Purtscheller Ludwig

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Biografie:
Purtscheller Ludwig, * Innsbruck, später Rovereto, 1865 Villach, 1872 Klagenfurt Graz,
ab 1874 Salzburg,
+ Bern
Ludwig Purtscheller gehörte zu den ersten führerlosen Bergsteiger, die schwierige Bergtouren, meistens ohne Führer, in den Ost-und Westalpen durchführten. Er hatte das führerlose Bergsteigen entschieden vorangebracht. Er war einer der erfahrensten Männern in sämtlichen Bereichen des Bergsteigens und war besessen von den Bergen. Oft war sein Freund Heinrich Heß, der spätere Redakteur der Alpenvereins-Mitteilungen, sein Begleiter. Ludwig Purtscheller begann mit dem Bergwandern 1869 ganz bescheiden in Kärnten mit Mittagskogel, Dobratsch und Hochobir. Von Salzburg aus durchstreifte er das umliegende Bergland, unternahm Gewaltmärsche. Als ersten Dreitausender bestieg er 1875 die Hochalmspitze. In der Berninagruppe erlebte Purtscheller im August 1883 erstmals Schweizer Hochgebirge. Sein erstes Ziel war der Piz Roseg. Den Nordgipfel bestieg er mit August Böhm und Eduard Suchanek. Mit Louis Friedmann stieg er über den Wächtengrat zum Hauptgipfel hinüber.
Mit den Brüdern Emil und Otto Zsigmondy bildete Purtscheller ein unvergleichliches Trio, dessen führerlose Leistungen im Jahre 1884 Aufsehen erregten, als sie die zweite und erste führerlose Erkletterung der Kleinen Zinne, Croda da Lago, Sass Maor und Ortler durchführten. Weiter ging es ins Berner Oberland und ins Wallis.
Berühmt wurde seine Begehung der Monte Rosa-Ostwand und die Überschreitung des Matterhorns. Purtscheller war damals der erste, der diese Touren führerlos durchgeführt hatte. Kaum ein Bergsteiger in der damaligen Zeit konnte so viele Erfolge vorweisen. Sein Ziel war es, alle Alpengebiete kennenzulernen. Er erkundete aber nicht nur die Alpen, sondern bestieg auch die Gipfel im Kaukasus und in Afrika. Ein Gipfel im Marwensi-Massiv trägt seinen Namen: die Purtscheller Spitze.
Ludwig Purtscheller kam 1883 als glanzvolle Gestalt des Alpinismus in die Ortleralpen. Während eines Kurzbesuchs in den Ortleralpen bestieg der untersetzte und kräftige Mann die Hohe Schneid, das Schröttenhorn, die Kreilspitze, die Königspitze, die Vertainspitze und die Angelusspitze.
Als letzter herausragenden Erschließer der Berchtesgadener Alpen im 19. Jahrhundert ist Ludwig Purtscheller zu nennen, dem 1885 mit dem Führer Johann Punz "Preiß" die zweite Begehung der Watzmann-Ostwand mit dem heute üblichen Ausstieg zur Südspitze gelang. Auf sein Konto gehen die Erstbesteigungen einiger abgelegener Hochköniggipfel: (Nixriedel und Eibleck 1880, Taghaube und Schoberköpfe 1882, Kleiner Bratschenkopf 1885, Großer Sattelkopf 1893) und schwieriger Mandlwandzacken. Am Untersberg eröffnete er mit dem Geiereck Ostgrat (II) eine erste Route in der breiten Wandflucht zwischen Geiereck und Berchtesgadener Hochthron. Bei vielen Hochtouren des Salzburgers benützte er Schneereifen. Im Winter 1884 gelang ihm mit Kederbacher die erste Winterersteigung der Watzmann-Mittelspitze. 21 Erstbegehungen in den Berchtesgadener Alpen, 31 Erstbesteigungen um den Königsee (Berchtesgadener Alpen), 8 Erstbegehungen in der Hochköniggruppe kann man in seinem Fahrtenbuch nachlesen.
In seinem Tourenbuch sind 1700 Touren festgehalten und über 40 Viertausender, darunter neben vielen Auslandsbergfahrten die erste Besteigung des Kilimandscharo. Ihm gelangen dabei viele Erstbegehungen und neue Anstiege.
