Lachenmeier Gösta
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Biografie:
Gösta Lachenmeier
Wenn man die Vereinsgeschichte der letzten Jahre betrachtet, könnte man nachdenklich werden; es ist doch neben Erfolgen eine kaum mehr abreißende Kette von Verlusten an Freunden, einer nach dem anderen, und für manchen ist dann auch der beste Freund dabei.
Man kann sich als A.H. wohl einmal dabei ertappen, dass man sich an harte Kriegstage erinnert und das ganze im Frieden kaum fassbare Geschehen mit den Augen des Feldsoldaten betrachtet:
Es hat schon Format, wie so manche unserer besten jungen mit einer hinreißenden Begeisterung großen Einsatz wagen und auf dem Höhepunkt von Kraft und Lebensintensität mit wehenden Fahnen untergehen. Und man könnte ihnen neidig sein um solches Sterben.
Im Einzelfall ist und bleibt es aber erschütternd, wenn ein junges Leben fällt; es trifft ei¬nen Freundeskreis im Augenblick besonders hart, wenn nicht ein dramatisches Bergun¬glück mit schicksalhafter Folgerichtigkeit bis zum bitteren Ende abrollte, sondern wenn ein tückischer Verkehrsunfall einen fähigen und tapferen Bergsteiger als Opfer gefordert hat, wie dies im heurigen Sommer mit unserem lieben Gösta Lachenmeier geschehen ist.
Nach sehr langer Zeit hatte er sich in seiner Klinik für einen Urlaub freimachen können; eine Stunde vor der Abfahrt war er mit seinem Begleiter noch kurz bei mir und ich bekam dabei wieder einmal einen Begriff davon, wie ungeheuer man sich in jungen Jahren auf 3 Wochen Berge und Klettern freuen kann. Nach allem was von unterwegs zu hören war, muss es ein wundervoller Dolomiten-Urlaub gewesen sein; am letzen Tag, nach langer Rückfahrt von Südtirol, noch wenige Fahrminuten vor München geschah dann das Unglück, ein Zusammenstoß infolge unsichtigen Wetters.
Es hat wohl so sein müssen; denn es fahren viele Motorrad und es steigen viele zu Berg und gewinnen dabei so viel wirkliches Leben als sie es wagen. Das geht nicht ohne Gefahr, und die Gefahr ist nicht ein leider unvermeidliches Übel, sondern sie ist wohl die Grundvoraussetzung für die Haltung, die allein den Wert eines Mannes zu vermehren vermag, und das ist die des unentwegten Angreifens und Zupackens; unser Gösta war von dieser Art und er hatte dazu außerdem Verstand und Begabung: er hat alle Aufgaben die ihm sein junges Leben gestellt hat, wirklich „in Angriff genommen“, das Studium und den Beruf und in seinen freien Stunden das Bergsteigen in jeder Form, im schwersten Fels, im großen Eis der Westalpen und auf Wintertouren.
Man braucht es nicht zu verschweigen, dass man zuweilen in Sorge sein konnte, wenn man sah und spürte, wieviel Hingabe, Schneid und Herzblut er an jedes Ziel geradezu verschwendete, und wenn es auch einmal nur eine kurze Sonntagstour war. jeder von uns Älteren hat aber gehofft, aus solcher Sturm- und Drangzeit in wenigen Jahren einen ungewöhnlich erfahrenen und fertigen Menschen hervorgehen zu sehen, als einen der besten in seinem Verein, den er schon früh (1936) geleitet hat.
Mit derselben Entschiedenheit, die seine Taten auszeichnete, hat unser Gösta aber auch dem Sinn der Dinge nachgespürt; es ist möglich, dass diese Seite seines Wesens weniger bekannt geworden ist, weil er nach einigen frühen Versuchen eine herbe Scheu hatte, noch unfertige Gedanken selbst vor seinen Freunden auszubreiten. Es lässt sich aber zeigen, dass er gründlich vorging und zu überzeugenden Schlüssen gelangte. Er hat zum Beispiel - um nur im alpinen Rahmen zu bleiben - eines Tages aufgehört, gewisse betrübliche Erscheinungen des modernen Abendblattalpinismus und die sonderbaren Folgen für die Gemüter der allerjüngsten zu beklagen, wie wir Älteren das eingestandenermaßen zuweilen gerne tun. Gösta hat vielmehr außer seiner Tätigkeit im Ver¬ein rasch entschlossen die Führung der Hochtouristengruppe einer großen Sektion übernommen und zwar nicht nur den etatsmäßigen Vereinsposten, sondern bewusst auch die geistige Führung. Auf Grund der dabei gewonnenen Erfahrungen konnte er, kurz gesagt, manchem von uns eine ganze Menge Glauben an eine gute Zukunft der Bergsteigerei wiedergeben und das wollen wir nicht vergessen.
Es ist eine große Lücke entstanden; und wir werden sie immer wieder spüren, lieber Gösta, und wenn wir dankbar an Deine aufopferungsvolle Arbeit im Verein denken, dann werden wir uns schließlich auch immer wieder über das Beispiel eines guten A.A.V.M.-lers freuen können, das Du vorgelebt hast.
Julius Brenner.
Quelle: Jahresbericht des Akad. AV München 1937/38, Jahrgang 46, Seite 3-4