstrukteur, überzugehen. Hier arbeitete Lämmermann fast genau vier Jahre und trat dann am 1. Juni 1903 in die Dienste der Gasmotoren-Fabrik Deutz bei Köln, welcher er bis zu seinem Tode treu blieb Zunächst Assistent und Stellvertreter des Chefs des Anlagenbüros für Großmotoren beim Stammhause in Deutz, übernahm er am 8. Mai 1907 als technischer Bevollmächtigter seiner Firma deren Zweigniederlassung in Leipzig. In derselben Eigenschaft übersiedelte er im Januar 1912 nach Buenos-Aires in Argentinien, nachdem er sich unmittelbar vorher mit Fräulein Gerda Mahler, der Tochter des Ingenieurs Carl Mahler in Luzern, verlobt hatte. Der am 30. Juni 1913 geschlossenen Ehe entsproß ein Söhnchen, welches nach Ausbruch des Weltkrieges, nur wenige Monate alt, mit seiner Mutter und seinem zu den deutschen Fahnen eilenden Vater die überaus gefahrvolle und abenteuerliche Überfahrt von Argentinien nach Deutschland mitmachte. Von 71 wehrpflichtigen Deutschen an Bord der „Hollandia" waren Lämmermann, der als Argentinier reiste, und ein alter General die einzigen, welche den Engländern entkamen, die das Schiff zweimal angehalten und durchsucht hatten. Am 12. September 1914 betrat unser Freund mit seiner Familie in Amsterdam wieder den Boden Europas, auf dem soeben der erste Akt des furchtbaren Dramas ohnegleichen in der Weltgeschichte durch die unglückliche Marne-Schlacht abgeschlossen war.
Dadurch zu doppelter Eile beflügelt, trat Lämmermann bereits wenige Tage nach seiner Landung beim Ersatzbataillon des 19. bayer. Inf.-Regts. in Erlangen als Oberleutnant der Landwehr I und Führer des 3. Rekruten-Depots ein. Anfangs November meldete er sich, obwohl er in ärztlicher Behandlung stand, freiwillig an die Front. Den Abschiedsurlaub kürzte er noch durch frühere Ausreise, um auf derselben geschäftliche Angelegenheiten bei seiner Firma in Köln zu regeln. Am 6. November sandte er noch einen Kartengruß aus Brüssel, am 8. November den letzten aus Lille und bereits vom 9. November an scheint er in der Kampflinie gewesen zu sein. Nach den schweren Sturmangriffen seiner Kompagnie in jenen Tagen, aus welchen nur 6-7 Mann lebend hervorgingen, wurde ihr Führer Lämmermann seit dem 14. November als vermißt gemeldet.
Da über seinen Verbleib, lebend oder tot, lange nichts amtlich Zweifelfreies ermittelt werden konnte, so hoffte die unglückliche Familie naturgemäß lange auf eine Gefangennahme in verwundetem Zustand. Da aber auch bis heute keinerlei Nachricht von oder über unseren Freund mehr eingetroffen ist, so muss auch diese letzte Hoffnung begraben und mit seinem sicheren Tode gerechnet werden. Nach den an die Angehörigen gelangten Berichten seines Verpflegungs-Offiziers Tümmler, der sich auf die Aussagen eines Augenzeugen, sowie einer zur Be¬erdigung der Gefallenen unter feindlichem Feuer vorgegangenen Patrouille stützt, muss mit größter Wahrscheinlichkeit ange¬nommen werden, daß Fritz Lämmermann am 14. November 1914 in der „Kapellerie", einem prächtigen Walde nördlich von Wytschaete, den Heldentod und auch seine letzte Ruhestätte gefunden hat.
Ideal veranlagt, begeisterungsfähig, energisch und von festem zähem Willen, ein forscher, schneidiger Soldat in des Wortes bester Bedeutung, so steht der Tapfere im Gedächtnis derer, die ihn im Leben kannten. Der Besten einer starb mit ihm für und im Glauben an Deutschlands Größe.