In seiner schriftstellerischen Tätikeiten fanden seine bergsteigerischen Aktivitäten ihren Niederschlag. 1897 kam Purtschellers Buch ?Der Hochtourist in den Ostalpen? heraus.
Ludwig Purtscheller stürzte 1900 bei einer Überschreitung der Grand Dru (Montblancgebiet) ab. Er wurde in eine Genfer Klinik eingeliefert. Nach fünf Wochen bemühten sich Freunde, den Schwerkranken nach Bern überzusiedeln. Hier erlag am 3. März 1900 der durch lange Krankheit geschwächte Bergsteiger einer Lungenentzündung.
Gerd Schauer, Isny im Allgäu

Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1900, seite 49 ff
Quelle: Österr. Alpenzeitung 1900, Seite 65 f

(+) Ludwig Purtscheller.
Das unerbittliche Schicksal hat nserem Vereine einen seiner Allerbesten jählings entrissen: Ludwig Purtscheller, unbestritten der beste, tüchtigste und erfahrenste deutsche Bergsteiger, ist nicht mehr, eine tückische Lungenentzündung hat um 2 U. morgens des 3. März diesem thatenreicben Leben ein plötzliches Ende bereitet. Wir bringen an der Spitze dieses Blattes einen von Freundeshand dem Dahingeschiedenen gewidmeten Nachruf, später wird sich ja noch Gelegenheit finden, ausführlicher des Unvergesslichen und Unersetzbaren zu gedenken. Hier möge in Kürze nachgeholt werden, was bisher auf Wunsch des so unvermuthet abberufenen Freundes unterblieb. Wie in Nr. 18 vom vorigen Jahrgang dieser ?Mittheilungen" berichtet, hatte Purtscheller das Unglück, am 25. August v. J. beim Abstiege von der Grand Aiguille du Dru den rechten Arm zu brechen. Er hatte die Tour in Gemeinschaft mit Dr. H. Löwenbach aus Wien und Führer J.Oberhollenzer aus Fusch unternommen. Beim Abstiege war, nachdem alle Schwierigkeiten überwunden waren, Führer Oberhollenzer infolge Bruches seines Pickelstockes ausgeglitten, und alle Drei waren etwa 6 - 7 m. über den Firnhang geglitten und in den
4 - 5 m. tiefen Bergschrund gestürzt. Herr Dr. Löwenbach brachte Purtscheller - nachdem dieser in Chamonix den ersten Verband bekommen - nach Genf in die Klinik Dr. Andreae, wo Purtscheller etwa fünf Wochen verblieb. Wider alles Erwarten trat die sicher erhoffte rasche Heilung nicht nur nicht ein, sondern Purtscheller's Zustand wurde zeitweilig sogar besorgnisserregend. Anfangs October war es den unablässigen Bemühungen seiner Freunde gelungen, Purtscheller zubewegen, nach Bern zu übersiedeln, wo er in der Klinik des Dr. Lanz sorgsamste und aufopferungsvollste ärztliche Behandlung fand, und woselbst eine grosse Zahl von bergsteigerischen Genossen, insbesondere die Herren W. Forster aus Solothurn und P. Montandon in liebevoller Aufmerksamkeit wetteiferten, um Purtscheller den Aufenthalt in der Fremde, fern dem eigenen Heim und seinen Lieben, so angenehm als möglich zu machen. In manchem Briefe, den er dienstwilligen Gefährten in die Feder dictierte, gab Purtscheller dem glücklichen Empfinden über diese rührende Liebe der Berggenossen beredten Ausdruck.
Langsam gieng die Genesung vor sich; der Kunst der Aerzte und Purtscheller's zäher Kraft war es allmälig gelungen, das qualvolle Leiden zu besiegen, und Mitte Februar erfreute der nun für immer Geschiedene den Schriftleiter dieser Blätter mit der nach vielen Monaten ersten eigenhändig geschriebenen Postkarte, in welcher er der Freude über die endliche Heilung, die nahe Heimkehr zu den Seinigen und dem bevorstehenden Wiedersehen Ausdruck gab. Es sollte nicht so kommen. Ein Influenzaanfall fesselte Purtscheller nochmals an das Zimmer, eine Lungenentzüngung trat dazu. Sie ergriff zuerst den einen und mit erschreckender Schnelligkeit auch den zweiten Lungenflügel; das durch die monatelangen Fieberschauer schwer schwächte Herz des Athleten konnte diesem neuerlichen Anstürme nicht mehr standhalten. In der zweiten Morgenstunde des 3. März entschlief der Vielgeprüfte, ohne dass er zum Bewusstsein der Gefahr gekommen wäre, in der er geschwebt hatte.
