Kutschera-Aichbergen Hans

(Bearbeiten)
Foto gesucht!
Biografie:
Prof.Dr.med. Hans Kutschera-Aichbergen (+)
Am 20. August 1975 starb in Graz unser Klubbruder Prof.Dr. med. Hans Kutschera-Aichbergen im 85. Lebensjahr.
Er wurde im Jahre 1890 in Aflenz in der Steiermark geboren, absolvierte die Volksschule und das Gymnasium in Graz und begann 1908 mit dem Studium der Medizin. Er studierte an den Universitäten Graz, Innsbruck, Kiel, Berlin und München. Im Jahre 1915 promovierte er "sub auspiciis imperatoris" in Innsbruck. 1932 habilitierte er sich für Innere Medizin in Wien und erhielt dort 1939 den Titel eines a.o. Univ.Professors. Nachdem er in verschiedenen Kliniken an leitender Stelle tätig war, machte er dort eine eigene Praxis als Facharzt für Innere Medizin auf, die er bis zum Jahre 1945 innehatte. Infolge seiner politischen Einstellung wurden ihm im Jahre 1946 Praxis, Wohnung und all sein Hab und Gut genommen. Er überwand die beiden nächsten Jahre seiner Diskriminierung in Graz als Arbeiter, bis er endlich im Jahre 1948 durch den Bundespräsidenten begnadigt wurde. Vom Jahre 1949 ab war er Leiter des Laboratoriums für innere Krankheiten der Gebietskrankenkasse in Graz, wo er bis zum Jahre 1965 tätig war und sich somit erst mit 75 Jahren pensionieren ließ. Eine große Anzahl von Veröffentlichungen und mehrere Bücher zeigen von seiner außerordentlichen Leistung auf seinem Arbeitsgebiet.
Seine Liebe zu den Bergen veranlaßte ihn während des Studiums an unserer Alma Mater im Jahre 1913 dem Klub beizu-treten. Da er hauptsächlich Skifahrer war, machte er im Winter Touren in den Skibergen um Innsbruck und im Engadin, während er im Sommer sein Tätigkeitsfeld in die Presanella und in das südliche Ortlergebiet verlegte, worüber er auch einen Skiführer geschrieben hat. Leider war es ihm nicht vergönnt längere Zeit am Klubleben teilzunehmen, denn bald nach seinem Eintritt kam der Krieg und nachher führte ihn sein Beruf nach Wien und Graz, sodaß er nur selten am Klubleben teilnehmen konnte. Vor einigen Jahren war er bei uns und hielt einen Lichtbildervortrag über seine Erlebnisse am Monte Vioz.
Kutschera war verheiratet, hatte 5 Kinder, die alle seine Liebe zu den Bergen und zum Skifahren mitbekommen hatten. Ein Sohn ist Skirennfahrer und extremer Bergsteiger. Er hat an einer Expedition des Alpenvereins Graz zum Mount Mc. Kinley teilgenommen.
Ich lernte Kutschera auf der Malga Saline kennen, als ich als Bergführeroffizier im März 1917 dem Unterabschnitt 1. Monte Vioz des Rayons 2 zugeteilt wurde, der vom Passo Rosole am Fuße des Cevedale bis zur Presanella reichte. Dort war Kutschera als Oberarzt für die ärztliche Betreuung des Unterabschnittes zuständig. Ich lernte in ihm einen guten Kameraden kennen, der vielseitig interessiert war. Außer seiner Liebe zu seinem Beruf und zum Bergsteigen und Ski-fahren, war er sehr musikalisch, spielte gut Klavier und war ein ausgezeichneter Fotograf, was bei der damaligen noch ziemlich primitiven Ausrüstung eine Besonderheit war. Einige Bilder von ihm sind in den Schlernschriften Nr. 162 (1957) wiedergegeben. Der diesbezüglich von Lois Köll veröffentlichte Artikel trägt den Namen "Der Krieg in den südlichen Ortlerbergen 1915 - 1918". Auf einem dieser Bilder sitzt Kutschera vor dem Eingang der Vioz-Hütte und in einem anderen, das ich mit meinem Apparat gemacht habe, sitzt er mit Kameraden auf der Mauer einer Feldwache im Forno Gletscher, dem P. 3294 m. Auf diesem Bild ist als vorletzter auch unser Klubbruder Rohn zu sehen. Die Malga Saline war sehr gut ausgebaut und, da der Kommandant Hauptmann Dittrich ein guter Geigenspieler war, hatten sich die beiden ein Klavier organisiert und es wurde dort eifrig musiziert. Mein Aufenthalt auf der Malga Saline dauerte nicht lange. Ich wurde auf den Monte Viozgeschicht, um von dort der Viozhütte als einziger Offizier die Vorverlegung der Stellungen an den Südwestgrat des Palon della Mare am Rande des Forno-Gletschers zu überwachen.