Dass diese Eigenschaften auch einen tüchtigen, einen ganzen Alpinisten aus ihm machten, als er die Anregung dazu aus dem Kreis der älteren Kommilitonen im A. A.V. M. einmal
empfangen hatte, versteht sich eigentlich von selbst. Seine schon in früher Jugend begonnene systematische Ausbildung als Turner von höchster Leistungsfähigkeit begünstigte noch in ganz besonderem Maße seine rasche Entwicklung als Berg¬steiger, insbesondere als Kletterer, nachdem er im Winter-Semester 1896/97 dem A.A.V.M. und der Sektion Amberg des D. u. Oe. A.V. als Mitglied beigetreten war. Die noch verblei¬benden zwei Münchener Studienjahre sahen ihn zu jeder freien Zeit, im Sommer wie im Winter, in den Voralpen, im Rofan-, Kaiser- und Karwendelgebirge. In diese Zeit fallen auch eine winterliche Erstersteigung des Plankensteins von Südosten und der erste Abstieg von der Großkarspitze nach Nordwesten ins Mitterkar. Nahmen auch in den folgenden Jahren mehr als einmal militärische Pflichtübungen als Reserveoffizier den kärg¬lich bemessenen Urlaub gänzlich in Anspruch, so zeigt doch jeder andere, dadurch nicht beengte Urlaub, dass die helle Flamme der Bergfreude, die auch in unseres Freundes Brust brannte, kein Strohfeuer war. In dem Maße, wie im weiteren Verlauf angestrengte Berufstätigkeit und militärische Pflichten wieder etwas mehr Freiheit gaben, sehen wir ihn wieder zunehmend und häufiger in seinen geliebten Bergen. Zu seinen alten Lieb¬lingen im Kaiser und vor allem im Karwendel kommen neue im Allgäu, in der Silvretta, im Ferwall, in den Lechtalern. Noch in den letzten zwei Sommern vor seiner Einschiffung nach Argentinien dehnt er seine Bergfahrten einerseits bis zum Triglav und andererseits in die Schweiz aus. Im Jahre 1903 wurde er Mitglied der Sektion Bayerland des D. u. Oe.A.V.
Wie sehr ihm seine Berge ans Herz gewachsen und die Erinnerung an ihre Besteigung ein inneres Bedürfnis und ein Genuß geworden waren, geht daraus hervor, daß er alle seine Aufzeichnungen darüber mit über den großen Teich und wahr¬scheinlich auch wieder mit herüber und ins Feld genommen hatte. So sehen wir in Lämmermann einen der Wenigen, denen die Berge wirklich etwas zu sagen hatten, der in ein tiefinnerliches Verhältnis zu ihnen getreten war, welches durch keine noch so dagegen stehenden äußeren Umstände jemals dauernd verdunkelt oder gar vollständig zerstört werden konnte. Seinem gestählten Körper, seinen gesunden Sinnen und seinem warmen Herzen war eben der frisch-fromm-fröhlich-freie Kampf mit den Gewalten der Natur, die Bewunderung der unendlichen Größe und Mannigfaltigkeit ihrer Erscheinungsformen im Hochgebirge und das tiefe Versenken der Seele in das Erhabenste, was uns Bergsteigern diese Erde zu tragen scheint, nicht nur eine stets neu belebende Freude, sondern auch ein stets gleich stark und heilkräftig quellender Jungbrunnen für Körper, Geist und Seele.
„Frischen Mut zu jedem Kampf und Streit
Hat er talwärts von den Höh'n getragen . . . ."
Wem es wie mir vergönnt war, mit dem prächtigen, aufrechten und warmherzigen Jugendfreund und Kameraden eine frohe Bergfahrt zu unternehmen, auf der er freier und offener sprach, der wird mit mir über diese reinen und idealen Motive für die Liebe Lämmermanns zum Hochgebirge übereinstimmen, der wird aber auch mit mir trauernd fühlen, was seine Angehörigen, seine Freunde und Berufskollegen, was der A.A.V.M. an ihm verloren haben. Wir können dann nur von unserem Standpunkt aus herzlich bestätigen und bekräftigen, was mir die Gasmotoren-Fabrik Deutz , in deren Diensten unser Freund während der letzten 11 1/2 Lebensjahre stand, noch vor wenig Tagen ge¬schrieben hat: „Wir werden dem tapferen Manne, dem äußerst tüchtigen Beamten, dem liebenswürdigen, treuen Kollegen ein dauerndes und ehrendes Andenken bewahren."
Philipp Reuter
Quelle: Der Akademische Alpenverein München im Kriege (1914-1918), XXIII. – XXVI.Vereinsjahr, Seite 55-58


Geboren am:
05.02.1875
Gestorben am:
14.11.1914