Voll froher Hoffnung ist der sieggewohnte, unvergleichliche Bergsteiger zu Beginn des vorjährigen Sommers ausgezogen zu frohen, genussreichen Fahrten in seine hehren Berge - gramerfüllt haben seine Freunde die sterblichen Ueberreste des ihnen so früh Entrissenen vor wenigen Tagen durch die tiefverschneiten winterlichen Berge von Purtscheller's engster Heimat, durch sein geliebtes Tirol, nach seiner zweiten Vaterstadt, Salzburg, geleitet, und am 11. März wurde Purtscheller im Angesichte der von ihm so glühend geliebten lichten Höhen zu Salzburg zur ewigen Ruhe gebettet.
H. H.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1900, Seite 55 f


(+) L Purtscheller.
Von Rev. W. A. B. Coolidge, dem berühmten englischen Bergsteiger, der mit unserem so plötzlich abberufenen Purtscheller den Ruhm der gründlichsten Hochalpenkenntniss und der meisten Bergfahrten theilen konnte, erhalten wir folgende Zeilen:
"Ich möchte gerne der Lorbeerkrone, welche auf das Grab Ludwig Purtscheller's gelegt wird, ein Blatt beifügen als bescheidenen Tribut für den grössten Bergfahrer, der je gelebt hat. Ich kannte viele Jahre hindurch nur Purtscheller's Namen. Dann begannen wir einen Briefwechsel, aber wir fanden keine Gelegenheit zu persönlicher Bekanntschaft. Für den Sommer 1899 hatten wir halb und halb ein Zusammentreffen zu Binn in den Lepontinischen Alpen vereinbart, welchen Ort Herr Purtscheller auf seinem Rückwege von der Montblanc Gruppe zu besuchen gedachte. Aber sein Unfall an der Dru zerstörte plötzlich alle Pläne. An einem Octobertage weilte ich zu Bern, als mich Herr Dr. H. Dübi, der wohlbekannte Redacteur des Jahrbuches des Schweizer Alpen-Club, aufmerksam machte, dass Herr Purtscheller in Bern in einer Privatklinik weile, wohin er kürzlich von Genf übersiedelt sei, und wir giengen unverzüglich, dem Kranken einen Besuch zu machen. Wir fanden ihn zu Bett und sehr erschöpft, da er in seinem kranken Arme furchtbare Schmerzen litt. Er hatte eben zur Linderung dieser Qualen eine grössere Dosis Morphium bekommen. Aber als er hörte, wer sein Besucher war, besiegte sofort seine unüberwindliche Willenskraft die körperliche Schwäche, und wir waren bald in einen lebhaften und höchst interessanten Gedankenaustausch getreten: es war unser erstes und leider auch letztes Zusammentreffen auf dieser Erde! Und wir hatten so viele uns Beiden werthvolle Erinnerungen aufzufrischen, über so viele berühmte und auch wenig gekannte Hochgipfel und Pässe zu plaudern. Unter Anderem erzählte mir Purtscheller, dass der nächste Band der Zeitschrift (1899) aus seiner Feder einen Aufsatz über die Briegelser Hörner im Bündner Oberlande bringen würde, eine Gebirgsgruppe, die für mich von besonderem Interesse war: diese Abhandlung bekam ich unmittelbar zu Gesicht, bevor mich die traurige Nachricht von Purtscheller's allzufrühem Tod erreichte!
"Andere, berufenere Federn werden die Einzelheiten vonPurtscheller's grossen alpinen Leistungen würdigen. Er hat nahezu jede Gruppe in allen Theilen der Alpen besucht, so dass die Zahl seiner Bergfahrten wohl eine erstaunliche sein muss. Und seine Fahrten waren nicht etwa blosse planlose .sportliche' Unternehmungen, dies beweisen das vorzügliche Werk "Der Hochtourist in den Ostalpen", sowie die grosse Zahl sorgfältig gearbeiteter Aufsätze und Monographien, welche Purtscheller in rascher Folge veröffentlicht hat. In diesen Schriften vereinigt sich mit Einfachheit und genauester Kenntniss des Stoffes eine ebenso klare wie gründliche Darstellung. Es ist zu hoffen, dass eine Auswahl von Purtscheller's Schriften als eigenes Werk herausgegeben wird, welches - für seine Freunde bedarf es dessen ja allerdings nicht! - das Andenken wacherhalten soll an den siegreichsten Kämpfer, der je in die Hochalpen auszog!