An einem schönen Sommertag erschien Kutschera auf dem Monte Vioz mit dem Auftrag die gesamte Belegschaft gegen Typhus zu impfen. Nachdem er in meiner Begleitung alle Feldwachen und vorgeschobenen Posten am Rande des Forno-Gletschers geimpft hatte, machten wir zusammen eine schöne Skitour zum Passo Rosole, um auch die dortige Feldwache zu impfen. Auf dem Rückweg an einer Stelle mitten auf dem Gletscher unterhalb des Pallon della Mare, wo sich unsere Wege trennten, denn Kutschera wollte direkt zur Malga Saline abfahren, nahm er plötzlich seinen Rucksack ab und erklärte: "Jetzt wirst Du geimpft!". Meine Weigerung und alle meine Gegenargumente, daß ich noch zum Vioz zurück müßte, halfen nichts. Ich erhielt also meine Portion Typhusserum in die Brust gespritzt. Ich glaube nicht, daß jemals irgend jemand auf einer solchen Höhe und in einer solchen Situation geimpft wurde.
Im Herbst 1917, nachdem der Ausbau der vorderen Feldwachenstellungen vollendet war, wurde das Kommando des U.A. 1 auf die Viozhütte vorverlegt. Dabei wurde auch auf das Klavier nicht vergessen und unter Kutscheras Leitung vor allem mit der primitiven Seilbahn durchgeführt. Mit Stolz nannte er sich dann den Besitzer des wahrscheinlich höchsten Klaviers in den Alpen auf einer Höhe von 3.535 m. Im Frühjahr 1918 wurde ich dann zum Bergführersturmkurs abkommandiert.
Später traf ich dann Kutschera nochmals während des Rückzuges am Kriegsende. Mit einem Kameraden wählte ich von Meran aus den Rückmarsch über das Reschenscheideck. Wir fuhren mit der Bahn bis Mals, übernachteten in Burgeis und traten den Marsch über den Reschenpaß an. Gegen 2 Uhr nachmittags trafen wir mit großem Hunger in Nauders ein und da wir sahen, daß dort noch Truppenteile aus dem Ortlergebiet lagen, versuchten wir leider vergeblich in verschiedenen Truppenküchen etwas Eßbares zu bekommen. Beim Weitermarsch durch Nauders hörte ich auf einmal den Klubpfiff
und aus einem Fenster winkte mir Kutschera. Bei ihm wurden wir dann aus der Offiziersmesse herrlich verpflegt. Nach vielen Jahren traf ich dann Kutschera das letzte Mal bei einem Vortrag über den Monte Vioz, den ich schon erwähnt habe und bei dem wir uns ausführlich über unsere Erlebnisse im südlichen Ortlergebiet unterhielten.
Durch seinen Tod hat der Klub eine bedeutende Persönlichkeit und jene von uns, die wir ihn gekannt haben, einen guten Kameraden verloren.
Fiducit!
Robert Mayr
Quelle: Akademischer Alpenklub Innsbruck, Klubnachrichten 1975, Seite 18-21


Geboren am:
1890
Gestorben am:
20.08.1975