R. I. P."
W. A. B. Coolidge

Die Beerdigung Purtscheller's hat am 11. März in Salzburg stattgefunden. Herr Lehrer Hans Gruber aus Oberalm bei Hallein, ein ehemaliger Schüler und späterer Tourengenosse des so plötzlich Abberufenen, hatte die Leiche in Bern abgeholt und dem Entseelten das Geleite in die Heimat gegeben. Die Schweizer Freunde, welche Purtscheller im Leben stets die grösste Auszeichnung und vollste Würdigung seiner unvergänglichen Verdienste erwiesen haben und in der schweren Zeit seines Krankenlagers durch wahrhaft brüderliche Liebe bemüht gewesen waren, ihm die Trennung von seinen Lieben soweit als
möglich erträglich zu machen, hatten dem todten Berggenossen reiche Blumenspenden mit auf den Weg gegeben - in Salzburg, wo Purtscheller in der Kapelle des Communalfriedhofes aufgebahrt war, kamen dazu die letzten Blumengrüsse seiner heimischen Freunde von allen Gauen der deutschen Zunge, so dass der Sarg am Tage des Begräbnisses völlig in Blumen gehüllt war. Schier ein halbes Hundert prachtvoller Kränze waren an dem Sarge des Entschlummerten niedergelegt worden, und die Inschriften auf den Schleifen zeugten, wie sehr und in welch weiten Kreisen der unersetzliche Verlust empfunden worden. Die Beerdigung gestaltete sich zu einer wirklich imposanten Feierlichkeit, wie eine solche - nach den Berichten der Salzburger Zeitungen - in dem so prachtvoll gelegenen Salzburger Friedhofe noch nicht stattgehabt. Sämmtliche Sectionen unseres Vereins in sehr weitem Umkreise hatten ihre Vertreter entsendet, vom Oesterreichischen Alpen-Club waren sieben, vom Akademischen Alpen-Club Innsbruck sechs Mitglieder erschienen, das Münchener Turner-Alpen-Kränzchen, der Akademische Alpen-Club Zürich und viele Andere waren vertreten. Dem Sarge folgten neben Purtscheller's Familienangehörigen der Landespräsident Graf St. Julien, Bezirkshauptmann E. Pillwein, Bürgermeister Eligius Scheibl, vom Central-Ausschusse Herr Justizrath Schuster aus München und H. Hess aus Wien, der gesammte Vorstand der S. Salzburg, die Vorstände zahlreicher anderer Sectionen, und von Purtscheller's engsten Freunden Herr Dr. Otto Zsigmondy aus Wien, sein treuer Gefährte auf so mancher denkwürdigen, grossen Bergfahrt, ferner das Professorencollegium, der Salzburger Turnverein, die Zöglinge der Lehrerbildungsanstalt und ein unübersehbarerZug vonTheilnehmern aus allen Kreisen derBevölkerung.
Die wundervolle Bergumrahmung mit ihrem schneeglitzernden Winterkleide war in leuchtendes Sonnengold gehüllt, der Himmel erstrahlte in tiefstem, reinstem Blau ? die hehre Bergwelt wollte ihrem treuen Sohne, der ihr mit so unendlicher Liebe und so edler Begeisterung gedient, auf seinem letzten Wege nochmals all' ihre unvergängliche, einzige Schönheit weisen. Acht Salzburger Führer, die den eben stattfindenden Führerlehrcurs besuchten, trugen den vordem so unermüdlichen Bergfahrer, der ihnen so oft in ihren heimischen Bergen auf froher Fahrt begegnet und so manchesmal aus seinem reichen Schatze werthvollster Erfahrungen gegeben, zu seiner letzten Ruhestätte. An dem offenen Grabe widmeten Herr Sectionsvorstand C. Hinterhuber namens der S. Salzburg, Herr Justizrath Schuster namens des Central-Ausschusses und des gesammten D. u. Oe. Alpenvereins, Herr Edmund Forster namens des Oesterr. Alpen-Club und der Sprecher des Salzburger Turnvereins im Namen der Turngenossen mit tiefempfundenen, ergreifenden Worten dem von der Last und den Sorgen des Erden-wallers Erlösten die letzten Scheidegrüsse und sie verbanden mit dem Wunsche, dass dem im Leben nimmermüden Streiter für die Schönheit der Bergwelt nun im Grabe die so wohlverdiente Ruhe werde, das Gelöbniss, dass sein Andenken unentwegt fortleben, sein selbstloses Streben allen Gleichgesinnten
für alle Zeiten vorbildlich bleiben und seine unvergänglichen Verdienste als heiliges Vermächtniss aufbewahrt würden. Fast kein Auge blieb trocken: ein wahrhaft guter, im besten Sinne des Wortes edler Mensch und vielen ein treuer Freund ist dahingegangen. Sein Geist aber wird weiterleben, und so lange es Menschen giebt, die aus dem Getriebe des Alltagslebens hinausstreben in die hehren Berge, so lange die Menschen in denragenden Felszinnen und den leuchtenden Firnen, mit ihren waldschattigen Alpenthälern, den brausenden Wässern und den stillen Alpenseen die schönsten Schöpfungen der Natur erblicken, so lange noch sehnige Fäuste Bergstock und Eispickel handhaben werden auf den Wegen zu den reinen, idealen Freuden des Bergwanderers, so lange wird der Name Ludwig Purtscheller's mit dankbarer Verehrung genannt und hochgehalten werden.
H. H
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1900, Folge 6, Seite 65-66f

Am 6. Oktober 1849 erblickte der nachmals berühmteste Alpinist unserer Tage das Licht der Welt im Herzen Tirols, in Innsbruck. Hier und in Rovereto - die in dieser Stadt zugebrachte Zeit erlaubte ihm eine völlige Erlernung des Italienischen - besuchte er die Realschule und nahm dann eine Anstellung in Bleiberg in Kärnten. Die sitzende Lebensweise sagte ihm durchaus nicht zu und mit eisernem Fleiße machte er sich an das Studium zur Ablegung der Turnlehrerprüfung. Er bestand dieselbe nach fleißigem Besuche der Fachstunden in Graz und wurde dann als Turnlehrer in Klagenfurt angestellt. Unablässig erhielt er seinen schon von Natur aus kräftigen Körper im Training und die Umgebung der Stadt selber, sowie die Bergzüge der Julisehen Alpen, der Hohen Tauern und Gailtaler Alpen waren so recht geeignet, seine angeborenen Fähigkeiten auf das Höchste auszubilden.
Es ist bemerkenswert, daß Purtscheller, ganz im Gegensatze zur heutigen Gepflogenheit, die nicht scharf genug verurteilt werden kann, mit ganz kleinen Bergbesteigungen begann und sich erst nach und nach an Größeres wagte; erst die Mitteilungen des D. u. Oe. A.-V. von 1876 bringen eine Nachricht, daß Purtscheller im vorhergegangenen Jahre die Hochalpenspitze, seinen ersten Zehntausender, bestieg.
Weitentfernt sich in Szene zu setzen, brauchte es eindringlicher Bitten seiner Freunde, um den bescheidenen Mann zur Veröffentlichung gemachter Touren zu bewegen.
Ihn führte nur die Begeisterung für die hehre Bergwelt dahin, Eitelkeit war dem edlen Manne zeitlebens fremd. Wie oft saß ich mit ihm in größerer Gesellschaft in Hütten in der Schweiz und Italien, ohne daß Jemand eine Ahnung hatte, daß der schlichte unscheinbare Mann der große Purtscheller sei.
Seine erste literarische Arbeit brachten die Mitteilungen des D. u. Oe. A.-V. vorn Jahre 1882 über einige Stubaier Gipfel.
Hatte er schon in Klagenfurt seine Lieblingsschüler — und jeder echt deutsche Jüngling war seinem Herzen nahegerückt - auf ihm passend erscheinenden Touren mitgenommen, so trat dies in erhöhtem Maße in Salzburg ein, wohin Purtscheller 1878 versetzt wurde.
Hier kam ein neues Moment dazu, welches die Erreichung seines Lieblingswunsches: „Kenntnis der gesamten Alpen" näher rückte, nämlich einträgliche Privatstunden.
Während des Schuljahres benützte er jeden verfügbaren Tag zum Besuche der Salzburger und Berchtesgadener Berge, in den Ferien aber eilte er nach Tirol, in die Schweiz, nach Frankreich und Italien.
Gründliche Sprachenstudien machten ihm den Aufenthalt auch in außerdeutschen Gegenden angenehm, wenngleich sein echt deutsches Herz ihn am liebsten in Tirol herumstreifen ließ.
Man müßte Bände schreiben, um seine unglaubliche Fertigkeit im Felsklettern, seine unermüdliche Ausdauer in schwerer Eisarbeit zu schildern. Die Schweiz besuchte er das erste Mal 1883 und blieb ihm die Ersteigung des Piz Roseg stets in dankbarer Erinnerung, 1884 überschritt er den Monte Rosa von Macugnaga nach Zermatt, 1885 führte er die erste Ersteigung der Meije über den Grat vom Pic Central her aus. 1889 finden wir ihn auf dem höchsten Berge Afrikas, dem Kilimandscharo, 1891 besuchte er den Kaukasus, seit 1892 war ich sein ständiger Begleiter in dem Berner Oberland, der Maurienne und Tarentaise, Graubünden, der Montblanc-Gruppe, den Bergamasker Alpen usw.; 1895 litt er am Typhus, er behaupete sich davon nie mehr ganz erholt zu haben; andere merkten davon aber nichts.
Eine besondere Fürsorge wandte Purtscheller der Ausbreitung des alpinen Gedankens unter der heranwachsenden Jugend zu, und an Opferwilligkeit, Geduld und Liebe für seine Schüler hat ihn Niemand übertroffen.
Er wurde Ehrenmitglied des Schweizer und Französischen Alpen-Klubs, aber Niemand hat ihn je darüber sprechen hören.
Mit Vorliebe trug er den Samen der bergsteigerischen Bestrebungen in kleine Flachlandsektionen, um den geliebten Bergen neue Freunde zu erwerben.
Seine literarischen Arbeiten machen eine kleine Bibliothek aus und jede Zeile atmet den idealsten Naturgenuß, die Freude an der Vertiefung der Kenntnis der herrlichen Bergwelt in ihren kleinsten und größten Erscheinungen.
In jedem seiner gediegenen Rufsätze findet man eine Fülle anregender Gedanken, überall tritt der maßvoll die Freunde abwägende Mann in wahrhaft vorbildlicher Weise hervor.
Ein lauterer Charakter, war er seinen Freunden und Schülern auch als Mensch ein leuchtendes Vorbild.
Er lebte in glücklicher Ehe, der ein Mädchen entsproß, die, wie könnte es auch bei Purtschellers Tochter anders sein, als 5 jähriges Kind den entzückenden Ausspruch tat: Mama, ich habe die Blumen so lieb, ich könnte, glaub' ich, vom Blumenduft allein leben.
Abhold aller Gemeinheit, war Purtscheller ein Streber auf dem Gebiete des Geistes und der Herzensbildung. Strengste Selbstzucht führte ihn doch nie zum bitteren Urteil über andere, nur wich er allen unfeinen Erscheinungen aus.
Vergleichsweise kurz war sein Erdenwallen, aber unsterblich ist sein Name mit der Geschichte der hehren Bergwelt als der ihres Hohenpriesters verbunden.
Bregenz, im Frühjahr 1912
Dr. Karl Bodig

Ludwig Purtscheller
(zum 25. Todestag)

Unser alpines Dioskurenpaar, Emil Zsigmondy und Ludwig Purtscheller, ihr Wirken wie ihr Geist, sie sind so lebendig in unseren Kreisen geblieben, daß man überrascht aufhorcht, wenn man hört, daß bereits ein Vierteljahrhundert verrauscht ist seit deren Hingang. Während Emil Zsigmondys dramatischer Heldentod in der Südwand der Meije lebhafter allgegenwärtig ist, steht Ludwig Purtschellers nicht minder tragisches Ende viel weniger kräftig in der Erinnerung des gegenwärtigen und heranwachsenden Bergsteigergeschlechts, obwohl selbst noch das Sterben dieses vorbildlichen Alpinisten eins dringende Mahnung für uns alle bedeutet, da es ja eigentlich von dem mangelhaften Rüstzeug eines seiner Begleiter verursacht worden war.
Zu Dritt am 25. August 1899 im Abstieg von der Aiguille du Dru begriffen, brach dem als Letzten gehenden Führer beim wuchtigen Stütz auf seinen Pickel plötzlich der angemorschte Stock. Er stürzte am Mittelmann vorbei und riß diesen wie den Vordermann, Purtscheller, um, und alle drei glitten über den Gletscher in den Bergschrund hinab wobei Purtscheller sich besonders schwer verletzte. Infolge des langen, schwächenden Krankenlagers und der mehrfachen Operationen, trat, als er scheinbar geheilt nach Salzburg helmreisen wollte, eine Lungenentzündung hinzu, an der dann Ludwig Purtscheller am 3. März 1900, erst 50 Jahre alt. in Bern gestorben ist.
Zu Innsbruck am 6. Oktober 1849 geboren, kam er nach beendetem Realschul-Studium als Angestellter, des Bleiburger Bergwerkes nach Villach, bildete sich nebenbei zum Turnlehrer aus und war hernach in Klagenfurt, später an der Lehrerbildungsanstalt in Salzburg in dieser Eigenschaft tätig.
Die Karawanken waren seine erste alpine Schule. Im Laufe der Jahre seines Lebens suchte aber der nimmermüde Wanderer alle Gebiete der Ostalpen und die meisten Gruppen der Westalpen auf, sodaß Purtscheller damals mit und Recht als der beste Kenner der gesamten Alpen galt, was ihn auch befähigte, gemeinsam mit Heinrich Heß den „Hochtourist" herauszugeben, ein Werk, das noch heute jedem Bergsteiger unentbehrlich. Dank und Bewunderung abzwingt. Aber auch seine sonstigen Schriften, zumeist in unseren Vereinsblättern erschienen, zählen zu den besten Zierden unseres deutsch-alpinen Schrifttums. Jedoch nicht nur in den Alpen betätigte sich der stets tatenfrohe Mann, 1889 gelang ihm auch in Begleitung von Dr. Hans Meyer' die Besteiqung des Kilimandscharo, des höchsten Berges von Afrika, und 1891 in Gesellschaft von Gottfried Merzbacher und der Führer J. Kerer und J. Unterweger die Bezwingung mancher Kaukasusgipfel.
Ludwig Purtschellers Hauptverdienst ist aber, daß er der Vater des führerlosen Gehens genannt werden muß, des Bergsteigens edelste Form, das er in einer, Weise ausübte, die uns stets als Vorbild gelten sollte. Und wenn er nichts sonst hinterlassen hätte, wie seine goldenen Leitsätze, die wie alpine Gebote uns heilig sein werden immerdar, da sie aus reichster Erfahrung und tiefster Empfindung und Erkenntnis stammen, etwa: „Im Hochgebirge gibt es nicht nur Dinge, die man nicht machen kann, sondern auch solche, die man nicht machen soll" — oder: „Zur Energie des Handelns gehört auch die Energie des Entsagens" —, wäre dies schon Grund genug zur Unvergeßlichkeit.
Möge daher stets Ludwig Purtschellers Geist in uns lebendig bleiben, als schönstes Andenken an eines ganzen Mannes Taten, die auch in hundert Jahren noch jedes Mannes Herz höher schlagen machen werden. Und dieses Gelöbnis und seine treue Erfüllung dünkt mich die beste Feier, die der Unsterblichkeit unseres Ludwig Purtschellers geweiht werden kann.
Hanns Barth
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1925, Seite 53

Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1949, Seite 68
Quelle: Berge und Heimat 1949, Jg. 4, Seite 330 f
Quelle: Der Bergsteiger 1949/50, Seite 16 f
Quelle: Der Bergsteiger 1959/60, Seite 1 f
Quelle: ÖAV Mitteilungen 1960, Seite 17 f
Quelle: Der Bergkamerad 1960, Heft 7 (siehe Anhang)
Quelle: DAV Mitteilungen 1977, Seite 266 f und 276
Quelle: Der Bergsteiger 1984, Heft 7, Seite 60 f (siehe Anhang)


Geboren am:
06.10.1849
Gestorben am:
03.03.1900
application/pdf Purtscheller Ludwig - BST 1984-7.pdf
application/pdf WIKIPurtscheller Ludwig - BK 1960-12-März.pdf

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